Im Prinzip stand die Filmfest-Debatte der CSU unter dem denkbar günstigsten Stern – kam sie doch einen Tag, nachdem ein Durchbruch in Sachen Anreizmodell erzielt wurde. Doch so recht wollte das nicht auf das Gespräch rund um die Nachwuchsgewinnung durchschlagen. Medienminister Herrmann machte unterdessen die Position Bayerns in Sachen Investitionsverpflichtung klar. Es geht um die Streamer. Punkt.
What a difference a day makes! Die Sphären eines himmelhohen Jauchzens mögen noch nicht erreicht sein. Aber die Tatsache, dass zumindest auf Bundesebene gestern eine entscheidende Weiche für ein modernes (und hoffentlich) konkurrenzfähiges Anreizmodell gestellt wurden, ging natürlich alles andere als spurlos an der Branche vorbei. Das spürte man auch bei der traditionellen Filmfest-Debatte der CSU-Landtagsfraktion (vielleicht auch wegen der ausgesprochen unchristlichen Uhrzeit an einem Filmfest-Samstag), obwohl die Branche dort nur punktuell prominent vertreten und die Zuhörerschaft auffällig stark von älteren Semestern geprägt war. Was hingegen komplett fehlte, war der Input jener Gruppe, über die im Karolinensaal des Amerikahauses gesprochen wurde: des Nachwuchses bzw. der kreativen Talente.
Deren Stimme man sich umso mehr in einem Umfeld gewünscht hätte, in dem Christian Franckenstein als Vorsitzender der Bavaria-Geschäftsführung (erfrischenderweise!) keinerlei Anstalten machte, die Situation zu beschönigen. Er stellte Anforderungen in den Raum, die so manchen Interessenten erst einmal schlucken lassen dürften. Denn was man als strikt projektbezogene Branche nicht bieten könne, sei langfristige Planbarkeit. Gefragt sei Risikobereitschaft, gebraucht würden Leidenschaft und (sic!) Leidensfähigkeit. Die positive Seite: Wenn man das mitbringe, könne man weit kommen.
Grundsätzlich, so Franckenstein (der übrigens nicht den Hauch eines Wortes über die von ihm vor wenigen Tagen via SZ verbreiteten Überlegungen zu einer massiven Erweiterung der Studioflächen der Bavaria verlor – und auch nicht darauf angesprochen wurde) sitze man an diesem Tag mit einem „sehr guten Gefühl“ zusammen, nachdem die Im Zuge der Haushaltseinigung beschlossenen Wachstumsinitiative ein Steueranreizmodell mit einer 30prozentigen Förderquote enthalten ist. Für die Jahre ab 2025 sei man nun „recht optimistisch“. Was ihn nicht davon abhielt, den aktuellen Dreiklang der Probleme zu beschwören: Streamer, die aus unterschiedlichen Gründen (nicht zuletzt der erheblich teurer gewordenen Fremdkapitalbeschaffung) ihre „Reiseflughöhe“ erreicht hätten. Die Privatsender, deren Werbeumsätze (dank Abwanderung in den Onlinebereich) im Sinkflug seien. Und die Öffentlich-Rechtlichen, deren finanzielle Ausstattung auch seitens der Politik unter Druck stehe. Diesen drei Kernproblemen bei den Auftraggebern stünde ein weiteres bei den Auftragnehmern gegenüber: die enormen Kostensteigerungen.
Logische Folge: Wo selbst vor einem Jahr noch intensiv über den Fachkräftemangel diskutiert wurde, hat sich dieses Thema zumindest für den Moment beinahe verflüchtigt. Noch schlimmer sogar: Selbst in Bereichen, in denen noch zu Beginn des Jahres 2023 händeringend Nachwuchs gesucht wurde (u.a. Herstellungs- und Produktionsleitung, Filmgeschäftsführung), stehe dieser nun vor verschlossenen Türen: Einstellungsstopp oder gleich Personalabbau laute momentan die Devise, wie Lina Timm, Geschäftsführerin des Media Lab Bavaria schilderte. Aus ihrer Sicht ein klarer, ein großer strategischer Fehler. Man habe jetzt die Chance, langfristig Nachwuchs aufzubauen, verprelle diesen aber gerade. Und wenn in zwei Jahren die Auftragsbücher dank eines konkurrenzfähigen Fördersystems wieder voll seien? Werde man wieder das alte Problem haben. „Der Branche fehlt es sogar an einer mittelfristigen Nachwuchsstrategie“, so Timm.
Nun, der geplante Förderdreiklang soll nicht zuletzt dazu dienen, das zu schaffen, woran es momentan fehlt: Kontinuität in bei Beauftragung und Beschäftigung, schlichte Planungssicherheit (in dem Maße, in dem diese in einem weiterhin projektbezogenen Geschäft gewährt werden kann, versteht sich).
Eine wichtige Rolle soll nach Vorstellung der BKM dabei auch die Investitionsverpflichtung spielen – zu der Bayern aber eine sehr klare Linie vertritt, wie Medienminister Florian Herrmann unterstrich. Eine Investitionsverpflichtung sei natürlich ein Eingriff – bei dem die Öffentlich-Rechtlichen außen vor bleiben müssten. Auch müsse man zusehen, dass eine solche Verpflichtung den privaten Sendergruppen „nicht schade“. Um wen geht es also: „Jeder weiß, wer gemeint ist!“, so Herrmann. Punkt.
Der übrigens noch zwei Anmerkungen hatte, die man als ungewohnt offen betrachten kann. Zum einen eine relativ klare Absage an Filmbildung als eigenes Schulfach. Nicht mangels grundsätzlicher Sympathie für den Gedanken, sondern aus ganz pragmatischen Erwägungen heraus: „Es gibt kaum eine Diskussion, aus der heraus nicht der Wunsch nach einem neuen Schulfach entsteht“, so der Staatskanzleichef. Aber diese würden immer dann sehr schnell im Sande verlaufen, wenn es um die Frage gehe, welcher andere Lehrstoff dafür reduziert werden könne.
Zum anderen ein gewisser Seitenhieb gegen die „Follow the Money“-Mentalität: „Ich höre immer wieder die Sonntagsreden, wie schlimm Orban ist. Trotzdem gehen alle gerne dort zum Drehen hin!“ Nun, mit etwas Glück kann Deutschland dem zumindest auf Förderebene schon bald mehr entgegensetzen.