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Die Macher von „Islands“: „Eine kurze Reise bis jetzt, aber: sehr gut!“


Gestern ist „Islands“ im Kino gestartet, heute geht der Film mit Sam Riley in der Hauptrollen mit vier Nominierungen beim Deutschen Filmpreis ins Rennen. Wir haben und mit Autor und Regisseur Jan-Ole Gerster und den beiden Produzenten Jonas Katzenstein und Maximilian Leo zusammengesetzt, um über ihren außergewöhnlichen Film zu sprechen.

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Die Macher von „Islands“: Autor und Regisseur Jan-Ole Gerster (mitte) und die Produzenten Jonas Katzenstein und Maximilian Leo (Credits: Heike Benk, augenschein, LEONINE Studios)

Sie haben auf der Berlinale Premiere gefeiert, sind jetzt für vier Deutsche Filmpreise nominiert. Wie haben Sie die Reise des Films in der Öffentlichkeit bis hierhin erlebt?

Maximilian Leo: Da der Kinostart erst am 8. Mai war, hatte man das Gefühl, die Geschichte geht erst jetzt richtig los. Die Berlinale war eine wunderbare Bühne, den Film erstmals einem Publikum und der Kritik zu präsentieren. Die Reaktionen waren überwältigend. Natürlich tut das immens gut nach der langen, harten Arbeit – von den Nominierungen für den Deutschen Filmpreis gar nicht zu reden. Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen der Film und vor allem Jan-Ole Gersters nächste lakonisch-tragische Hauptfigur berührt. Er hat eine Zeitlosigkeit und spricht dennoch die Menschen im Hier und Jetzt ganz unmittelbar an. Ich bin froh, dass der Film so wahrgenommen wird, weil sich damit ein Kreis für uns schließt und uns mit dem Gefühl verbindet, das Jonas und ich empfanden, als Jan-Ole uns den Stoff erstmals gepitcht hat. 

Jan-Ole Gerster: Es war eine kurze, aber sehr intensive Phase seit der Premiere auf der Berlinale, die uns beglückt und mich persönlich auch ein bisschen beruhigt hat. Am Ende der Fertigstellung eines Films ist man so durchgespült, hat man den Film so oft gesehen, dass man selbst gar nicht mehr objektiv einschätzen kann, was man gemacht hat. Und dann die große Premiere auf der Berlinale im Zoopalast. Man weiß nicht, was auf einen zukommt. In diesem Fall war es sehr positiv und motivierend. Direkt danach sind wir unmittelbar ins Lola-Rennen gestolpert und haben alles dafür getan, „Islands“ für die Akademie-Mitglieder sichtbar zu machen. Das war sehr eng getaktet, aber offenbar haben wir es nicht ganz falsch gemacht. Eine kurze Reise also bis jetzt, aber: sehr gut!

„Ich hatte länger schon mit der Idee geliebäugelt, einen Film in englischer Sprache zu drehen.“

Jan-Ole Gerster

Jonas Katzenstein: Jan-Ole hat drei Filme gemacht und hat für jeden eine Lola-Nominierung als bester Film erhalten. Mit „Oh Boy“ hat er dann, wie wir alle wissen, auch gewonnen. Das ist eine klare und deutliche Ansage, finde ich. Die letzten Wochen waren für den Filmpreis definitiv ein Bergauf-Rennen, weil der Kinostart erst einen Tag vor der Verleihung erfolgt. Dass der Film dann von so vielen Akademie-Mitgliedern gesehen wurde, ist nicht zuletzt Jan-Oles unermüdlichem Einsatz zu verdanken. Wer in Zukunft einen guten Kampagnen-Manager braucht, sollte sich seine Telefonnummer besorgen. 😊

Jan-Ole Gerster: Ich musste das ja übernehmen, weil ihr Kölner nach der Berlinale gleich im Karneval verschwunden seid! 

Maximilian Leo: Ich weiß noch: Während der Premiere verließen wir nacheinander den Saal, weil wir wussten, dass 30 Minuten nach Filmstart das Review-Embargo fiel. Also saßen wir in der Paris Bar und warteten auf den großen Moment. Tatsächlich kamen die Besprechungen der großen Trades gleichzeitig. Peng, peng, peng. Wir mussten das erst einmal verdauen und waren dann fassungslos, wie positiv und kenntnisreich geschrieben sie waren. Damit fiel eine große Last von uns, weil man mit einem so feinen Film von Regie- und Produzentenseite nicht richtig einschätzen kann, wie er denn rezipiert werden würde, ob von der Kritik das aufgegriffen wird, was uns selbst wichtig war. Wir haben bei der Produktion viel darüber diskutiert, wie man es hinkriegt, die nötige Gravitas zu überliefern, den Film aber doch leicht und kurzweilig sein zu lassen. Es gab sehr gute deutsche Kritiken, aber eben auch von internationaler Seite wurde „Islands“ sehr präzise und nuanciert so gelesen, wie wir ihn intendiert hatten. Das war ein sehr schöner Moment. 

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Jan-Ole Gerster und Sam Riley auf der Deutschlandpremiere von „Islands“ (Credit: Kai Schulz / LEONINE Studios)

Interessant ist dabei, dass „Islands“ nicht unbedingt als deutscher Film wahrgenommen wird. Wie sehr war es Absicht, aus Deutschland heraus einen internationalen Kinofilm zu machen?

Jan-Ole Gerster: Definitiv kann ich sagen, dass es mir wichtig war, in Bezug auf Darsteller:innen, Ensemble, Sprache meinen Horizont zu erweitern. Ich hatte länger schon mit der Idee geliebäugelt, einen Film in englischer Sprache zu drehen. Es fehlte mir aber lange das richtige Projekt dafür, bei dem sich das auf eine organische Weise angeboten hätte. Ich wollte keinen Film machen, bei dem es sich so anfühlte, als hätte man ihn in das Englische hineingepresst. In diesem Punkt bin ich empfindlich. Es musste sich richtig anfühlen. Als ich auf Fuerteventura war und angefangen habe, über diese Geschichte nachzudenken, fiel mir auf, wie viele Briten hier Urlaub machen, mindestens so viele wie Deutsche. Die Insel selbst ist so etwas wie neutraler Boden…

… auf dem es sich dann richtig angefühlt hat, in englischer Sprache zu erzählen?

Jan-Ole Gerster: Es war naheliegend, in diese Richtung zu denken, mit britischem Cast und spanischer Crew den Film zu machen, aber aus Deutschland heraus finanziert und produziert. Rückblickend war es eine gute Entscheidung für einen ersten Film auf Englisch. 

„Wir wollen deutsche Filme produzieren, gerichtet aber an ein Weltpublikum. “

Maximilian Leo

Und der zweite große Film über Briten in Spanien nach „Sexy Beast“.

Jan-Ole Gerster: Die Briten lieben Spanien. Ich erinnere mich, wie ich mit Sam (Riley) auf Fuerteventura eine Livemusik-Bar besucht habe, in der auf der Bühne britische Singer-Songwriter-Klassiker gespielt wurden. 40 oder 50 Briten saßen vor ihren Pints und haben versonnen zugehört. Ich dachte, dass das bei Sam, der seit Jahren in Berlin wohnt, eine gewisse Sehnsucht nach zuhause auslösen könnte. Er blickte sich aber nur um und sagte zu mir: „Everyone in here voted for Brexit.“ Ich habe mir die Runde angesehen und gedacht: Vermutlich hat er Recht. Es war ein lustiger Abend mit ihm. 

Maximilian Leo: Seit Jahren führen wir die Debatte: Was ist ein deutscher Film, was nicht? Wenn ein deutscher Filmemacher im Urlaub eine große Idee hat für einen Film, die sich nur dann wirklich umsetzt, wenn man sie international denkt und entsprechend umsetzt, in englischer Sprache, ist es allemal eine deutsche Produktion eines deutschen Filmemachers. Und damit auch ein deutscher Film. Das ist mir wichtig. Wenn man dieses qualitative internationale Kino aus Deutschland heraus machen will, dann muss man erfinderisch sein. Und man muss Wege finden, diese Filme weiterhin so zu finanzieren, dass man sie so umsetzen kann, dass sie gegen die internationale Konkurrenz bestehen können, und all das in einer Situation der verschwindenden Sendeplätze. Weil wir das Projekt international realisiert haben, konnten wir es auch ohne Senderunterstützung machen. Das ist der Weg, den ein deutscher Film vielleicht nicht gehen muss, aber gehen kann. Und in Zukunft vielleicht immer öfter gehen wird. 

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Jan-Ole Gersters „Islands“ mit Jack Farthing, Stacy Martin und Sam Riley (Credit: LEONINE Studios)

Jonas Katzenstein: Man muss doch nur einen Blick werfen auf die sechs Filme, die in diesem Jahr als bester Film für den Deutschen Filmpreis nominiert wurden. Zwei davon, „September 5“ und „Islands“, sind in englischer Sprache, ein weiterer, „KÖLN 75“, ist teilweise in englischer Sprache, noch ein anderer, „Die Saat des heiligen Feigenbaums“, ist auf Farsi und wurde im Iran gedreht und die zwei verbliebenen, „In Liebe, eure Hilde“ und „Vena“, erzählen deutsche Geschichten in deutscher Sprache. Und doch sind es alle deutsche Filme, gemacht von deutschen Produzenten. Wir leben in einem Land im Wandel, in den Großstädten wird auf der Straße längst auch Englisch gesprochen. 

Maximilian Leo: Wir wollen deutsche Filme produzieren, gerichtet aber an ein Weltpublikum. 

Jonas Katzenstein: Das ist der Unterschied, der uns in der Finanzierung extrem hilft. Wir haben auf einmal einen Weltmarkt, für den wir produzieren. Das ist sehr befreiend, weil es uns in unserem Anliegen weiterbringt, anspruchsvolle Filme zu machen, die es schwer hätten, hergestellt zu werden, wenn sie ausschließlich auf ein deutsches Publikum ausgerichtet wären. Das ist eine Entwicklung, die wir generell feststellen. In diesem Jahr schlägt es sich eben sehr deutlich auch in den Nominierungen für die Lolas nieder. 

„Wir wären beleidigt gewesen, wenn wir den Film nicht mit ihm hätten machen dürfen“

Jonas Katzenstein

Was macht „Islands“ im Portfolio von augenschein Filmproduktion besonders? Was hebt ihn hervor?

Jonas Katzenstein: In Cannes haben wir Jan-Ole angesprochen, um von ihm zu wissen, ob es einen Filmstoff gäbe, bei dessen Umsetzung wir ihm helfen könnten. Damals hat er uns von „Islands“ erzählt, und wir wären im Nachhinein beleidigt gewesen, wenn wir den Film nicht mit ihm hätten machen dürfen. Max ist ein großer Fan von Fuerteventura, verbringt gefühlt jeden Urlaub dort. Ich wiederum bin ein begeisterter Tennisspieler, wir alle drei sind an einem Punkt im Leben, wo sich einem die großen Fragen der Midlife Crisis stellen – und da kam diese Geschichte eines Tennislehrer in der Warteschleife seines eigenen Lebens wie gerufen. Mal ganz abgesehen davon, dass wir unbedingt mit Jan-Ole arbeiten wollten, den wir seit „Oh Boy“ aufmerksam und begeistert verfolgen. 

Maximilian Leo: Es gibt aber tatsächlich noch einen Schritt davor, und das ist unser Credo, Filme aus Deutschland heraus zu machen, die ihren Weg in der Welt gehen können. Wenn man das mit deutschen Regisseur:innen umsetzen will, dann braucht man Filmemacher:innen, die eine Handschrift haben, die reisen kann.

Jonas Katzenstein: Wir verfolgen das Filmschaffen in Deutschland sehr aufmerksam und haben immer ein Auge auf Filmemacher:innen, bei denen wir eine entsprechende internationale Handschrift oder erzählerische Ausrichtung erkennen, dass sie über unsere Grenzen hinaus im Weltmarkt bestehen können. Jan-Ole ist für uns ein perfekter Kandidat, mit seinem überragenden Können und umfassenden filmischen Wissen und eben dieser ganz eigenen und unverkennbaren Handschrift, die immer er, aber nie explizit deutsch ist. Wir waren überzeugt, mit ihm einen Film machen zu können, der international Anklang findet. Und wie wir an den Reaktionen merken, ist uns das gelungen. 

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Jan-Ole Gerster, Regisseur von „Islands“ (Credit: Christian Werner)

Maximilian Leo: Wir waren hingerissen von der Lakonie und Leichtigkeit, die Jan-Ole bei „Oh Boy“ und „Lara“ trotz der Schwere der Themen gezeigt hat. Das war die Grundlage dafür, mit ihm intensiver ins Gespräch kommen zu wollen. Wir hatten den Eindruck, dass da nach den Erfolgen im deutschen Kino und beim Filmpreis als nächstes ein Schritt kommen könnte, der ihn noch einmal deutlich nach vorn bringt und auch international als Filmemacher von Rang etabliert. Wir wollen das nach „Islands“ gerne fortsetzen und reden entsprechend auch schon über Stoffe, mit denen das möglich sein kann. Aber wie Jan-Ole gerade schon gesagt hat: Das lässt sich nicht erzwingen, das muss organisch kommen. 

Kino ist eine universale Sprache, die weltweit verstanden werden kann, wenn man sie denn als Filmemacher auch beherrscht…

Jan-Ole Gerster: In Bezug auf die Handschrift und die Filmemacher fallen mir zahlreiche Beispiele ein, wo das unbedingt zutrifft: große Meister, die sich aus ihrer Sprache gelöst haben und mittels des Kinos förmlich zu Weltbürgern wurden. Antonioni, der für „Blow-Up“ nach London gegangen ist und später für „Zabriskie Point“ und „Beruf: Reporter“ in die USA. Wim Wenders, der „Paris Texas“ in den USA gedreht hat. Trotzdem sind es unverkennbar Filme von Antonioni und Wenders, mit die größten, die sie gemacht haben. Man wird ja nicht jemand anders und wirft alles über Bord, was man bisher gemacht hat, weil man in einer anderen Sprache dreht. Es ist abhängig vom Stoff: Wenn es sich anbietet, dann würde ich jederzeit wieder auf Englisch drehen. Genauso bin ich auch Geschichten in deutscher Sprache unverändert nicht abgeneigt. Gerade bin ich an genau so einem Stoff dran, den ich gerne so schnell wie möglich umgesetzt bekommen möchte: Anders als „Island“ mit seiner aus der Zeit gefallenen Machart, ist es ein ganz aktueller, jetziger Stoff.

„Man wird ja nicht jemand anders, weil man in einer anderen Sprache dreht.“

Jan-Ole Gerster

Sie fühlen sich also wohl in der diesjährigen Auswahl beim Deutschen Filmpreis?

Jan-Ole Gerster: Erstens freue ich mich natürlich und zweitens bin ich in Gegenwart toller Kolleg:innen. Ich finde das explizit gut so. Der Deutsche Filmpreis kann um Himmels Willen keine Veranstaltung sein, die das Deutschsein feiert. Es geht darum, die Talente aus Deutschland hervorzuheben, die im Zuge eines Filmjahres tolle Filme gemacht haben oder daran beteiligt waren. Mal abgesehen vom Cast waren bei „Islands“ primär deutsche Kreative beteiligt. Ich denke an Szenenbildnerin Cora Pratz, die Musik von Dascha Dauenhauer, das Kostümbild von Christian Roehrs. 

Maximilian Leo: Gerade mit Blick in die USA möchte ich betonen, wie wichtig es ist, dass Deutschland im Jahr 2025 nicht für kulturellen Protektionismus steht. Ich bin sehr froh, dass wir in einer weltoffenen Gesellschaft leben, in der jeder, der sich entscheidet, hier Filme machen zu wollen, auch Filme für die Welt machen kann. Es spricht mir aus dem Herzen, dass der Deutsche Filmpreis in diesem Jahr auf so ungezwungene und selbstverständliche Weise die Vielfalt feiert. Das zeigt das Potenzial, das in der deutschen Gesellschaft steckt. Vielleicht gelingt es uns als Branche, davon zu profitieren, insbesondere wenn die Entwicklungen in den USA anhalten. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.