Gestern ist „Black Dog“ von Guan Hu in den deutschen Kinos gestartet. Der ungewöhnliche Gewinner des Hauptpreises des Un Certain Regard in Cannes ist der erste Film in Deutschland, der mit KI synchronisiert wurde. Wir fragten nach bei Stefan Sporn, Mitgründer des AIL – Audio Innovation Lab.
Ein Raunen geht derzeit durch Kinobranche. Mit dem Kino-Start des Films „Black Dog“ hat Ihr Unternehmen eine Weltpremiere geschaffen, weil erstmals ein Film in die Kinos kommt, dessen Synchronisation mit KI-Audio hergestellt wurde. Wie sind die bisherigen Reaktionen?
Stefan Sporn: Bisher konnte ein breites Publikum nur den Trailer sehen, daher müssen wir noch ein paar Tage abwarten, bis dieser wunderbare Film hoffentlich viele Zuschauer in die Kinos gelockt hat. Die Resonanz nach einem Testscreening des gesamten Films für Branchenfachleute und einige aus dem „normalem“ Publikum stimmt uns aber optimistisch: Das Publikum war durchweg von der KI-Synchronisation beeindruckt und das einhellige Urteil lautete: „Wenn ich es nicht gewusst hätte, hätte ich es nicht bemerkt!“ Die Reaktionen im Netz zum Trailer sind vielfach sehr kritisch, aber oftmals erkennbar unsachlich – sicher hier und da auch interessengesteuert. Wir haben damit gerechnet und setzen auf einen zukünftig konstruktiven Austausch in der Branche.
Warum wurde diese Form der Synchronisation gewählt? Welche Vorteile bringt Sie?
Stefan Sporn: Der Film ist ganz besonders – sowohl bezüglich seines Bildausdrucks als auch hinsichtlich seiner Tonalität, seiner Sprache und seines Sounddesigns ist er für europäische Augen und Ohren ungewöhnlich. Er stellt daher an eine Synchronisation ganz besondere Herausforderungen, die tatsächlich durch KI-Audio besser als auf traditionelle Weise gemeistert werden können. Wer die Chance hat, die Originalfassung mit der Synchronfassung zu vergleichen, wird feststellen, dass die beiden Fassungen in ihrer Tonalität und Stimmung sehr dicht beieinander sind und die Synchronfassung erreicht, was sie immer erreichen sollte: Dem Original so nah wie möglich zu kommen. Das Original verpflichtet.
Worin sehen Sie denn generell die Vorteile einer KI-Synchronisation?
Stefan Sporn: Es gibt eine Vielzahl von Vorteilen. Ganz entscheidend ist folgender: Authentizität. Wir können die Originalschauspieler/innen mit ihren Stimmen, ihrer Tonalität und ihren Eigenheiten nahezu jede Sprache sprechen lassen – näher dran geht es nicht. Die traditionelle Herstellungsweise gibt das nicht her: Die Stimmen der Synchronsprecher/innen sind oft weit weg von denen der Protagonisten. Das kann man gut oder schlecht finden, aber letztlich sollte das Original das Maß der Dinge sein. In dem Zusammenhang: Wir können multilinguale Fassungen aus einer Hand anbieten. Für Vertriebsunternehmen, die bisher an den verschiedenen Standorten in der Welt die lokalen Sprachfassungen erstellen mussten, ein Riesenvorteil. Und schließlich noch ein Vorteil: KI-Stimmen „leben“ ewig, fallen Sprecher/innen aus, ist keine Umbesetzung erforderlich.
Was bedeutet die Entwicklung für die Synchronbranche und vor allem für die Sprecher/-innen?
Stefan Sporn: Wir sind fest davon überzeugt, dass KI-Audio die Synchronbranche fundamental und nachhaltig verändern wird. Sonst hätten wir das Audio Innovation Lab mit dem klaren strategischen Fokus auf KI nicht gegründet. Allerdings darf dabei Folgendes nicht übersehen werden: Der Mensch ist und bleibt der Schlüssel zu einem qualitativ hochwertigen kreativen Ergebnis. Die KI ist ein Werkzeug, das viele Arbeitsprozesse verändert, aber nicht den Menschen ersetzt. Wir schaffen sogar neue Berufsfelder, wie den KI-Audio-Producer. Bezogen auf den Einsatz von Sprecher/innen lässt sich vielleicht folgender Vergleich ziehen: Mit der Einführung der E-Mail war und ist der normale Brief nicht verschwunden; er wird nur weniger eingesetzt. Wir bekommen aktuell sehr viele Bewerbungen aus allen Gewerken, darunter auch eine große Zahl von Sprecher:innen, die gerne mit uns zusammenarbeiten möchten.
Die KI wird nicht mehr verschwinden. Wie werden Sie weitermachen? Wie kann man die Branche mit an Bord bringen?
Stefan Sporn: Wir als Start-up sind zunächst stolz darauf, innerhalb von sechs Monaten nach unserer Gründung mit dem ersten Kinofilm auf die Leinwand zu kommen – an dieser Stelle ein Dank an unseren Auftraggeber und sein Vertrauen in uns. Von dem Sturm, den dieser Schritt in der Branche möglicherweise auslöst, werden wir uns nicht von unserem Weg abbringen lassen. Wir halten aber jede jetzt ausgelöste Diskussion für richtig und wichtig und stellen uns der auch. Aktuell arbeiten wir bereits an weiteren Kinofilmen, die im ersten Halbjahr 2025 in die Kinos kommen werden, und freuen uns über eine stetig wachsende Nachfrage nach unseren KI-Audio-Produktionen. Wie die traditionelle Synchronbranche auf die Entwicklung weiter reagieren wird, darüber mag ich nicht spekulieren. Ich hoffe aber, dass es – wie bei jeder Innovation – am Ende mindestens ein produktives Nebeneinander, bestenfalls aber eine echte, für alle Beteiligten vorteilhafte Zusammenarbeit gibt.
Die Fragen stellte Thomas Schultze.