SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Startschuss der 28. Diagonale gefallen: Für eine offene Kunst- und Kulturlandschaft


Viel Applaus gab es für „How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ von Florian Pochlakto bei der Eröffnung der 28. Diagonale in Graz. Der Begriff „normal“, die Frage nach der Normalität zog sich auch durch die Rede des Festivalduos Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar. Die Kulturkürzungen in der Steiermark und das große Fragezeichen bezüglich ÖFI+ wurden ebenfalls auf der Bühne angesprochen.

Die Helmut List Halle in Graz hat sich am 27. März wieder zur Eröffnungslocation der Diagonale verwandelt. Zahlreiche Gäste feierten Florian Pochlatkos „How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ als Kick-off der 28. Ausgabe des Festivals des österreichischen Films. Ein echter Home-run für den Filmemacher, wo er doch gebürtig aus Graz stammt und aus einer echten Kinofamilie noch dazu (die von seinem Vater Dieter und Bruder Jakob geführte erfolgreiche Epo-Film feiert 2025 sogar 70. Jubiläum!).

How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ feierte Weltpremiere in Tricia Tuttles neuem Debütwettbewerb Perspectives auf der Berlinale und für das Diagonale-Duo Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar führte kein Weg dran vorbei: „Wir haben uns total in den Film verliebt“, sagten sie bereits im Spot-Interview. Durch ihre Eröffnungsrede woben sich die Begriffe des Filmtitels, „normal“ und „oddness“, ausgehend von den unfassbaren Geschehnissen im politischen Weltgeschehen, wo jeder Tag ein neuer Fleck, eine neue Ungeheuerlichkeit hervorbringe. „Institutionelle Funktionsweisen werden missachtet, es wird menschenverachtend und unter Verdrehung von Tatsachen gehandelt“, so Kamalzadeh. Doch das Brennglas hielten die beiden dann auf den Zustand der österreichischen Kultur. „Die eigentliche Volkskultur, unsere Volkskultur, spricht durch die österreichischen Filme hindurch. Und mit Volkskultur meine ich nicht jene, von der zuletzt wieder häufiger die Rede war. Eine Volkskultur, die nur Mittel und Zweck einer politischen Strategie ist. Eine falsche Kulisse, ein Rückzug ins vermeintlich Eigene, das nur einer ausgewählten Gruppe gehört. Die Volkskultur, die wir meinen, die gehört uns allen. Die atmet, die strampelt wild und unvorhersehbar, ein chaotisches, schöpferisches Zusammenspiel aus Tradition, Geschichte, Gegenwart und Reflexion. Diese Kultur ist ein hohes Gut, denn sie ist Vielfalt und der Boden für Neues.“ 

IMG  scaled e x
Dominik Kamalzadeh & Claudia Slanar (Credit: SPOT

Jetzt gerade in der Steiermark sei die Kultur in Frage gestellt, in ihrer Existenz bedroht, so Kamalzadeh und Slanar. „Wir wünschen uns einen Diskurs der Besonnenheit. Dieser Diskurs muss erprobt und erlernt werden. In der Schule sowie auch in außerschulischen Bildungseinrichtungen. Das Sprechen mit und über Kunst und Kultur an Orten, die das nicht nur zulassen, sondern aktiv fördern, ist wichtiger denn je“, so Slanar. Und Kamalzadeh ergänzte: „Wir wünschen uns weiterhin eine Kulturpolitik, die keine fragwürdigen Unterscheidungen einführt. Sondern eine Kunst- und Kulturlandschaft ermöglicht, die das Offene sucht. Eine, die das durchbricht, was uns festhält und uns in Echokammern und alte Denkmuster zwängt.“ Genau das sei Aufgabe eines Filmfestivals: Arbeiten anzubieten, die dieser Idee verpflichtet sind, die das Unmögliche, das Unerhörte, das Unvorstellbare versuchen, auf die Leinwand zu bringen. „In den nächsten fünf Tagen gibt es einige Gelegenheiten, genau solche Filme zu sehen. Lassen Sie sich unterhalten, verwirren, betören und nachdenklich stimmen!“

Bildschirmfoto    um ..  x
Inge Maux bekommt den Großen Diagonale-Schauspielpreis (Credit: SPOT)

Traditionell wird im Rahmen der Eröffnung auch der Große Diagonale-Schauspielpreis für Verdienste um die österreichische Filmkultur vergeben. Dieses Jahr wurde Inge Maux ausgezeichnet. Die Laudatio auf die charismatische Charakterdarstellerin hielten Maria Köstlinger und Michael Sturminger. Maux, die von Köstlinger als „spektraler Freude-Generator“ beschrieben wurde mit einem ganz großen Herz, „das völlig frei von Angst ist“, konnte ihr Glück gar nicht fassen und sagte, als sie erfahren habe, welche Ehre ihr zuteil kommen würde, dass sie einen Riesenschreck bekommen habe. „Mich hat fast der Schlag getroffen. Das wäre tatsächlich möglich gewesen in meinem Alter“, so Maux scherzend. 

Besonders herzlich galt ihr Dank neben wichtigen Casting Directors in ihrer Karriere (u.a. Nicole Schmied, Corinna Glaus) auch Ulrich Seidl, weil er ihr eine Chance, wenn nicht gar DIE Chance gegeben hätte. „Ohne Ulrich wäre ich heute nicht dort, wo ich bin. Er ist ein so wichtiges Aushängeschild für unser Land, ein so großartiger Regisseur, eben weil er so verstörende Filme macht, die einen nicht loslassen, an Grenzen gehen und ausloten. Ulrich ist einer der integersten Menschen und Regisseure, die ich kenne, einer der liebsten und einer der sachlichsten. Ich bin glücklich, dass ich bei ihm ohne Netz arbeiten darf, so wie mit Castorf auf der Bühne. Ich bin stolz, dass ich zur Seidl-Familie gehöre.“

IMG  scaled e x
Petition gegen die Kürzungen im Kulturbudget der Steiermark (Credit: SPOT)

Das sweeteste Couple des Abends waren Florian Pochlatko und Arash T. Riahi, Autor und Regisseur sowie Produzent des Eröffnungsfilms. Pochlakto war die Freude, die Diagonale eröffnen zu dürfen, ins Gesicht und seine zappelnden Beine geschrieben (fesch gekleidet in Vaters Hochzeitsanzug, wie er verkündete). Als gebürtiger Grazer und „Kind der Diagonale“, wie er sich selbst bezeichnet, sicher eine besondere Ehre. Pochlakto prangerte in seinem von Herzen kommenden Statement ebenfalls die Kürzungen im Kulturhaushalt der Steiermark an und Arash T. Riahi konnte nicht umhin, die Problematik um ÖFI+ anzusprechen, bei dem die Einreichungen am 15. Januar auf Eis gelegt wurden. „ÖFI+ war hoffentlich keine schöne Utopie. Eine Utopie, in der wir Produzent:innen uns zwei Jahre wähnten, weil die Regierung behauptet hat, ÖFI+ sei ungedeckelt“, so Riahi. Da er wusste, dass auch hohe Politik anwesend war, unter anderem Andreas Babler, neuer Vize-Kanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, schob Riahi kühn hinterher, dass die Produzent:innen allzeit bereit wären, sich mit der Regierung an einen Tisch zu setzen, um über den Fortgang von ÖFI+ zu reden. Für die Produzent:innen in Österreich ist der Einreichstopp bei ÖFI+ und FISA+ alles andere als lustig. Jakob Pochlakto nannte die Situation gegenüber dem Standard sogar eine „Vollkatastrophe“. Große historische Projekte wie seine aktuelle Produktion „Sternstunde der Mörder“ seien nur dank des Anreizmodells in Wien realisierbar gewesen. „Viele österreichische Unternehmen, allen voran auch ganz stark wir, haben Strukturen aufgebaut und neue Mitarbeiter:innen eingestellt, um internationale Großprojekte auch umsetzen zu können. Und auf einmal gibt es einen vollen Stopp. Das ist natürlich eine Katastrophe“, so Pochlatko gegenüber dem Standard. 

Hoffen wir also auf eine rasche Rückkehr zur Normalität, um den Kreis zu schließen. Und jetzt erst mal auf fünf Tage spannende Filme aus Österreich!

Aus Graz berichtet Barbara Schuster