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David Schalko über „Warum ich?“: „Ein total freies Arbeiten“


Am 20. Juni stellt die ARD das Kleinod „Warum ich?“ in der Mediathek bereit (HIER unsere SPOT-Besprechung). Die sechsteilige, starbesetzte Anthologieserie stammt von David Schalko (Produktion: Superfilm). Mit ihm sprachen wir über das Denken in anderen Formen, künstlerische Freiheit und künstlerische Vielseitigkeit. Und ein Wort zu „Braunschlag 1986“ darf nicht fehlen…

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David Schalko (Credit: Nicole Albiez)

„Warum ich?“ ist ein ungewöhnliches Format mit seinen sechs kurzen Filmen. Was war die ursprüngliche Idee dahinter? Gab es auch einen Bezug zu Ihrem Buch mit Kurzgeschichten?

David Schalko: In der Serie kommt nur eine Geschichte vor, die auch im Buch ist, die Cowboy-Geschichte um die Figur des Jeff Kanter, in der Serie gespielt von Charly Hübner. Die wollte ich immer schon mal verfilmen. Es hatte sich aber nie angeboten, eben weil es eine Kurzgeschichte ist. „Warum ich?“ entstand aus einem Treffen mit Carolin Haasis von der ARD, bei dem wir überlegten, was ich für die Mediathek machen könnte. Es war eine sehr freie Herangehensweise, am Tisch einigten wir uns auf eine Art Anthologieserie um das Thema Mini-Egoismen und auf den Titel. Im Lauf von drei Jahren, immer, wenn ich Zeit und Muße hatte, habe ich die Drehbücher für die Kurzfilme geschrieben. Es war sehr frei und ohne Zeitdruck. Nach „Kafka“ bot sich dann ein Zeitfenster, die Produktion anzupacken. Nach „Kafka“ war zudem bei mir die Sehnsucht da, nicht gleich wieder etwas so Großes machen zu wollen. Mit dem ganzen Koloss, der dranhängt, und einer ewig langen Vorbereitungszeit. „Warum ich?“ war klein, ich konnte mich voll und ganz auf die Geschichten und die Schauspieler konzentrieren, ohne großes Brimborium. 

„Warum ich?“ zeichnet sich durch eine ganz eigene Tonalität aus. Wie sind Sie da rangegangen?

David Schalko: Die letzten Sachen, die ich gemacht habe, waren sehr unterschiedlich und haben sich von der klassischen Komödie entfernt. Nach „Kafka“ hatte ich das Bedürfnis, wieder mehr in Richtung schwarze Komödie zu gehen. Das war die Grundidee. Die ARD-Mediathek bot mir dann die Chance, in anderen Formen zu denken. Im regulären Fernsehen wäre ich damit nicht weit gekommen. Denn ebenso wie Kurzgeschichten bei Verlagen sehr unbeliebt sind, spielen Kurzfilmerzählungen im regulären Fernsehen keine Rolle. In der Mediathek sieht das anders aus. Als Filmemacher war es reizvoll, in 20-Minütern zu denken und zu erzählen, bei denen der dramaturgische Bogen ein ganz anderer ist. Zwar muss man sich über die Figuren letztendlich die gleichen Gedanken machen wie für eine lange Geschichte, aber man zeigt nur einen sehr kurzen Ausschnitt eines Momentums, eines Abends, eines Raums, muss nicht alles auserzählen. Das war toll. Bei Kurzgeschichten oder Kurzfilmen besteht die Gefahr, dass sie am Ende wie Witze erzählt werden, sie nur auf eine Pointe hinauslaufen. Mir ging es vor allem um essentielle Momente, die das Leben der jeweiligen Charaktere verändern. Vorbild waren natürlich auch alte Anthologieserien wie Twilight Zone oder die Kurzgeschichten von Roahl Dahl. 

„Eine Art Fingerübung in Richtung Kammerspiel und in Richtung Komödie, wie ich sie in der Vergangenheit schon mal gemacht habe.“

War „Warum ich?“ für Sie eine Art Petitesse oder Fingerübung, um neue kreative Kraft zu schöpfen? Neue Ideen, neue Blickwinkel zu erhalten für vielleicht auch wieder größere Stoffe?

David Schalko: Das ist eine gute Beobachtung. „Warum ich?“ war tatsächlich eine Art Fingerübung. Erstens in Richtung Kammerspiel, zweitens in Richtung Komödie, wie ich sie in der Vergangenheit schon mal gemacht habe. Gleichzeitig war „Warum ich?“ auch etwas total Neues, weil es eben dieses kurze filmische Format war. 20 Minuten in einem einzigen Raum, sei es im Wohnzimmer oder Zugabteil, sind sehr lang für Fernsehen oder Film. Das hat mich gereizt. Dass du diese Zeit mit langen Dialogen und Situationen ausfüllen musst. Die ganzen Wendungen, Überraschungsmomente oder Aktion per se finden ausschließlich im Dialog statt. Für mich war es in erster Linie eine dialogische Übung. Auch für unseren Kameramann Martin Gschlacht war es eine Übung in starker Reduktion, aus Porträts heraus das Cinematografische zu entwickeln. 

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„Warum ich?“ mit Thomas Schubert und Merlin Sandmeyer (Credit: ARD Degeto Film/Superfilm Filmproduktions GmbH)

Hat sich diese beim Drehbuchschreiben, in der Entwicklung angesprochene Freiheit in der Produktion fortgesetzt? 

David Schalko: Der Dreh fühlte sich an wie ein Abschlussfilm auf der Filmakademie, den ich nie gedreht habe. Es war ein total freies Arbeiten mit maximal jeweils 20 Leuten am Set. „Warum ich?“ entstand entsprechend mit sehr kleinen Mitteln, ohne großes digitales Brimborium… Die Folge im Zugabteil haben wir in einem stehenden Wagon gedreht, das Bremsen des Zugs haben wir fingiert, wie eben bei einem Studentenprojekt… Im Nachhinein habe ich mir gedacht: So könnte ich immer arbeiten! Mit dem Vorspann haben wir einem der berühmten Godard-Vorspänne aus der Nouvelle-Vague-Zeit Tribut gezollt, eine Verbeugung vor Filmen wie „Pierrot Le Fou“, um diese freie, ungezwungene Arbeitsweise zu zitieren…

Sie mussten dennoch sechs Filme drehen. Gab es da logistische Herausforderungen?

David Schalko: Eigentlich nicht. Wir haben auch nichts gemischt, sondern jeden Film für sich, hintereinander in je einer Woche gedreht. Es spielt auch ein Haufen bekannter Schauspieler mit, was ein totaler Luxus war und „Warum ich?“ dann vielleicht doch von einem Studentenfilm unterscheidet. Für fünf Tage bekommt man vielbeschäftigte Schauspieler leichter, selbst wenn sie parallel woanders verpflichtet sind, geht das theoretisch. Alle haben das sehr genossen, dieses konzentrierte Arbeiten am Stück. Bei Seriendrehs geht es ja normalerweise immer durcheinander, nie chronologisch, und immer unter Zeitdruck.

„Eher eine deutsche Geschichte, aber eine deutsche Geschichte vermengt mit der dunklen österreichischen Seele.“

Das große Ensemble besteht aus deutschen, aber auch ein paar österreichischen Schauspielern. Wie deutsch ist „Warum ich?“ bzw. wie österreichisch? Oder ist das belanglos?

David Schalko: Nein, das ist überhaupt nicht belanglos. Das war schon auch Thema bei mir. Die Basis sind deutsche Schauspieler, ich würde sagen, 90 Prozent des Ensembles sind deutsche Schauspieler. Dann gab es aber Figuren wie den Familienvater, der seinen 60. feiert. Diese Figur, dieses Set-up hat sich sehr österreichisch angefühlt. Deshalb habe ich sie mit Robert Palfrader besetzt. Mit Thomas Schubert wollte ich schon lange drehen. Aber bei ihm spielt eigentlich keine Rolle, dass er Österreicher ist, da geht es eher um den Typus, den er spielt. Gedreht haben wir in Wien, wobei die Locations keine Rolle spielen, nicht genau definiert sind. Insofern ist „Warum ich?“ schon eher eine deutsche Geschichte, aber eine deutsche Geschichte vermengt mit der dunklen österreichischen Seele (😄).

Wie selbstkritisch sind Sie? Finden Sie alle sechs Filme gleich gut gelungen?

David Schalko: Natürlich nicht. Aber ich sage nicht, welche ich besser oder welche ich schlechter finde. Das hat nichts mit den Schauspielern zu tun. Es lag am Drehbuchautor. Bei einer Serie sind auch nicht alle Folgen gleich gut. Ich will aber keinen der Filme missen, weil das Mosaik, das da erzählt wird, im Ganzen stimmig ist. Es hängt auch damit zusammen, in welcher Reihenfolge man „Warum ich?“ sieht, die ist zwar fast egal, aber „Cowboys“ sollte die erste Folge sein und „Casa Carmen“ die letzte. Jeder bevorzugt eine andere Folge. Ich mag, dass sie alle sehr unterschiedlich sind, von den Milieus, vom Set-up her, und trotzdem hat man das Gefühl, es ist eine Welt, die da erzählt wird. Es stellt sich ein Seriengefühl ein, obwohl es keine klassische Serie ist.

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„Warum ich?“, auch Detlev Buck spielt mit (Credit: ARD Degeto Film/Superfilm Filmproduktions GmbH)

Trotzdem tauchen manche Figuren doppelt auf…

David Schalko: Es gibt vier Figuren, die in anderen Folgen ein zweites Mal kurz auftauchen. Das war die Idee von der Redakteurin Carolin Haasis, die ich toll fand. Wichtig war mir, die Verschränkung nicht zu stark zu machen, sondern auf eine ganz zarte Art und Weise. Sonst hätten die Geschichten die Glaubwürdigkeit verloren. Die Leute tauchen in anderen Zusammenhängen auf, womit man als Zuschauer nicht rechnet. Sie spielen auch keine riesige Rolle. Das trägt natürlich trotzdem zum Seriengefühl bei. Und man hat schon einen Zustand zu dem Charakter aus einem anderen Zusammenhang.

Die Weltpremiere war beim Filmfest Hamburg 2024. Wie schließen Sie mit Projekten ab? Beziehungsweise auf welche Art und Weise leben Projekte aus der Vergangenheit weiter in Ihnen?

David Schalko: Jedes Projekt lebt in mir weiter. Aber ich schließe ein Projekt ab, indem ich ein neues beginne. Das ist eine gute Art, Dingen nicht hinterherzuhängen. In der Phase jetzt, wo wir über „Warum ich?“ sprechen, bin ich im Kopf schon beim nächsten Dreh. Das finde ich ganz gut, dann bekommt das nicht so ein Gewicht, weil man schon im Tun von etwas anderem ist. Aber klar leben die Sachen, die ich gemacht habe, in mir weiter. Sie sind wie mein Garten.

„Es hat sich gut angefühlt, ohne ein sentimental trip zu werden.“

Der nächste Dreh ist kein Geheimnis: Es ist „Braunschlag 1986“, eine Fortsetzung Ihrer Kultserie von vor über 14 Jahren. Warum musste so viel Zeit verstreichen?

David Schalko: Ich wollte nie eine zweite Staffel machen. Ich hatte immer im Hinterkopf, wenn es dazu kommen sollte, müsste ich sowieso zwischen 14 bis 16 Jahre warten wegen der Halbwertszeit. Den Atomunfall in Braunschlag habe ich damals mit voller Absicht angelegt, sollte mich jemand nach einer zweiten Staffel fragen 😄. Dann hatte ich eine Idee, die ich nicht verraten werde, und ich dachte, dass ich die nur in einem Ort wie Braunschlag umsetzen kann … Ich habe mir die Serie nach langer Zeit wieder selbst angeschaut, weil ich wieder eintauchen musste in diese Zeit. Ich musste mich Dinge fragen wie: Was ist aus den Figuren geworden, kann man die genauso sprechen lassen wie damals, wie fühlt sich das an, dorthin zurückzureisen? Das Schreiben hat sich recht schnell selbstverständlich angefühlt, es war, wie wenn man zurückkehrt in einen Ort, den man gut kennt. Insgesamt war es eine interessante Erfahrung für mich, weil ich für mich selbst noch nie eine Serie zwei Mal gemacht habe. Insofern ist die Fortsetzung auch Neuland für mich. Ich habe beim Schreiben gemerkt, wie die Dinge in einem weiterleben, gespeichert sind, und dass sie zu leben beginnen, sobald man diesen Ort wieder betritt. Es hat sich gut angefühlt, ohne ein sentimental trip zu werden. Dann hätte ich es auch nicht gemacht. Die Fortsetzung wurde aus einer ganz speziellen Idee herausgeboren, die nur dort Sinn macht und mit der ich – hoffe ich – etwas Interessantes erzählen kann.

Ihre Produktionsfirma Superfilm, die Sie mit John Lueftner gegründet haben, produziert nicht nur Ihre eigenen Projekte. Inwiefern sind Sie bei Produktionen involviert, die nicht Ihre eigenen sind?

David Schalko: Das ist unterschiedlich. In erster Linie ist John für die geschäftliche Ebene verantwortlich und ich versuche, mich um meine Stoffe zu kümmern. Aber es gibt auch Projekte, die wir zu zweit machen, wo ich mich mehr involviere oder wir uns auch abwechseln. John und ich ergänzen uns sehr gut, dass man, im übertragenen Sinn, die Staffel auch im Laufen weitergeben kann. Es gibt unterschiedliche Szenarien. Von Sendungen wie „Willkommen in Österreich“, die ein Selbstläufer sind, hin zu jungen Formaten wie „School of Champions“, für die Samuel Schultschik verantwortlich ist, ein junger, sehr kreativer Kollege. Wir sind ein kleines, gut aufeinander eingespieltes Team. Wer sich wo engagiert, kann sich ändern. Aber es ist immer sehr intensiv.

Sie sind kreativ sehr vielseitig, wandeln zwischen Roman, Drehbuch, Regie… und verfilmen eigentlich nur eigene Stoffe – bis auf „Kafka“, wo Daniel Kehlmann der federführende Drehbuchautor war. Wie begreifen Sie ihr Künstlersein? Und wie wissen Sie, welche Idee in welches Gefäß gegossen werden muss?

David Schalko: Für mich ist Schreiben immer die Basis. Das Drehen basiert auf Schreiben. Wenn ich ein Drehbuch schreibe, ist das für mich wie eine Regieanweisung, da kenne ich mich aus, inszeniere lieber selbst. Schwierig bis nicht vorstellbar ist für mich, das Drehbuch eines anderen zu verfilmen, weil mir dieser Prozess des Schreibens dann fehlt, auch im Begreifen einer Geschichte, oder im sich eine Geschichte erarbeiten. Das war bei „Kafka“ anders, weil Daniel Kehlmann und ich sehr eng befreundet sind und ich beim Schreiben involviert war, wir die Dinge gemeinsam konstruiert haben. Aber „Kafka“ war eher ein Ausnahmefall. Wenn jemand Fremdes gekommen wäre und mir ein Drehbuch auf den Tisch gelegt hätte, hätte ich mich da nicht so leicht hineinleben können. Bei „Kafka“ hatte das mit der Freundschaft zwischen Daniel und mir zu tun. Und weil niemand so leichtfüßig und ohne Substanz zu verlieren, die Welt von Kafka begreifbar gemacht hätte. Oder man schreibt mit jemandem wie Josef Hader. Das war auch eine sehr fruchtbare und freundschaftliche Zusammenarbeit. Erstens weil ich als junger Autor sehr viel von Josef gelernt habe. Und wir uns auch stilistisch sehr gut ergänzen. Aber auch, weil er alles, was wir geschrieben haben, auch selbst gespielt hat.  Das ist dann eine ganz andere Herangehensweise. 

Fällt Ihnen das Schreiben leicht?

David Schalko: Unterschiedlich. Prinzipiell schon. Aber manchmal fällt es auch schwerer. Aber wenn es schwer ist, ist es meist kein gutes Zeichen. Es ist ein großes Missverständnis, dass Schreiben den Autor quälen muss. Wenn dem so ist, ist es oft nicht das Richtige, das man gerade macht.  

Das Gespräch führte Barbara Schuster