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Christine von Fragstein von FAIR PLAY: „Uns geht es um Empowerment und Aufklärung“


FAIR PLAY setzt sich für fairen und respektvollen Umgang beim Filmemachen ein. Wir unterhielten uns mit Christine von Fragstein, neben der viel zu früh verstorbenen Christine Tröstrum Initiatorin der Initiative, über die Etablierung und Erweiterung des Angebots und warum Teamwork in Filmteams oft so schwierig ist.

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Christine von Fragstein (Credit: FAIR PLAY/ Judith Uhlemann)

Die Initiative FAIR PLAY – Leadership in Film und Kultur wurde vor etwa einem Jahr gegründet. Initiatorinnen sind die viel zu früh verstorbene Christine Tröstrum und Sie. Was war der Gründungsgedanke?

Christine von Fragstein: #metoo, das bereits im Oktober 2017 losbrach, schwang natürlich im Hintergrund. Insbesondere kam uns die Idee aber nach dem Skandal um Til Schweiger vor eineinhalb Jahren. Es wurde sehr viel über das Thema Machtmissbrauch sowie faire und sozial nachhaltige Arbeitsbedingungen in der Branche debattiert. Im Mai 2023 habe ich Christine in Berlin getroffen und wir beschlossen, das, was wir in den letzten 25 Jahren bei unseren Filminitiativen, Veranstaltungen und Drehbegleitungen über Teams, Zusammenarbeit und Konflikte erlebt und erfahren und parallel in unseren Ausbildungen als systemisch-integrative Coaches und Organisationsentwicklerinnen gelernt haben, noch mehr in die Branche einzubringen.

Was genau bietet FAIR PLAY an?

Christine von Fragstein: Wir bringen mit unserem Netzwerk von 10 Trainer:innen unser methodisches Wissen in die Branche. Einerseits mit Leadership-, und Teamentwicklungs-Workshops sowie 1:1 Business Coachings. Andererseits mit Teambuilding-Maßnahmen und Warm-ups für Dreharbeiten, sowie ab 2025 mit einer Weiterbildung zur Vertrauensperson. Uns geht es darum, die Leute zu empowern und aufzuklären. Wir erleben sowohl bei den Arbeitgebenden eine sehr große Unsicherheit, Angst und Unklarheit über ihre Aufgaben und Sorgfaltspflicht, über die Art und Weise, wie sie führen. Als auch bei den Arbeitnehmenden, die oft nicht einordnen können: Ist das jetzt ein Übergriff? Geht das? Geht das nicht? Was kann ich unternehmen?

„Ein enorm wichtiger Schritt hin zu faireren Arbeitsbedingungen am Filmset ist der Respect Code Film.“

Wie ist FAIR PLAY aufgestellt? 

Christine von Fragstein: Christine Tröstrum und ich haben es strategisch als Langzeitprojekt aufgesetzt und wir haben schnell ein Netzwerk von acht erfahrenen Leuten um uns herum aufgebaut. Neu dabei ist z. B. Lisa-Marie Rühl, die zuvor bei Netflix das Production Management gemacht hat und in dieser Funktion bereits vor fünf Jahren damit anfing, den amerikanischen Respect Code auch auf deutsche Produktionen zu übertragen. Thomas Biniasz ist nach dem Tod von Christine Tröstrum in die Speerspitze eingestiegen. Er führte mit Christine bereits die Coaching-Akademie biniasz und partner. Außerdem helfen uns eine Reihe weiterer Coaches und Trainer:innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie Mediation, Teamentwicklung, Inklusion oder Change Management. Das sind alles Leute, die die Film- und Kulturwelt kennen und mit Produktionsbedingungen vertraut sind. 

Wer sind Ihre wichtigsten Partner?

Christine von Fragstein: Die Produktionsallianz und Crew United fanden unsere Idee auf Anhieb super. Wir haben 2024 damit begonnen, für beide Zielgruppen, Arbeitgebende wie Arbeitnehmende, verschiedene Workshop-Formate und Impulse zu kreieren. In Kooperation mit Crew United bieten wir monatlich einen niederschwelligen Impuls für Filmschaffende an, zu ganz unterschiedlichen Themen wie Feedback-Kultur, Konfliktkommunikation, Resilienz, Selbstführung etc. Mit dem Produktionsallianz Campus veranstalten wir „Leadership in Motion“ – für Executives wie Geschäftsführer:innen, Produzent:innen oder auch Head-Ofs, die in Führungsverantwortung sind. Uns allen steht noch eine sehr große Aufklärungsarbeit vor. Ein enorm wichtiger Schritt hin zu faireren Arbeitsbedingungen am Filmset ist der Respect Code Film (RCF). 

Der wurde ja etwas verspätet erst im Herbst 2024 unterzeichnet…

Christine von Fragstein: Der Respect Code Film ist ein guter erster Aufschlag, um etwas mehr Klarheit zu schaffen. Er ist eine Selbstverpflichtung für Produzent:innen und Produktionshäuser, initiiert von Produktionsallianz, ver.di und Bundesverband Schauspiel/BFFS. Ziel des RCF ist es, erst einmal eine Einordnung zu schaffen, eine detallierte Begriffsbestimmung anzubieten. Was ist ein verbaler Übergriff, was ist ein non-verbaler Übergriff, was ist Diskriminierung, was Mobbing, was ist ein körperlich-sexueller Übergriff? Auf der anderen Seite gibt er einen Leitfaden für die Verantwortlichkeiten, klärt minutiös auf, was eine Produktionsfirma im Falle einer Beschwerde tun muss, bringt eine klare Transparenz in die Abläufe. Das unterstreicht auch die so wichtige Arbeit der THEMIS – Vertrauensstelle für sexuellen Missbrauch, die für Opfer eine erste Anlaufstelle ist und nicht nur arbeitsrechtlich berät, sondern auch sozialpsychologisch. Wir können glücklich sein, dass wir die THEMIS haben – sie erhält im Schnitt 18 Anfragen die Woche. Das sind 18 Anfragen zu viel. In anderen Branchen gibt es so ein Angebot nicht. Wir als FAIR PLAY flankieren dies mit Aufklärungsarbeit und Empowerment und unterstützen zum Beispiel Arbeitgebende in Sachen Führung rund um die Frage: Wie gestalte ich faire, respektvolle Zusammenarbeit? Wie baue ich am Set eine gute Teamkultur auf?

„Jeder braucht Respekt und Wertschätzung, um künstlerisch-handwerklich zu gestalten.“

Aber reicht es, dass der Respect Code Film eine Selbstverpflichtung ist?

Christine von Fragstein: Die Länderförderungen haben sich in einer Sitzung im Dezember 2024 darauf verständigt, dass sie Maßnahmen zur Einhaltung und zur Umsetzung des Respect Code Film prinzipiell – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – mitfinanzieren möchten. Das bedeutet, wenn ein Produzent in Hamburg ein Leadership-Training machen möchte, dann würde er von MOIN einen Zuschuss aus dem Weiterbildungs-Topf bekommen, solange Budget da ist. Das bedeutet auch, dass von einigen Förderern die von uns angebotene Weiterbildung zur Vertrauensperson bezuschusst wird. Wenn Teambuilding, Warm-up-Sessions und der Einsatz einer externen stand-by-Vertrauensperson von Förderungen hoffentlich bald als Budgetposten anerkannt werden, kommt richtig Bewegung rein. Dann ist eben mehr möglich als die obligatorische Sicherheitseinweisung. Man kann sich einen halben Tag Zeit nehmen, um mit einem Coach oder einer Vertrauensperson Teambuilding zu machen. Das alles wird mittelfristig fruchten und es wird sich herumsprechen, was es für einen Unterschied macht, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten – und es erspart den Produzent:innen Konflikte und somit Zeit und Geld. 

Wie erklären Sie sich den Umstand, dass es offenbar gerade in der Filmbranche zu so vielen Schwierigkeiten in Sachen Arbeitsbedingungen kommt?

Christine von Fragstein: Teamwork in Filmteams ist meist sehr herausfordernd, weil die Leute nur sehr punktuell und nicht über einen langen Zeitraum zusammenarbeiten. Beim Dreh werden Menschen für drei bis vier Wochen zusammengewürfelt – aus ganz unterschiedlichen Gewerken, mit ganz unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten. Die Crew dreht dann oft an mehreren Motiven in sehr kurzer Zeit. Der Zeit- und der Kostendruck ist immens hoch. Diese Zusammenarbeit soll ab der ersten Minute reibungslos funktionieren. Wenn dann nicht schon im Recruiting, im Onboarding, und in der Zusammenführung des Teams Vorarbeit geleistet wurde, knallt es schnell. Das ist doch auch vollkommen klar! Ein zweites Thema beim Film ist natürlich noch dieser Geniekult um den Regisseur/die Regisseurin,Schauspieler/Schauspielerin oder um die Produktion. Ein Film erwacht aber erst dann zum Leben, wenn all diese Gewerke in der Produktion wie eine Fußballmannschaft geschlossen auf dem Spielfeld stehen und an einem Strang ziehen. Jede/r einzelne Spieler/in, vom Setrunner bis zur Kostümbildassistentin, ist wichtig. Das ist eine Führungs- und eine Haltungsfrage. Jeder braucht Respekt und Wertschätzung, um künstlerisch-handwerklich zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen. Mit Teambuilding-Maßnahmen können wir hier viel erreichen.

Haben Sie das Gefühl, dass die nötige Sensibilisierung in der Branche durchaus schon da ist? 

Christine von Fragstein: Die Professionalisierung der Branche hin zu einem fairen, respektvollen Filmemachen ist ein Prozess für die nächsten acht bis zehn Jahre. Jetzt ist das Thema auf dem Tisch, ein Umdenken im Gange. Wir sehen das gerade bei der jüngeren Generation, die in Teamwork-Prozessen achtsamer vorgeht. Man kann schon im Recruiting sehr gut auswählen, mit wem man zusammenarbeitet, wie diese Leute kommunizieren und was ihre Haltung prägt. Dann ist es wie ein großer Tanz, bei dem die Leute spielerisch miteinander funktionieren müssen. Wir sind im Aufbruch und Wandel. Genau dafür sind wir von FAIR PLAY Film + Kultur da – wir unterstützen und begleiten und geben Tools und Methoden an die Hand geben. Jeder wünscht sich doch, dass die Leute für einen arbeiten, weil man das beste, coolste Team-Klima und gute Kommunikation am Set hat. Am Ende haben wir dadurch nicht nur bessere Filme produziert, Geld und Nerven gespart und sorgen für soziale Nachhaltigkeit. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster

Die nächsten Termine bei FAIR PLAY Film + Kultur