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Suche nach Mainstream von morgen: Charlotte Groth & Maximilian Greil zu „Tschappel“


Charlotte Groth und Maximilian Greil legen jetzt als LAX Entertainment gemeinsam mit der Apollonia Film ihr erstes Projekt vor: die am heutigen Freitag startende ZDFneo-Comedy „Tschappel“, die ein echtes Serien-Juwel geworden ist. Ein Interview über Dorffeste, Babys, Dialekte und Harald Schmidt.

Charlotte Groth & Maximilian Greil
Charlotte ‚Lotte‘ Groth & Maximilian ‚Max‘ Greil von LAX Entertainment (Credit: LAX/Manuel Vescoli)

Sie sind frisch Mutter geworden, Frau Groth. Wie geht’s Ihnen und haben Sie überhaupt gerade einen Kopf dafür, sich mit naiven Journalistenfragen zu Ihrer gemeinsamen Serie „Tschappel“ zu beschäftigen?

Charlotte Groth: Ich spreche gerne darüber, dass ich jetzt müde sein könnte, weil mein Sohn fast vier Wochen alt ist. Es ist mein zweiter Sohn. Trotzdem kommt jetzt auch unser erstes LAX-Baby zur Welt. Passenderweise ist das auch fast zu unserem dreijährigen Geburtstag unserer Produktionsfirma. Ich finde es wichtig, über Mutterschaft, Job und Prioritäten zu sprechen. Neben der Elternschaft war die Geburt unseres Serienprojekts „Tschappel“ immer in meinem Hinterkopf. Aber auch nur, weil ich weiß, dass mein Sohn gesund geboren ist und ich auch gesund bin. Ich bin dankbar, dass meine Familie heil ist und ich aktuell beide Welten haben kann.

Maximilian Greil: Als wir LAX Entertainment gründeten, war das unser Anspruch, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, dass uns in diesen Dingen auch Freiheiten und eine modernere und praktischere Herangehensweise ermöglicht, ohne dass beide Welten zu kurz kommen.

Charlotte Groth: Es führt kein Weg daran vorbei, unser Mutterunternehmen die ndF: neue deutsche Filmgesellschaft zu loben, die uns dafür den Boden bereitet hat. Bei meinem ersten Sohn war die Schwangerschaft noch etwas überraschender und ich besaß nur einen befristeten Vertrag für die ARD-Vorabendserie „Alles Klara“. Ich fing damals gerade in der ndF an. Ich erzählte meine Situation Geschäftsführer Matthias Walther. Er sagte: „Alles klar, dann bekommst du jetzt die Zusage mit einer Gehaltserhöhung und einem unbefristeten Vertrag.“ Ich solle mir keine Gedanken machen. Aber er wolle, dass ich eine Sicherheit spüre, zurückkommen könnte und eine Perspektive hätte. Das war für mich so besonders. Deswegen finde ich das für uns als etwas jüngeres Unternehmen wichtig, das ebenso vorzuleben. Andererseits heißt das nicht für jede, schnell ein Interview führen oder wieder auf Veranstaltungen gehen zu müssen. Das erzeugt bei Frauen ebenso viel Druck. Es erfordert einen Partner und einen Sohn, die mitziehen. Natürlich ist das nicht nur Zuckerschlecken. Aber für mich ist es so perfekt.

Junge Menschen pilgerten Jahrzehnte lang in die Großstädte. Aktuell stellt man eine gewisse Fatigue fest. Wer es sich leisten kann, zieht etwas außerhalb. Ist die Provinz das nächste große Ding, so wie Sie sie jetzt in Ihrem ersten Serienprojekt „Tschappel“ zelebrieren?

Maximilian Greil: Durch die Pandemie sind in den vergangenen Jahren viele wieder aufs Land gezogen. Aber da gibt es eine große Mischung aus Motiven. Ich bin selbst in einem Dorf aufgewachsen. In meinem Umfeld gibt es nicht wenige, die sich wieder an diesen Ort zurückwünschen, wo sie aufgewachsen sind. Aber es ist kein ganz neues Phänomen. Das Schöne ist, dass wir es jetzt bei „Tschappel“ auf eine ehrliche Art beleuchten. Keine Städter, die über die Menschen auf dem Land lachen, sondern ein Format, dass das Dorf an sich ernst nimmt.

Charlotte Groth: Das Dorf- und Landleben war immer schon da. Gerne bei den Öffentlich-Rechtlichen, aber auch auf anderen Programmen. Als Person, die auch vom Land kommt, konnte ich mich aber nie so richtig damit identifizieren. Im Fernsehen sind es schöne Liebesgeschichten, Krimigeschichten oder Familiendramen in der Provinz. Was wir aber ehrlicherweise auf dem Land gemacht haben, war Saufen, im Stall oder in der Wirtschaft rumhängen. Dorffeste waren ein großes Thema. Und dass man sich Freunde und Liebeleien nicht aussuchen kann. Man wächst mit denen zusammen, die man hat. Daraus entstehen geile oder auch gefährliche Anekdoten. Diese aber mit solch einem warmherzigen Blick wie in „Tschappel“ zu erzählen, hatte ich vorher so noch nicht erzählt gesehen.

Tschappel
V.l.: Bärbel Stolz, Jeremias Meyer und Bernd Gnann in „Tschappel“ (Credit: ZDF/Conrad Lobst)

Wie kamen die LAX Entertainment und die Apollonia Film von Paul und Marius Beck bei „Tschappel“ zusammen?

Maximilian Greil: Charlotte war beim RTL-Storytellers-Camp und erzählte mir von dem „Tschappel“-Projekt. Sie sagte: „Die haben zwar nicht gewonnen, aber ich fand die Jungs unglaublich witzig. Schau dir das mal an!“ Der Pitch begeisterte mich ebenso, weil ich mich an meine eigene Jugend erinnerte und mich sehr abgeholt fühlte. Dann ging das recht schnell, dass wir uns mit den Autoren Marius Beck und Marc Philip Ginolas einig wurden. Dann kam auch Paul Beck von der Apollonia ins Spiel, der Marius‘ Cousin ist.

In welcher Funktion waren Sie beim Storytellers-Wettbewerb von RTL dabei, Frau Groth?

Charlotte Groth: Ich war als Teil der Jury eingeladen. Das war das Wochenende in Brandenburg, als „Softies“ als Projekt gewann. Es nennt sich selbst immer Klassenfahrt und hatte auch ein stückweit das Flair eines Dorf-Wochenendes. Das ist super, was RTL da immer auf die Beine stellt. Ich kam schon in den ersten zehn Minuten mit den Drehbuchautoren Marius Beck und Marc Philip Ginolas ins Gespräch. Ich dachte noch, dass die beiden gewinnen müssten.

Maximilian Greil: Zum Glück haben sie nicht gewonnen.

Charlotte Groth: Ich wollte das Projekt unbedingt machen, weil ich die Serie selbst gucken wollte. Während der Rückfahrt aus Brandenburg haben die beiden Autoren ein Drehbuch geschrieben, was sie mir eigentlich einen Tag vorher als schon fertig versprachen. Das auf der Fahrt heimlich geschriebene Buch war so gut, pointiert und witzig, dass wir es so zum ZDF schickten, wo es auch durch alle Reihen hinweg mit Begeisterung aufgenommen wurde.

Die ZDFneo-Verantwortlichen teilten genau die Vorstellung, als Sie die Serie pitchten?

Charlotte Groth: ZDFneo, allen voran Redakteurin Berit Teschner, hatte keine andere Vorstellung als wir, aber andere öffentlich-rechtliche Sender, bei denen wir das Format pitchten. Es gab Sorgen vor dem üblichen Provinz-Klamaukigen, dem Romantisierten und dem Albernen. Der schwäbische Dialekt in den Dialogen war ein großes Thema. Selbst bei schwäbischen Regionalsendern gab es die Sorge für das Publikum, dass man sich über sie lustig macht, sobald man überhaupt nur mit Dialekt spricht. Dass wir das aber gerade nicht vorhaben, verstanden ZDF und ZDFneo. Sie wollten den warmherzigen Blick und uns gleichzeitig aber nicht den Dialekt rausstreichen. Das gehöre dazu und dürfe auch stark sein. Die einzige Vorgabe war, dass man es auch in Bremen oder Hamburg verstehen können müsse.

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Mina-Giselle Rüffer (l.) und Jeremias Meyer in „Tschappel“ (Credit: ZDF/Conrad Lobst)

Der schwäbische Dialekt verleiht den guten Dialogen einerseits den Extra-Charme. Andererseits könnte er ein weniger aufgeschlossenes Publikum beim ersten Hinhören abschrecken. Was waren dabei Ihre genaueren Überlegungen?

Maximilian Greil: Marius Beck von der Apollonia Film, der die Drehbücher mitschrieb und auch aus dem Ort kommt, in dem wir drehten, kämpfte von Anfang an stark dafür, den Dialekt beizubehalten. Es gab große Diskussionen, wie ausgeprägt der Dialekt in der Serie gesprochen wird. Wäre es nach Marius gegangen, wäre der Dialekt wahrscheinlich noch breiter geworden. Gemeinsam mit der Redaktion und in der Besetzung haben wir uns dann für ein gutes Mittelmaß entschieden. Es war aber auch ein Wahnsinn, wie sich zum Beispiel unser aus München kommender Hauptdarsteller Jeremias Meyer den Dialekt draufgeschafft hat. Er verbrachte Wochen vor den Dreharbeiten in Oberschwaben.

Charlotte Groth: Drehbuchautor Marius Beck hat auch jedes Buch nochmal als Sprachnachricht aufgenommen und es allen Schauspieler:innen geschickt. Wir als LAX Entertainment waren eine gute Brücke zwischen den Drehbuchautoren und der Regie, die schon sehr weit sind für das, was ihre Vita vermuten lässt, aber auch eine Idealvorstellung von dem Projekt hatten. Wir wiederum, die schon etwas sendererfahrener waren, konnten gut vermitteln zwischen dieser Vision und Senderansprüchen. Ich hoffe, dass der Dialekt nicht abschreckt und das Publikum der Serie zwei Minuten Zeit gibt, weil man sich ein bisschen warm hören muss, dann aber auch ein echten Serien-Schatz heben kann.

Die Serie hat einen sehr guten Cast, bei dem trotzdem Entertainer Harald Schmidt besonders auffällt, wobei es eine kleine Rolle ist. Mit Ausnahme vom „Traumschiff“ dreht er eigentlich nichts mehr. Wie haben Sie ihn als Dorfdoktor gewonnen?

Maximilian Greil: Wir hatten Glück, dass es zeitlich gut passte und nur ein Drehtag war. Harald Schmidt war von der Rolle überzeugt und hat das Humorpotenzial gesehen. Er fand ganz cool, was wir als junge Leute vorhatten und wollte das unterstützen. Wir mussten nicht so viel baggern, sondern haben über die inhaltliche Komponente geglänzt.

Charlotte Groth: Die Situationen auf dem Land sind auch bekannt und solch einen Dorf-Arzttypen kenn jeder. Wir fanden die Idee witzig, wenn Harald Schmidt die Figur spielt. Bernd Gnann, der in der Serie Jeremias Meyers Vater spielt, ist mehr als nur eine regionale Größe und hat ein gemeinsames Bühnenprogramm mit Harald Schmidt. Die beiden sprachen darüber. Der Kontakt hat dabei auf jeden Fall geholfen.

Die von Nina Gnädig gespielte Patentante von Jeremias Meyers Figur ist genial besetzt. Mit ihrer so selbstbewussten, aber auch etwas planlosen Art stiehlt sie viele Szenen.

Maximilian Greil: Nina Gnädig war für uns eine tolle Entdeckung. Auf den ersten Blick spielt sie eine Figur, die aus allem ein bisschen rausfällt. Sie macht aber, was sie will. Nina hat diese Rolle sehr dankend angenommen und gesagt, dass es ein Geschenk sei, Gabi spielen zu dürfen, weil man so viel mit dieser lustigen und warmen Frauenfigur machen kann.

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Szenendiebin Nina Gnädig (r.) und Jeremias Meyer in „Tschappel“ (Credit: ZDF/Conrad Lobst)

Dieses Jahr kommen viele männlich zentriert erzählte Coming-of-Age-Geschichten heraus, was bei Ihrem Kreativ-Team nicht überrascht. Aber in „Tschappel“ auch so eine dominante Frauenfigur zu haben, ist ein gutes Gegengewicht.

Charlotte Groth: Produzentisch gesehen war eine unserer Sorgen, dass wir 18-jährige Protagonisten haben, die Zielgruppe aber ab 25 Jahre aufwärts eigentlich viel älter ist. Die Serie soll schöne Erinnerungen an die eigene Zeit von früher aufmachen. 18-Jährige wird das Format gar nicht so großartig interessieren, weil sie selbst gerade in dieser Situation stecken. Dann will man nicht noch eine Serie darüber schauen, wie es ist, wenn man keinen Plan hat. Uns war wichtig, auch Figuren mit einer anderen Altersstruktur zu erzählen. Der titelgebende „Tschappel“ kann auch eine erwachsene Frau sein. Ein Tschappel, der keine großen Ziele im Leben verfolgt, ist alters- und geschlechtslos. Bei Nina Gnädig war es die bewusste Idee, mal eine andere Frauenfigur zu erzählen.

Wie würden Sie die Ausrichtung ihrer Produktionsschmiede LAX Entertainment beschreiben? Sind Sie die jungen Wilden der ndF?

Maximilian Greil: Ich tue mich schwer, so etwas selbst über uns zu sagen. Im Kontext der ndF sind wir das vielleicht. Aber als Mitte-30er denkt man sich schon mal: Na ja, so jung bin ich jetzt auch nicht mehr. Wir sehen uns vor allem eigenständig, in dem, was wir machen wollen. Gleichzeitig nutzen wir den breiten Rücken im Haus durch die ndF. Das ist ein Firmengründungsszenario, wie man es sich besser nicht wünschen kann. Man bekommt viel kreative Freiheit und hat gleichzeitig eine riesige produktionelle Expertise im Hintergrund.

Charlotte Groth: Dieses Vertrauen relativ jungen Produzent:innen zu geben, uns vielleicht auch mal auf die Fresse fliegen zu lassen, uns aber auch ein Sicherheitsnetz zu geben, um etwas auf die Beine zu stellen – Das ist echt einzigartig. Das gibt uns kreativen Freiraum, Ideen zu testen und Kontakte zu knüpfen, die ein Fundament legen. Auch wenn wir in diesen drei Jahren noch nicht 15 Serien produziert haben, sondern jetzt unsere erste Veröffentlichung haben.

Tschappel
Die ZDFneo-Serie „Tschappel“ (Credit: ZDF/Conrad Lobst)

Bei der Serienqualität und bei den so lebendigen Charakteren würde sich eine zweite Staffel von „Tschappel“ im Erfolgsfall regelrecht aufdrängen. Wollen Sie schon über weitere Projekte sprechen?

Maximilian Greil: Natürlich wäre eine zweite Staffel wunderbar. Alle Beteiligten hätten daran großes Interesse. Aber da gilt es abzuwarten. Wir entwickeln darüber hinaus aber aktuell wahnsinnig viel. Es gibt Ideen für eine Sitcom, die wieder mehr ins Urbane übersiedelt. Charlotte ist jetzt in Elternzeit. So ist es aktuell ein etwas anderes Arbeiten.

Charlotte Groth: Die Marke ‚Junge Wilde‘ versuchen wir eher abzustreifen, weil wir uns als klassische kleine Produktionsfirma sehen. Unser Claim ist eigentlich, dass wir nach dem Mainstream von morgen suchen. Wir wollen das Rad mit unseren Formaten nicht neu erfinden. Aber wir wollen hinterfragen, was heutige Familienserien, Krimis oder eben Land- und Comedy-Serien sind, die unsere Generation in möglichst breiter Masse mitnimmt, soweit das heute in der Sender- und Streamer-Welt noch möglich ist. Wir haben starke kleine Comedies genauso in der Entwicklung wie auch größere Eventserien-Projekte, die zum Beispiel politischer sind.

Maximilian Greil: Wir definieren uns nicht als Nischen-Unternehmen, das jetzt nur noch Comedies macht. Uns ist wichtig, dass wir eine Leidenschaft für den Stoff haben.

Das Interview führte Michael Müller