SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Mittel gegen den Phantomschmerz


Unverblümt und unbeschönigt widmete sich das erste Top-Thema des Kinokongresses den aktuellen Herausforderungen im Kinomarkt. Das beinhaltete unbequeme Feststellungen im sprichwörtlichen Dutzend, stieß aber keineswegs auf Ratlosigkeit. Sondern am Ende sogar auf wichtige Versprechen seitens der Politik.

HOMER scaled e x
Noch darf man über diese Darstellung ein wenig schmunzeln. Aber angespannt ist die Lage allemal. (Credit: The SPOT media & film)

Wenn Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch zur Powerpoint-Präsentation greift, dann ist eines garantiert. Jede Menge Insights, Zahlenanalysen – und vor allem ein ungeschönter Blick auf eine Marktsituation, die jetzt mehrere Jahre nach der Pandemie sicherlich noch nicht wieder so aussieht, wie man das angesichts eines zunächst recht entschieden beschrittenen Erholungskurses gehofft haben mag. Und die vor allem noch angespannter zu werden droht, wenn sich die Kostenspirale ungebremst weiterdreht; Koch nutzte anhand des Szenarios von 15 Euro Mindestlohn die „filettierte Eintrittskarte“ als eindringliche Mahnung (siehe Foto).

Gut, mit zeitweise geradezu disruptiven Störfaktoren wie dem Streik der Kreativen in den USA war natürlich nicht zu rechnen gewesen. Aber das hilft am Ende auch nicht viel, die Situation ist, wie sie ist. Für etliche Mittelständler zunehmend bedrohlich, wie Ralf Holl ausführte.

Schließlich hilft es wiederum wenig, sich der Unverzichtbarkeit von Investitionen bewusst zu sein, wenn die Eigenkapitaldecke fehlt. Oder/und das, was eigentlich Teil der Erwartungshaltung war, als die Abgabesystematik im FFG umgestellt wurde: Flankierende Kino(investitions)förderung. Aktuell und wenigstens noch bis zur Aufstellung eines Haushalts ist die FFA-Kinoförderung das einzige Instrument auf Bundesebene – dass der erste Einreichtermin massiv (offenbar um etwa das Dreifache) überzeichnet war, wie auf der Bühne beklagt wurde, überrascht vermutlich niemanden. Erinnert sich noch jemand an die Hoffnung, es müsse künftig kein „Windhundrennen“ mehr geben, wie es bei der letzten Förderrunde des ZPK geradezu unfassbare (Überzeichnung 20 Sekunden nach Start der Antragseinreichung) Ausmaße annahm? Kim Ludolf Koch jedenfalls beklagte an dieser Stelle einen echten „Phantomschmerz“. 

FILET scaled e x
Die Rechnung des Schreckens für ein Szenario mit 15 Euro Mindestlohn

Ist mit Abhilfe zu rechnen? Zumindest der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung macht ja durchaus Hoffnung, auch wenn man sich fragt, ob es nicht ein Mü klüger gewesen wäre, dem neuen Kulturstaatsminister beim Deutschen Filmpreis einen etwas weniger kühlen Empfang zu bereiten. Man erinnert sich schließlich nur zu gut an diverse orchestrierte Standing Ovations für eine Amtsvorgängerin, die am Ende (fast) nur große Versprechungen hinterließ und ansonsten in vielen Bereichen ausgesprochen glücklos agierte. Wobei betont sei: Für die Haushaltslage konnte Roth nichts. Gilt aber auch für ihren Nachfolger, dem sich nun auch kein üppigeres Füllhorn öffnen dürfte. Die Steuerschätzung kommt am Donnerstag…

Auch wenn es der neue Kulturstaatsminister (natürlich) noch nicht ins beschauliche Baden-Baden geschafft hatte, musste man beim Kinokongress nicht ohne ausgesprochen prominenten politischen Beistand (wenngleich per Live-Schalte) auskommen: Gitta Connemann, seit Beginn der neuen Legislaturperiode Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie – und eine dem Kino ausgesprochen zugewandte Politikerin. Oder anders ausgedrückt: Eine starke Verbündete in einem Schlüsselministerium.

Das Blaue vom Himmel konnte sie den Kinos nun auch nicht gerade versprechen. Aber ihre Ankündigungen zu geplanten Maßnahmen von Schwarz-Rot ließen aufhorchen. So sei geplant, das Problem der hohen Energiepreise zu adressieren: Über eine Absenkung der Stromsteuer „auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß“ sowie eine Reduzierung der Netzentgelte. Und man wolle nicht zuletzt über eine degressive AfA über drei Jahre bei einem maximal 30prozentigen Satz für Investitionen schaffen. „Das gilt (auch) für Euch, Christine!“, so Connemann, die zudem erklärte, dass man auch der Bürokratie zu Leibe rücken werde.

Was Connemann den Kinos auch mit auf den Weg geben konnte: Zumindest aus ihrer Sicht sei mit dem novellierten Filmförderungsgesetz deutlich geworden, dass ein wichtiger (sagte sie „wichtigster“? An dieser Stelle versagt leider die Lesbarkeit meiner Notizen…) Teil der Wertschöpfungskette nicht adäquat abgebildet worden sei.

COnni scaled e x
Brachte ein wenig frohe Kunde in die Runde um Ralf Holl, Christian Sommer, Christine Berg, Peter Schauerte, Kim Ludolf Koch und Jonas von Fehrn-Stender mit: Gitta Connemann

Auch wenn Connemann nicht wirklich beruhigen konnte, was das Bangen um den Haushalt anbelangt (man darf nicht vergessen, dass die im Koalitionsvertrag angekündigten Wohltaten für die Kultur ausdrücklich unter Finanzierungsvorbehalt stehen!), konnte sie doch zumindest erklären, dass klar sei, dass man „Maßnahmen von zentraler Bedeutung“ auch mit Mitteln hinterlegen müsse. Keine Frage, man werde Prioritäten setzen müssen. Aber diese sehe man eher im investiven Bereich. Ein wichtiger „Zugangscode“ sei da das Thema der ländlichen Räume.

Und sie konnte mit warmen Worten schließen: In ihrem Haus sei man sich der Bedeutung der Branche auch und gerade als Wachstumsbranche bewusst. Die zuvor von Christine Berg eingeforderte Verlässlichkeit und Planbarkeit der Unterstützung sei genau das, was der Mittelstand in Gänze benötige. Auch dass es schnell gehen müsse, sei klar. Allerdings sei auch die Branche gefordert, ganzheitlich zu agieren: Denn eine Wertschöpfungskette gehe schnell in die Brüche, wenn ein Glied nicht adäquat bedacht werde.

Ausführungen, die die Stimmung im Raum zu heben wusste, nachdem man sich zuvor anhand detaillierter Statistiken vor Augen hatte halten müssen, dass das Verhältnis zwischen Ertrag und Kosten in massive Schieflage geraten ist?

Sagen wir es so: Die laut Berg angeblich schon von einem großen Studio hinter vorgehaltener Hand gemunkelte Ansicht, gut 80 Mio. Besuche seien das „new normal“, wollte am Ende niemand teilen. Ob mehr als 100 Mio. wieder dauerhaft drin sind? Laut Ralf Holl nur dann, wenn es gelingt, sich digital völlig neu aufzustellen, voneinander zu lernen und sich auch KI zunutze zu machen. „Kinomarkt Deutschland“ nannte er dabei nicht wörtlich, wir tun das aber gerne. MPA-Repräsentant Christian Sommer gab sich ausgesprochen optimistisch, betonte aber, wie wichtig es sei, die Schwemme an nicht publikumsrelevanten Filmen sowie ein Kernproblem zu adressieren, das allzu leicht in Vergessenheit gerate, das aber (nicht zuletzt belegt durch drei in jüngerer Vergangenheit erfolgte Festnahmen von Abfilmern in Berlin, Nürnberg und Wiesbaden) nicht weniger virulent sei als noch vor einem Jahrzehnt: die Filmpiraterie. AllScreens-Geschäftsführer Peter Schauerte (als vorheriger Stellvertreter mit dem Weggang von Björn Böhning übrigens auch erst einmal amtierender SPIO-Präsident) betrachtet sich selbst nicht als Pessimist, sieht aber viel Arbeit vor der Branche – die aber auch über „gewaltige Hebel“ verfüge. Wie man sie umlegen könne? Indem man „deutlich mehr zusammenarbeite, so Berg. Und Kim Ludolf Koch hält über 100 Mio. Jahresbesuche zwar nicht für unmöglich, allerdings für „extrem ambitioniert“ – und nur unter der Bedingung erreichbar, dass man sich auch um die Kinolandschaft kümmere, die zuletzt nicht unbedingt unter Standortwachstum litt. Realistischer erscheint ihm ein Korridor von 90 bis 100 Mio. Besuchen.

Was dann doch ein wenig tiefgestapelt klingt. 90 Mio. schaffte man schließlich sogar 2024. Aber womöglich ist man gerade an einem Punkt, an dem man sich lieber nur positiv überraschen lässt?

Ironie übrigens noch am Rande – und Beleg dafür, wie sehr sich Geschichte manchmal wiederholen kann: Wussten Sie, was eines der beherrschenden Themen war, das vor 100 Jahren zur Gründung der europäischen Dependance der MPA  führte? Jawohl. Zölle. Etwas, zu dem es noch Mitte der 1950er Jahre Vorstöße gab. Aus Deutschland, wohlgemerkt…