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Barbara Eder zu „Das zweite Attentat“: „Man sollte die Orte schmecken können“


Creative Producerin und Regisseurin Barbara Eder ist die Frau für große internationale Serienprojekte: ob „Barbaren“, „Der Schwarm“ oder jetzt die visuell berauschende Thriller-Serie „Das zweite Attentat“, die am 2. April in der ARD-Mediathek und am 9. April im Ersten startet. SPOT blickt mir ihr auf diesen Rausch an Projekten zurück.

Barbara Eder und Das zweite Attentat
Produzentin und Regisseurin Barbara Eder und die Thriller-Serie „Das zweite Attentat“ (Credit: WDR/EIKON Media GmbH/Thomas Kost, privat)

Als Erstes ins Auge fällt bei der Thriller-Serie „Das zweite Attentat“, wie wundervoll mit Licht gearbeitet wurde und wie viele anregende Kamerabewegungen es gibt. Was war Ihr visuelles Konzept?

Barbara Eder: Die Handlung spielt auf mehreren zeitlichen und örtlichen Ebenen: Man ist in Bagdad im Jahr 2003, dann wieder in Athen heute und kurz darauf in Berlin oder Amman vor zwanzig Jahren. Bei den vielen Ebenen braucht es Orientierung und dabei helfen unterschiedliche Looks, Grading und verschieden starke Körnung der Bilder, um die Zeitunterschiede und Länder subtil unterscheiden zu können. Die Kindheitserinnerungen des Protagonisten sind zum Beispiel sehr körnig, das Licht ist golden und die Optiken reflektieren stark. Wir benutzten dafür alte Retro-Linsen. Im weltpolitischen Geschehen des Jahres 2025 sind die Bilder eher kühl und slick. Wir drehten mit sehr scharfen Optiken und benutzen fast kein Korn. In Bosnien wollte ich einen eher schmutzigen Look, also uncoated Optiken und dadurch viele Reflexionen im Bild. Bagdad hat die Wärme, das Rotzige und den Schmutz drin. Man soll die Orte in Form der Bilder schmecken können.

Ich sprach neulich auch mit Ihrem Eikon-Media-Produzenten Mario Krebs (SPOT-Interview), der mir die komplexe Handlung von „Das zweite Attentat“ zusammenfasste, ich es beim ersten Mal aber noch nicht ganz verstand. Ausgangspunkt der Geschichte ist ein junger Deutscher in einem Zeugenschutzprogramm auf Griechenland, der über seinen Vater Geheimnisse herausfindet. Wie haben Sie sichergestellt, dass der Zuschauer mitgenommen wird?   

Barbara Eder: Die Serie hat durch die verschiedenen Zeitebenen schon eine anti-klassische Struktur. Aber auch das war ein Grund, warum ich das Projekt machen wollte. Es ist eine Herausforderung und schwierig. Auch das liebe ich. Das muss man auch mögen. Es gibt Menschen, die haben lieber eine oder zwei Figuren im Mittelpunkt der Handlung, denen man gut folgen kann. Aber ich persönlich mag zum Beispiel sehr gerne Filme wie „Lost Highway“ oder „Pulp Fiction“, mit denen ich groß geworden bin. Das ist nicht Mainstream. Es ist anspruchsvoller. Man wird auch mal verwirrt sein, weil die Szenen wie Puzzlestücke sind, die sich erst nach und nach zu einer ganzen Geschichte zusammensetzen. Aber der Zuseher weiß: Die Figuren sind alle irgendwie miteinander verbunden, es ist nur nicht sofort klar wie. Spätestens bei der dritten Episode werden viele ein Aha-Erlebnis haben.

Das zweite Attentat
Eine Killerin in „Das zweite Attentat“ (Credit: WDR/EIKON Media GmbH/Thomas Kost)

Die Herausforderung besteht eben auch darin, dass nicht nur Orte und Figuren wechseln, sondern obendrauf noch die schon erwähnten verschiedenen Zeitdimensionen hinzukommen.

Barbara Eder: Wenn man einer Figur in Bagdad 2003 folgt, dann aber in der nächsten Szene 2025 in Deutschland mit einer anderen Figur ist, von der man erzählerisch eine Weile weg war, braucht es dramaturgisch Tricks, um die neue Figur dem Publikum schneller wieder näher zu bringen. Wann und in welchem Moment umgeschnitten wird, ist der Schlüssel dabei. Man geht aus der einen Szene raus, wo es gerade am spannendsten ist, und in die nächste Szene im besten Fall mit einem Krachbumm-Moment hinein, damit man sofort bei der neuen Figur ist. Die Bindung zu einer Figur aufzubauen, ist hochkomplex und interessiert mich als Prozess.

„In Griechenland entstanden die großen Szenen in Bagdad, Teheran und Serbien.“

Geliebt haben müssten Sie auch, dass die Serie in Griechenland, Deutschland und Luxemburg entstand, weil Sie schon bei „Der Schwarm“ so begeistert von den Drehs in Italien mit anderen Kulturen waren.

Barbara Eder: Genau, diese Dreherfahrung bin ich schon durch „Der Schwarm“, aber auch „Concordia“ gewohnt. Wenn im Team Briten, Italiener oder Amerikaner mit mir als Österreicherin und Deutschen sind – dann ist das sehr bunt und aufregend. In einem anderen Land zu drehen, bedeutet eine andere Kultur kennenzulernen. Jedes Land hat seine eigene Art des Filmschaffens und wenn man sich darauf einlässt, holt man das Beste aus seinem Team. In Griechenland arbeitet man beispielsweise sehr spontan und flexibel. Wenn etwas gebraucht wurde, ging es ruckzuck. Sie sind sehr schnell im Lösen von Problemen. Ein großer Vorteil, da wir in wenigen Drehtagen enorm viel Production Value erzeugen wollten. In Griechenland entstanden die großen Szenen in Bagdad, Teheran und Serbien. Das waren sehr aufwendige Außen-Sets.

„Das zweite Attentat“ wird nicht „Schwarm“-Dimensionen gehabt haben. Aber es müsste schon eines ihrer größeren Projekte gewesen sein, oder?    

Barbara Eder: Es war ein größeres Budget. Aber was ich den ganzen Jahren als Regisseurin gelernt habe: Es ist so egal, ob das Budget 40 oder 20 Millionen Euro beträgt – es ist immer zu wenig. Mit einem größeren Budget wird auch der Apparat größer, der es schnell auffrisst.

Das zweite Attentat
Deleila Piasko und Noah Saavedra in „Das zweite Attentat“ (Credit: WDR/EIKON Media GmbH/Thomas Kost)

Wie kamen Sie auf Ihre beiden Hauptdarsteller Noah Saavedra und Deleila Piasko? Deleila Piasko kennt man in Deutschland schon mehr durch „Die Zweiflers“ und „Der Schatten“. Aber Noah Saavedra ist ein österreichischer Durchstarter?

Barbara Eder: Mit Noah Saavedra war es die erste gemeinsame Arbeit. Wir haben ihn klassisch unter vielen gecastet. Eigentlich wollte ich einen Deutschen, weil er auch eine deutsche Figur spielt. Aber ich fand Noah einfach am besten. Noah versucht immer, einen starken persönlichen Zugang zu seiner Rolle zu finden, und das spürt man in den Szenen. Ich rief dann Head-Autor Oliver Bottini an, weil das Projekt auch sein Baby ist. Er meinte, dass Noah noch vor dem Casting sein Wunschkandidat gewesen sei.

„Mit Deleila Piasko werde ich in Zukunft sicher noch sehr viel machen.“

Wie war das bei Deleila Piasko?   

Barbara Eder: In der Serie geht es um ein Vater-Sohn-Thema, um viele männliche Attribute und Macht. Es gibt viele starke Männerrollen. Deleilas Rolle war anfangs eher passiv angelegt. Mein Gefühl war aber, dass die Figur intensiver sein und mehr Ecken und Kanten haben muss. Sie sollte nicht nur das liebe Mädchen in der Geschichte sein, das ein bisschen hilft. Sie musste maßgeblich beteiligt sein. Und sie muss vor allem interessant sein. Deleila ist so cool. Beim Erarbeiten des Charakters kommt viel von ihr. So wurde die Rolle von etwas Geschriebenen zu einer lebendigen Figur. Mit Deleila werde ich in Zukunft sicher noch sehr viel machen.

Sie haben jetzt hintereinander mit „Der Schwarm“, „Concordia“ und „Das zweite Attentat“ drei große internationalen Serienproduktionen praktisch am Stück gedreht. Wie blicken Sie auf diese Phase zurück?

Barbara Eder: Beim „Schwarm“ hat es mir ein bisschen wehgetan, dass es Unmut gab. Die Erwartungshaltung war wegen des 40-Millionen-Euro-Budgets so riesig. Dabei haben US-Serien teils ein 40-Millionen-Dollar-Budget für eine einzelne Episode. Die große Erwartungshaltung gab es schon bei der Netflix-Serie „Barbaren“. Das kenne ich also. Für mich war „Der Schwarm“ unglaublich spannend, weil es mein größtes Projekt war. Es war harte Arbeit. Ich weiß im Unterschied zu anderen, dass ich zum Beispiel für die Tsunami-Szene nur einen Drehtag hatte, bei dem man auch zwei Wochen hätte drehen können. Ich weiß, unter welchen Umständen das Projekt entstand und bin deshalb auch stolz auf das, was wir da gemeinsam geschaffen haben.

Wie war es bei „Concordia“?

Barbara Eder: Ich mochte die Zusammenarbeit mit dem Showrunner Frank Doelger. Ich habe viel gelernt. Aber bei „Concordia“ wusste ich: Das wird sein Projekt, er macht die Bücher und hat eigene Vorstellungen, bei denen ich ihm vertraut habe. Da war ich mehr Handwerkerin als Regisseurin. Ich habe jetzt schon viel ausprobiert. Gerade überlege ich mir, was ich eigentlich noch machen will und ob ich nicht vielleicht wieder in Richtung Kino gehe und mehr meine eigenen Sachen verwirklichen will. Ich beherrsche das Handwerk und weiß, was ich tue. Manches ist für mich dabei fast schon langweilig. Es könnte an der Zeit sein, wieder etwas Eigenes zu schreiben, wenn nicht immer so coole Angebote reinkämen. 

Das Interview führte Michael Müller