Zunächst sollte „Vaiana“ als Serie für Disney+ umgesetzt werden. Jetzt haben David Derrick Jr. und Jason Hand doch den Kinofilm „Vaiana 2“ gemacht, dem am kommenden Kinowochenende einer der besten Starts des Jahres prophezeit wird. Wie es doch noch zum Kinofilm kam, erzählen uns die beiden Macher im Interview.
„Vaiana“ war sofort bei Veröffentlichung im Jahr 2016 ein Erfolg, seither hat sich die kulturelle Bedeutung des Films vervielfacht: Was ist der Grund für diese enorme Beliebtheit der Marke?
Jasin Hand: Wie alle anderen auch können wir nur spekulieren. Aber ich denke, da kommen ein paar gute Elemente zusammen. Die Figur Vaiana ist ganz besonders, sie ist so etwas wie die Summe des Besten, was in uns allen schlummert. Sie gibt niemals auf, lässt niemals nach, wird alles unternehmen, dass es ihren Freunden, ihrer Familie, den Menschen um sie herum gutgeht. Sie ist ein Vorbild mit einer ganz besonderen Superkraft: Empathie. Und weil das zwar toll ist, aber auch langweilig sein könnte, ist sie obendrein noch eine Actionheldin, die niemals zögert, immer in erster Reihe dabei ist, furchtlos und todesmutig. Das ist eine beeindruckende Qualität, das macht sie zu einer geborenen Anführerin in ihrer Gemeinde. Aber das steigt ihr nicht zu Kopf, sie führt an mit Mitgefühl. Aber genug mit dem hochtrabenden Gerede: Die Figuren sieht man einfach gern, sie machen Spaß, sie holen uns ab.
David Derrick Jr.: Was den Leuten besonders viel Spaß macht, ist die Beziehung von Vaiana mit Maui. Da stimmt die Chemie einfach! Es ist so, wie Jason sagt: Sie gibt nicht auf. Auch nicht, wenn sie es mit einem raffinierten Halbgott wie Maui zu tun hat. Sie ist so überzeugend und stark, dass sie nicht nur Freundschaft schließen, sondern es ihr gelingt, Maui tatsächlich zu verändern. In ihrer Gegenwart wird er zu einer besseren Person. Ich denke, das ist ansprechend und entwaffnend. „Vaiana“ wäre aber nicht „Vaiana“, wenn die Welt nicht so faszinierend wäre, in der die Geschichten spielen. Allein die Farben! Und wir haben noch ein paar lustige Tiere in die Geschichte geholt, fliegende Füchse, riesige Monsteraale. Grundsätzlich kann man sagen: Wir haben uns den ersten Film als Vorbild genommen und die Welt einfach noch ein bisschen größer und aufregender gemacht.
Sagt sich so leicht. Was genau ist denn neu an „Vaiana 2“?
Jason Hand: Darüber haben wir viel nachgedacht. Wir wollten einen Film machen, der sich vertraut anfühlt, aber doch auch die Fühler ausstreckt in neue Richtungen. Wieder unternimmt Vaiana eine Reise, diesmal ist sie aber nicht alleine unterwegs und muss sich beweisen. Jetzt ist die eine tragende Säule der Gemeinde und wird deshalb begleitet auf ihrer Reise von einer Gruppe weiterer Figuren. Das alleine öffnet den Film, schafft eine andere Dynamik.
David Derrick Jr.: Und dann gibt es ein Wiedersehen mit den Kakamora, die in „Vaiana“ als Bösewichte fast die größten Sympathieträger waren. Wir haben uns also überlegt, wie wir sie wieder, aber gleichzeitig ganz anders in die Handlung einbinden können. Gemeinsam mit Maui als weiteren Mitstreiter, ist es eine sehr unterhaltsame und sehr verrückte Reise, die wir uns ausgedacht haben.
Jason Hand: Uns sind die Themen der Filme sehr wichtig bei Disney. Im ersten Film ging es darum, dass Vaiana eine Verbindung zur Vergangenheit ihres Volkes aufbaut, dass sie sich ihrer Herkunft bewusst wird. Diesmal geht es um die Zukunft. Moanas kleine Schwester spielt eine wichtige Rolle, besonders für Vaiana, die nur das kleine Mädchen ansehen muss, um sich sofort Gedanken um die Zukunft ihrer Gemeinde zu machen.
Als eine Fortsetzung von „Vaiana“ erstmals angekündigt wurde, war von einer Serie für Disney+ die Rede, die Sie, David, realisieren sollten. Worum wäre es in der Serie gegangen – und wie wurde daraus der Film, der jetzt in die Kinos kommt?
David Derrick Jr.: Zuerst muss ich sagen: Als ich vor vier Jahren mit der Ausarbeitung der Serie begann, war Jason der Erste, den ich anrief, um ihn als Mitstreiter zu gewinnen. Jason ist also von Anfang mit an Bord gewesen, wir wollten die Episoden als Regisseure zwischen uns aufteilen. Als wir uns erstes Material in einem Screeningroom mit toller Leinwand mit den Kollegen ansahen, lassen wir das einfach auf uns wirken und fühlen uns auf diese Weise in den Stoff rein, lassen uns von der Geschichte sagen, wie sie erzählt werden will sozusagen. Da stellten wir schnell fest: Es musste die große Leinwand sein! Das ist unsere eigentliche Komfortzone. Auch die Serie hätte den Atem von Kino gehabt, wir hätten eine große Geschichte in Serienform erzählt. Vielleicht ein bisschen ausgedehnter, aber es wäre im Großen und Ganzen dieselbe Geschichte gewesen. Es gab sogar einen entschiedenen Vorteil, dass wir als Serie gestartet waren: Wir haben viel mehr neue Figuren etabliert. Sie wären das Rückgrat der Serie gewesen. Jetzt sind sie wichtige Nebenfiguren, aber der Fokus liegt wieder auf Vaiana und Maui. Ich sehe es als eine natürliche und sehr erfreuliche Evolution. Und ich bin sehr glücklich, dass wir die Geschichte von Vaiana im Kino fortsetzen. Da gehört sie hin.
Damit sagen Sie was: Als der Trailer von „Vaiana 2“ veröffentlicht wurde, avancierte er zum meistgesehenen Trailer in der Geschichte von Disney. Nun ruhen große Erwartungen auf Ihrem Film. Spüren Sie den Druck?
Jason Hand: Wir können nicht viel mehr tun, als den bestmöglichen Film zu machen. Das ist immer das Ziel bei Disney. Das war auch hier so. Wir haben wirklich alles reingesteckt, um der Hinterlassenschaft des ersten Films und der Geschichte von Vaiana gerecht zu werden. Alles weitere liegt nicht in unseren Händen. Wir sind sehr stolz auf den Film und sind zuversichtlich, dass sich das Publikum wieder in die Figuren verlieben wird, wie es uns bei der Produktion gegangen ist. Klar spüren wir den Druck. Der Film soll funktionieren. Aber er kann nur dann funktionieren, wenn er so gut geworden ist, wie es uns möglich war. Das Erbe des Studios ist es, Animationsfilme zu machen, die die Zeit überdauern. Darum geht es. Das ist unsere Mission. Wir screenen den Film im Verlauf der Produktion intern immer wieder, im Fall von „Vaiana 2“ gab es acht Vorführungen, bei denen man Notizen und Anregungen der treibenden Kreativkräfte des Studios erhält. Das ist ein echtes Geschenk, weil man immer weiter feilen, den Film immer weiter verbessern kann.
David Derrick Jr.: Als man mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, die Geschichte von „Vaiana“ fortzusetzen, habe ich mich als erstes mit den Regisseuren des ersten Teils getroffen, John Musker und Ron Clements. Ich wollte sie um ihren Segen bitten. Sie haben sofort erklärt, dass sie uns in allen Schritten unterstützen würden. Und jetzt konnten wir ihnen den fertigen Film endlich zeigen. John umarmte uns und sagte uns, dass er stolz auf uns ist. Das ist eigentlich schon genug für mich. Er fühlte sich geehrt von unserer Arbeit und fand, dass wir den Stoff auf eine neue Ebene befördert hatten. Geht es noch besser?
Gerade gab es einen Wechsel der Kreativspitze von Disney Animation. Jennifer Lee hat den Posten des CCO an Jared Bush abgegeben, der am Drehbuch von „Vaiana 2“ mitgearbeitet hat. Spüren Sie bereits eine Veränderung?
Jason Hand: Der Posten des CCO ist von elementarer Bedeutung für Disney Animation. Aber es fühlt sich für uns an wie eine Fortsetzung. Jennifer und Jared haben in der Vergangenheit miteinander gearbeitet und teilen diese besondere Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten, die so entscheidend sind für diesen Posten. Jared kenne ich selbst schon sehr lange. Ich habe Seite and Seite mit ihm am originalen „Vaiana“ sowie „Zoomania“ gearbeitet, wir waren im Story-Department von „Encanto“, und er war zusammen mit David und unserer Mitregisseurin Dana auch eng an der Entstehung von „Vaiana 2“ beteiligt. Jared ist ein fantastischer Storyteller, unheimlich begabt und sehr witzig. Ich freue mich riesig auf das, was uns bei Disney mit ihm an der Spitze erwartet. Ebenso bin ich ungemein stolz auf alles, was Jennifer in ihrer Zeit auf den Weg gebracht hat. Sie ist ja nicht weg, sondern wird vielmehr künftig wieder kreativ unmittelbar an ihren eigenen Filmen arbeiten. Unverändert bleibt dieser besondere Spirit bestehen, weshalb ich so gerne bei Disney arbeite: Jeder unterstützt jeden, alle greifen einander unter die Arme.
David Derrick Jr.: Wie toll ist es, dass Jennifer jetzt wieder als Regisseurin arbeiten kann! Darauf freue ich mich riesig! Ansonsten: Was Jason gesagt hat.
2024 ist ein besonderes Jahr für den Animationsfilm. Woran liegt das?
Jason Hand: Ich wollte mein ganzes Leben lang nichts anderes als Animationsfilme machen. Und ich weiß, dass das auf die meisten meiner Kollegen bei Disney, aber auch den anderen Animationsstudios zutrifft. In den letzten Jahren ist unsere gesamte Gemeinde enger zusammengerückt. Die Möglichkeiten der Kommunikation haben sich ungemein verbessert. Der Austausch ist intensiver geworden, das Teilen von Ideen. Ich denke, das ist ein Auslöser für die gewaltige kreative Explosion, die wir aktuell erleben. Und natürlich die immense Verbesserung der Technologie, der Werkzeuge, die man uns an die Hand gibt. Darf ich das sagen: Für mich gibt es keinen besseren Weg, keine bessere Ausdrucksform für die Erzählung einer Geschichte als Animation. Kreativität ist das, was man daraus macht, richtig? Es ist eine besondere Zeit, in unserem Feld zu arbeiten. Ich bin wahnsinnig stolz, meinen Anteil dafür leisten zu können.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.