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Andrew Ahn zu „The Wedding Banquet“: „Wir fangen gerade erst an“


Heute startet „The Wedding Banquet“ im Verleih von Universal Pictures International in den deutschen Kinos, der neue Film von Andrew Ahn, der in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Stimmen der queeren Filmcommunity in den USA geworden ist. Er erzählt uns vom Filmemachen in einer schwierigen Zeit in seinem Heimatland. 

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Andrew Ahn, Regisseur von „The Wedding Banquet“ (Credit: Sundance Institute | photo by Janice Chung)

Was ist Ihre Verbindung zum originalen „Das Hochzeitsbankett“ von Ang Lee?

Andrew Ahn: Ein ganz wichtiger Film für mich. Ich habe ihn gesehen, als ich acht Jahre alt war, auf einer VHS-Kassette. Meine Mutter hatte den Film in einer Videothek ausgeliehen, weil ihr das Cover gefiel. Sie hatte keine Ahnung, dass es sich um einen queeren Film handelt. Wir haben ihn uns gemeinsam als Familie angesehen. Damals war mir das natürlich noch nicht klar, aber vielleicht habe ich unterbewusst bereits gemerkt, dass das, was in „Das Hochzeitsbankett“ verhandelt wird, bedeutsam für mich ist. Rückblickend wird mir erst bewusst, dass Ang Lees Komödie der erste schwule Film war, den ich gesehen habe. Für mich hat zusätzlich Relevanz, dass es sich um einen schwulen Film mit asiatischen Figuren in den USA handelt. Und dass er seine Figuren mit so viel Liebe und Respekt gezeichnet hat. Ich kann nicht verleugnen, wie wichtig das für mich war. Er hat mir den Weg aufgewiesen, den ich in meinem Leben genommen habe, als Mensch und als Filmemacher. 

Weil es um die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern geht, muss ich noch fragen, was Ihre Eltern damals von dem Film dachten?

Andrew Ahn: Ein bisschen unwohl fühlten sie sich schon, der sexuelle Inhalt des Films war eine Herausforderung für sie. Sie hatten nach dem Film jedenfalls kein gesteigertes Bedürfnis, sich mit mir über den Film zu unterhalten. Ich finde es lustig, dass sich mein Vater daran erinnert, dass wir „Das Hochzeitsbankett“ zusammen angesehen haben – meine Mutter nicht. 

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Kelly Marie Tran, Lily Gladstone, Han Gi-Chan und Bowen Yang in „The Wedding Banquet“ von Andrew Ahn (Credit: Sundance Institute | photo by Luka Cyprian)

Wie kamen Sie auf die Idee, dass es Zeit für eine neue Version von „The Wedding Banquet“ ist?

Andrew Ahn: Meine Produzentinnen Anita Gou und Caroline Clark besitzen die Rechte an den ersten drei Filmen von Ang Lee, das sind neben „Das Hochzeitsbankett“ noch „Schiebende Hände“ und „Eat Drink Man Woman“. Sie klopften bei James Schamus an, ob er es sich vorstellen könnte, „The Wedding Banquet“ noch einmal neu aufzusetzen. Ich hatte gerade mit James gearbeitet, er war einer der Produzenten meines Films „Driveways“, den ich auf der Berlinale vorstellen durfte. 2019 hatte ich erste Gespräche über „The Wedding Banquet“, war zunächst aber etwas zögerlich, weil ich das Original so sehr liebe und es unmöglich finde, ihn zu verbessern. Gleichzeitig war mir aber auch bewusst, dass sich in den letzten 30 Jahren wahnsinnig viel bewegt hat für die queere Community und man einen ganz neuen Blick auf die Prämisse werfen könnte: Schwule Menschen können mittlerweile heiraten!

„In den letzten 30 Jahren hat sich wahnsinnig viel bewegt für die queere Community, man konnte einen ganz neuen Blick auf die Prämisse werfen.“

Andrew Ahn

Das gab den Ausschlag?

Andrew Ahn: Ich habe schon noch ein bisschen darauf herumgekaut: Sollen wir? Wollen wir wirklich? Ich selbst befinde mich gerade in einer sehr speziellen Phase meines Lebens. Mein Lebensgefährte und ich sind seit sieben Jahren zusammen, wir unterhalten uns sehr intensiv darüber, ob wir heiraten und Kinder haben wollen. Diese Überlegungen sind sehr komplex und nuanciert. Sie erschienen mir eine gute Grundlage für Gedanken, die sich in einer neuen Version von „The Wedding Banquet“ spiegeln würden. 

Das Drehbuch haben Sie dann mit James Schamus geschrieben?

Andrew Ahn: Es war eine tolle Zusammenarbeit. Das allein hätte für eine lohnende Erfahrung gereicht. Er hat ein so intrinsisches Verständnis, wie Menschen sich verhalten, wie man das in eine Geschichte einfließen lässt und ihr eine Struktur gibt, die einen Film trägt. Es ist nicht ganz einfach, sechs oder sieben Hauptfiguren zu jonglieren und die verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu verweben. Das Original ist da einfacher. Ich habe James gesagt, dass mich das große Ensemble und die Architektur tatsächlich mehr an „Eat Drink Man Woman“ erinnern würde. Es war bedeutsam für mich, dass James mein Mitstreiter sein wollte. Es war eine Ehre.

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„The Wedding Banquet“ von Andrew Ahn (Credit: Sundance Institute)

Was sagt Ang Lee zu Ihrem Film?

Andrew Ahn: Er schickt mir in einem Fort Textnachrichten. Er stärkt mir den Rücken und unterstützt uns, so gut er kann. Tatsächlich hat er noch keine Zeit gehabt, den Film zu sehen, weil er eingedeckt ist mit seiner eigenen Arbeit. Aber ich kann es nicht erwarten… Wir müssen nur den Termin finden… und dann ein schönes Kino, weil er den Film unter den bestmöglichen Voraussetzungen sehen soll. 

Klingt, als wäre es insgesamt einfach gewesen, das Projekt vom Boden zu bekommen?

Andrew Ahn: Ooooh nein! Auf keinen Fall! Ich glaube nicht, dass das aktuell irgendein unabhängig produzierter Film in den USA von sich behaupten kann. Es ist ein Prozess, man braucht Geduld und Hartnäckigkeit. 2019 haben wir mit der Vorbereitung begonnen. Dann kam die Pandemie dazwischen, ich erhielt die Gelegenheit, „Fire Island“ für Searchlight zu drehen. Dann kamen die beiden Streiks. Es gab viele Unwägbarkeiten, obendrein alle möglichen Stolpersteine, mit denen nicht zu rechnen war. In dem Klima von heute muss man schon wirklich an seinen Stoff glauben, um nicht die Hoffnung sinken zu lassen. Gleichzeitig ging es in Inkrementen auch immer weiter, in Babyschritten. Ich denke, es wurde erkannt, dass es ein Film sein könnte, der nicht nur unterhält, sondern durchaus auch eine Bedeutung hat, eine positive Botschaft bereithält. Wir mussten einfach nur das richtige Team finden, den richtigen Cast. Das dauert. Aber als sich die Puzzlestücke ineinander zu fügen begannen, wir alle Leute zusammenhatten, fühlte es sich an wie Kismet. 

Gelingt es Ihnen ganz generell, die Geschichten zu erzählen, die Ihnen auf den Nägeln brennen?

Andrew Ahn: Ich bin mir im aktuellen Klima in der Filmbranche, aber auch politisch und gesellschaftlich in den USA, bewusst, dass es nicht einfacher werden wird, die Filme zu machen, die ich machen will. Es wird definitiv schwerer. Geschichten über meine Community werden vermutlich eher am Rande möglich sein. Aber ich habe grenzenloses Vertrauen in den Spirit queerer Menschen. Wir lassen uns nicht so leicht unterkriegen. Natürlich werde auch ich weitermachen, egal, was da kommen mag, wie schwierig es auch werden mag, wie sehr man auch versuchen mag, unsere Stimmen zu unterdrücken. Wir fangen gerade erst an, uns Gehör zu verschaffen. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.