Am 22. Juni wird der rbb-„Polizeiruf 110: Spiel gegen den Ball“ im Ersten ausgestrahlt. Für die Inszenierung zeichnet Christian Werner verantwortlich. Für den Filmemacher ist es der erste Ausflug in den Krimi-Olymp. Im Interview sprechen wir über die Bedeutung & Erfahrung damit, aber auch über seine generelle Sicht auf die Branche und den Kinderfilm, an dem er arbeitet.

Der „Polizeiruf“ gehört neben dem „Tatort“ zur obersten Krimi-Liga im deutschen Fernsehen. Mit „Spiel gegen den Ball“ betreten Sie diese Welt erstmals, als Regisseur und Ko-Autor. Empfinden Sie das als wichtigen Schritt für Ihre Karriere?
Christian Werner: Ich würde mit Sepp Herberger antworten und sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wenn wir bei unserem „Polizeiruf“ schon beim Fußball sind. Natürlich ist es fein, einen „Polizeiruf“ machen zu dürfen. Mein allererstes Regiepraktikum war tatsächlich beim „Polizeiruf“ in Halle mit Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler als Kommissare. Regie führte eine damals renommierte Regisseurin, die mich fragte, warum ich diesen furchtbaren Beruf machen wolle. Ich habe es nie bereut, diesen Beruf ergriffen zu haben. Natürlich war es jetzt toll, dass ich zu „Polizeiruf“-Ehren gekommen bin, ins Rollen gebracht durch eine Initiativbewerbung bei der Produktionsfirma Eikon Media. Ich mag die Idee eines Krimis an der deutsch-polnischen Grenze und kenne die Gegend auch ganz gut. Beim heutigen „Polizeiruf“ zum „Polizeiruf“ zu DDR-Zeiten hat sich allerdings geändert, dass damals nicht immer Leute sterben mussten. Heute muss gestorben werden, damit die Quote stimmt. Das finde ich ein wenig schade. Es gäbe noch andere Kapitalverbrechen, die nicht mit einem Mord einhergehen müssen. Außerdem sind es häufig – das ist statistisch leider belegt – Frauenleichen. Das finde ich ebenfalls bedenklich. Aber klar war es eine Ehre, einen „Polizeiruf“ machen zu dürfen. Besonders gefreut habe ich mich, wieder mit Kamerafrau Katharina Bühler zusammenzuarbeiten, mit der ich vor zehn Jahren meinen Abschlussfilm gemacht habe. Das war eine schöne Wiedervereinigung.
Wie kam die Drehbuchkonstellation zustande? Mit Michael Fetter Nathansky war ja ein sehr junger, aufstrebender Filmemacher an Bord, der wie Sie erstmals für einen „Polizeiruf“ arbeitete…
Christian Werner: Die Idee vom rbb war, beim „Polizeiruf“ neue Impulse zu setzen, und dafür junge Autor:innen in einen Writers Room einzuladen, wo sie ein Thema, das ihnen liegt, zu einem Drehbuch ausarbeiten sollten. Dort wurden ihnen auch verschiedene Unterrichtstools an die Hand gegeben und zum Beispiel Leute von der Gerichtsmedizin und Kriminalkommissar:innen eingeladen, die die Autor:innen gebrieft haben, wie es in deren Job in real life abläuft… Michael Fetter Nathansky ist ein sehr begabter Fußballer, das Thema des „Polizeiruf“ kommt von ihm und er hat das Buch sehr lange mit dem RBB entwickelt. Irgendwann hat dann Daniel Bickermann übernommen, weil Michael bereits in ein anderes Projekt weitermusste. Daniel hat schon viele „Tatorte“ geschrieben und brachte entsprechend viel Erfahrung mit. Ich kenne ihn von meinem „Irgendwann ist auch mal gut“.
„Mit Tanja Schuh hatten wir großes Glück. Sie ist eine sehr tolle Casterin!“
Aber Sie haben auch noch einen Drehbuch-Credit…
Christian Werner: Die letzten ein, zwei Schleifen habe ich gedreht. Das Buch war zu dem Zeitpunkt nicht ganz fertig. Ich habe bei meinen Projekten in der Regel eine gewisse Ko-Autorenschaft. Das hilft mir, mich in die Geschichte besser reinzudenken. Ich finde das ein Geschenk, manche Regiemenschen empfinden das als puren Stress, wenn sie was schreiben müssen.
Sie haben mit vielen jungen Darstellern gearbeitet. War das eine Herausforderung?
Christian Werner: Auf die Arbeit mit den Jungdarstellern habe ich mich gefreut. Davor hatte ich keine Angst. Schon bei meinem Kinodebüt habe ich mit einer Sechsjährigen gearbeitet, die noch nie gespielt hatte, und bei einem meiner Kurzfilme war auch ein sehr junges Mädchen vor der Kamera. Wichtig war das Casting, weil die Interaktionen passen mussten und die Jungs auch mit dem Ball umgehen können mussten. Mit Tanja Schuh hatten wir großes Glück. Sie ist eine sehr tolle Casterin! Sie hat Lauri Kröck, Franz Ferdinand Krause und Len Blankenberg zum Beispiel gefunden. Ihre Arbeit war ein Geschenk. Bei Len mussten wir ein wenig mit der Produktion kämpfen, weil er zum Zeitpunkt des Drehs noch unter 14 war und uns somit zu anderen Drehzeit zwang… Aber er war in unseren Augen die absolute Idealbesetzung.
Welche Gedanken haben Sie sich zur Inszenierung gemacht, mit Ihrer Kamerafrau Katharina Bühler zur Visualität?
Christian Werner: Obwohl viel Zeit verstrichen ist seit meinem Abschlussfilm, war die erneute Zusammenarbeit mit Katharina wie ein Heimspiel. Wir verstehen uns einfach und mögen stilistisch die gleichen Dinge. Sie hat eine unglaublich beeindruckende Filmografie angesammelt. Die Herausforderung in der Visualität unseres „Polizeiruf“ waren der Hochsommer und der grüne Fußballplatz. Bei einem zweidimensionalen Bild sieht so ein Platz schnell platt aus. „Spiel gegen den Ball“ hat die Qualitäten eines Kammerspiels, durchbrochen von den Aufnahmen der Fußballtrainings und der malerischen Landschaft. Die Innenräume wurden von unserer Szenenbildnerin Nadja Götze mit sehr viel Liebe zum Detail eingerichtet. Wir wollten ein realitätsgetreues Bild, nah an den Figuren erzählt.
Sie waren zuletzt gut beschäftigt. Neben dem „Polizeiruf“ inszenierten Sie fürs ZDF „Die Geier – Die Tote mit dem falschen Leben“ und „Kleine Eheverbrechen“. Man hört auch, dass die Auftragslage nicht allzu rosig ist…
Christian Werner: Ich hatte in der Tat das Glück, dass jedes Jahr ein Projekt geklappt hat. Aber es ist nicht so, dass mein Telefon ständig klingelt und ich aus drei Angeboten aussuchen kann. Für mich ist wichtig, dass ich auch parallel zu den Fernseharbeiten auch meine eigenen (Kino)Projekte weiterentwickeln kann. Aktuell arbeite ich an einem Kinderfilm, den ich selbst schreibe und der von der FFA Drehbuchförderung erhielt.
„Ich frage mich zum Beispiel, warum es keinen Inflationsausgleich bei den Gagen gibt…“
Um was handelt es sich dabei?
Christian Werner: Der Titel lautet „Der Junge mit den heilenden Händen“. Tanja Georgieva-Waldhauer von Elemag Pictures aus Gera ist die Produzentin. Die Idee kam mir vor drei Jahren, ohne dass ich die Absicht hatte, einen Kinderfilm zu machen. Ich stieß auf einen Artikel über die Heiligsprechung eines Jungen in Italien, der Wunder vollbracht hat. Daraus habe ich eine ganz eigene Geschichte gemacht. In meinem Film geht es um einen Jungen, der die Fähigkeit hat, mit seinen Händen – vorsichtig ausgedrückt – heilen zu können. In der Regel Tiere. Es wird aber keine Effekte geben, ist purer magischer Realismus. Die erste Drehbuchfassung liegt vor. Jetzt suchen wir weitere Partner.
Was reizt Sie generell am filmischen Erzählen? Ganz ursprünglich, bevor Sie fürs Studium an die Filmakademie Baden-Württemberg sind, haben Sie visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Uni in Weimar studiert…
Christian Werner: Ich habe mich erst nicht getraut, filmische Geschichten zu erzählen. In Weimar hatte dann DEFA-Regisseur Günter Reisch eine Gastprofessur. Durch ihn bin ich von der Fotografie zum Bewegtbild gekommen. Bereits die Fotografie war für mich ein Mittel, Geschichten über Menschen zu erzählen. Im Film mache ich nun nichts anderes. Ich mochte immer schon die Idee der Bauhaus-Architektur, dass Menschen in einem neu gedachten, durchaus funktionalen Raum miteinander leben können. Diese Idee hat sich auch auf meine Bildsprache übertragen.
Als Fotograf arbeitet man eher für sich, beim Filmemachen ist man nicht allein, man ist angewiesen auf ein großes Team. Auf was kommt es Ihnen an? Auf was legen Sie Wert?
Christian Werner: Ich habe an der Filmakademie sehr früh instinktiv mit Frauen an der Kamera gearbeitet, auch meist im Szenenbild. Das gibt einen Energieausgleich und anderen Blick auf die Geschichten. Katharina Bühler war eine der ersten, mit der ich zusammengearbeitet habe. Sie kommt vom Dokumentarfilm, und ich habe gemerkt, dass man sich mit ihr ganz anders über Drehbücher austauschen konnte, sie hat einen filmischen Regieansatz, da ging es weniger um reine Kameratechnik, wie wo welches Licht etc. Irgendwie habe ich mich immer besser mit Frauen verstanden, weil da auch dieses seltsame kompetitive Verhalten erst mal wegfällt, das häufig unter Männern herrscht.
Können Sie Ihre Teams immer so zusammenstellen, wie Sie möchten? Was würden Sie sich wünschen?
Christian Werner: Bei „Kleine Eheverbrechen“ habe ich eine tolle Erfahrung mit einem älteren Kameramann gemacht, Lutz Reitemeier. Man ist heute sehr bemüht, heterogene Teams aufzustellen. Aber dieses Heterogene bildet sich nicht unbedingt in verschiedenen Altersschichten ab. Ich fände es interessant, wenn es das täte. Warum können nicht eine total junge Regie und ein sehr erfahrener Kameramann zusammenarbeiten? Klar, da geht es um Generationswechsel, alles soll neu sein, weg mit dem Alten. Das ist im Gedanken der Revolution auch ok, weil sonst nichts Neues entsteht. Aber auch die Älteren haben interessante Ideen und wollen auch nicht alle das ewig Alte. Da sollte eine bessere Durchmischung stattfinden. Gut ist, dass es mittlerweile einen Code of Conduct gibt und Vertrauenspersonen an Filmsets sind. Das ist wichtig für ein faires Miteinander. Bei den Produktionsbedingungen kann man leider nicht immer von fair sprechen. Ich frage mich zum Beispiel, warum es keinen Inflationsausgleich bei den Gagen gibt…
Das Gespräch führte Barbara Schuster