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Das Reichweitenproblem beginnt mit den Twens: FFA-Potenzialanalyse zum Kinomarkt


35 Mio. Jahresbesuche für den deutschen Film sind ein hehres Ziel, das aktuell nicht unbedingt in greifbarer Nähe scheint. Die FFA hat sich mit Szenarien auseinandergesetzt, die den Weg zurück dorthin und zu über 100 Mio. Gesamtbesuchen bereiten können. Ein wenig ernüchternd ist unterdessen die Entwicklung bei der Wahrnehmung von deutschen Kinofilmen. Und erst recht jene bei einer wichtigen Zielgruppe.

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Norina Lin-Hi zeigte bei der FFA-Präsentation Trends anhand einer langfristigen Betrachtung auf (Credit: HDF Kino/Denis Kotscherow)

Öfter mal was Neues: Mehr als je zuvor war der Rückblick auf die Gesamtmarktzahlen des vergangenen Jahres der beinahe nebensächlichste Teil der traditionellen FFA-Präsentation beim Kinokongress. Eine völlig richtige Entscheidung, schafft sie doch Raum für Analysen abseits dessen, was im Februar ohnehin schon veröffentlicht und in aller Ausführlichkeit von SPOT eingeordnet wurde. So widmete sich Norina Lin-Hi diesmal einer Betrachtung längerfristiger Trends mittels einer Analyse der Jahre seit 2000.

Im Fokus stand nicht zuletzt der deutsche Film – und in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, unter welchen Voraussetzungen es gelingen kann, ihn zu jenen 35 Mio. Besuchen pro Jahr zu führen, die als angepeilte Zielmarke nicht zuletzt durch die jahrelangen Debatten rund um die Förderreform geisterten; die aber – gemessen an den tatsächlichen Resultaten der jüngeren Vergangenheit – zuletzt beinahe etwas überambitioniert erscheinen mochten. 35 Mio. Jahresbesuche, die vor allem auch das Fundament dafür bilden sollen, im Gesamtmarkt dauerhaft wieder über 100 Mio. zu kommen.

Die gesamte FFA-Präsentation zur KINO 2025 finden Sie hinter diesem Link

Die ergänzende Studie „Kinobesucher*innen 2024“ finden Sie hinter diesem Link

Ein wichtiger Hinweis, bevor es in medias res geht: Die Filmhitlisten der Präsentation beziehen sich jeweils nur auf die im Kalenderjahr des Starts erzielten Zahlen. Das steht auch ausdrücklich in den FFA-Unterlagen, gerät aber dennoch schnell in Vergessenheit. So war mitunter zu lesen, es habe seit 2017 keinen deutschen Film mit mehr als fünf Mio. Besuchen mehr gegeben. Das ist selbstverständlich falsch, der 2019 gestartete „Das perfekte Geheimnis“ schaffte das auch – allerdings erst Mitte Januar des Folgejahres. Richtig wäre: Seit der Pandemie gab es keinen deutschen Film mit fünf Mio. Besuchen mehr.

Deutscher Kinderfilm glänzt seit 2017 mit durchgängig überproportional hohem Marktanteil

Eine wenig überraschende Erkenntnis (die zuletzt auch für den US-Film trug): Kinderfilmen kommt eine herausragende Rolle für den deutschen Film zu. Zwischen den Jahren 2000 und 2024 waren es sieben Mal Kinderfilme, aus deren Reihen jeweils der erfolgreichste deutsche Titel des Jahres stammte; seit 2021 gab es nur ein Jahr, in dem dies nicht der Fall war – und ob man „John Wick: Kapitel 4“ wirklich als „deutschen Film“ charakterisieren sollte, darüber lässt sich wie üblich streiten. In der Betrachtungsweise der FFA, die sich auch auf minoritär deutsche Koproduktionen erstreckt, ist er es jedenfalls.

Hinzu kommt: Der Marktanteil deutscher Filme im Bereich des Kinderfilms (der 2021, 2022 und 2024 insbesondere mit „Die Schule der magischen Tiere“ punktete) lag seit 2017 durchgängig über dem Markanteil, den der deutsche Film über sämtliche Genres hinweg erzielen konnte, teils sogar mit deutlichem Abstand. Nun sollte man wenigstens das Corona-Jahr 2020 in der Betrachtung ausblenden (und mit Blick auf 2024 bedenken, dass in jenem Jahr der US-Kinderfilm im Gesamtmarkt dominierend war), aber auch 2023 war der Unterschied frappierend: 47 Prozent beim Kinderfilm, 24 Prozent über alle deutschen Filme hinweg. Tatsächlich bewegte sich der Kinderfilm zuletzt auch nach absoluten Besuchszahlen absolut problemlos in (höchsten) vorpandemischen Regionen.

So viel aus der Reihe „ohnehin gefühlte Wahrheiten mit klaren Zahlen unterlegt“: Der Kinderfilm ist ein ganz besonderes Asset im deutschen Produktionsportfolio, umso mehr als (das kommt in der aktuellen Studie nicht zur Sprache) der deutsche Animationsfilm ein absoluter Exportschlager ist.

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Auch wenn die Gegenüberstellung von nur zwei Momentaufnahmen keine Aussagen hinsichtlich eines Trends zulässt: Luft nach oben ist bei der Wahrnehmung des deutschen Films allemal (Credit: FFA)

Wahrnehmung des deutschen Films ist deutlich ausbaufähig

Wobei es da noch eine andere gefühlte Wahrheit gibt, die nun auf Basis einer YouGov-Erhebung untermauert wird: Die Wahrnehmung des deutschen Films war schon 2009 insofern ausbaufähig, als das Wertungsspektrum in einem Dutzend abgefragter Kategorien wie „humorvoll/humorlos“, „einfallsreich/einfallslos“ oder „politisch/unpolitisch“ eine klare Tendenz zur Mitte zeigte. Klingt vielleicht erst einmal nicht so negativ, kann aber laut Norina Lin-Hi durchaus ein Indiz dafür sein, dass es dem deutschen Film in der öffentlichen Wahrnehmung an Kante und Profil mangelt. Umso mehr als sich die Bewertung in sämtlichen Kategorien mit Ausnahme von „glamourös“ (da schneidet der deutsche Film unverändert am schlechtesten ab) zwischen 2009 und 2025 (teils deutlich) verschlechtert hat. Zu beachten ist natürlich, dass lediglich zwei gegenübergestellte Werte, zwischen denen mehr als 15 Jahre liegen, keinerlei belastbare Aussagen hinsichtlich einer Tendenz zulassen – es könnten schließlich durchaus Wellenbewegungen sein, bei denen die Einschätzungen jeweils stark durch das Angebot des Vorjahres geprägt sind. Aber zumindest in Form einer Momentaufnahme steht der deutsche Film heute in der Wahrnehmung schlechter da. Überrascht aber auch nicht, wenn man sich das schlechte Ergebnis von 17,7 Mio. Besuchen für deutsche Kinofilme (inklusive der minoritären Koproduktionen) vor Augen hält. Zum Vergleich: 2009 wurden fast 40 Mio. Besuche für deutsche Filme gezählt. 

Das richtige Stichwort: Heute mögen 35 Mio. Besuche für deutsche Filme beinahe an Wunschdenken grenzen, noch vor zehn Jahren war das Realität – wobei die 37,1 Mio. Besuche, die 2015 fällig wurden, vor dem Hintergrund eines historischen Rekordergebnisses im Gesamtmarkt betrachtet werden können.

Momentaufnahme hin oder her: Gegenüber 2024 müsste sich die Zahl der für deutsche Filme gelösten Tickets nahezu verdoppeln, um auf jene (grundsätzlich erst einmal symbolische) Zahl zu kommen, die sich die Branche im Zuge der Förderdebatte selbst als Messlatte gesetzt hat. Es ist also ein ausgesprochen niedriges Ausgangsniveau, an dem die FFA mit ihrem Rechenszenario und den aus ihrer Sicht möglichen drei Hebeln ansetzt:

Dass selbst das erfolgreiche Umlegen sämtlicher drei Hebel „nur“ für ein Ergebnis reichen würde, das immer noch 15 Prozent unter dem Topwert aus 2009 rangieren würde, lässt indes ahnen, dass es ein grundsätzliches Problem gibt. Eines, das für den Teilbereich der deutschen (Ko-)Produktionen ebenso gilt wie für den Gesamtmarkt: An der Besuchshäufigkeit pro tatsächlichem Besucher liegt es gar nicht wirklich – tatsächlich lag der Wert 2024 mit 4,5 auf demselben Niveau wie im Rekordjahr 2015. Das wirkliche Problem ist die Kinoreichweite in der Gesamtbevölkerung, die nach 2015 dauerhaft unter 40 Prozent fiel und zwischen 2022 und 2024 nur knapp über bzw. sogar unterhalb der 30 Prozent rangierte.

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Möglicher Push für die Kinoreichweite unter den Twens? Zumindest war der Vorgänger von „Das Kanu des Manitu“ zwischen 2000 und 2024 der zweitbeliebteste Film bei den 20- bis 29-Jährigen (Credit: herbX film/Luis Zeno Kuhn)

Massiver Reichweitenrückgang zwischen den Altersgruppen 10-19 und 20-29 Jahre

Betrachtet man sich die Kinoreichweite in den unterschiedlichen Alterskohorten, fällt der massive Rückgang zwischen den 69 Prozent in der Altersstufe 10 bis 19 Jahre und den 36 Prozent in der Altersstufe 20 bis 29 Jahre auf. Zwar hat die Kinoreichweite in der langfristigen Betrachtung seit 2001 in fast allen Altersgruppen Federn lassen müssen (Ausnahme sind die 50 bis 59-Jährigen, wo sie tatsächlich stieg) – aber nirgends so stark wie bei den Twens, bei denen die Reichweite 2001 noch ebenso bei 80 Prozent gelegen hatte wie in der Altersgruppe zwischen 10 und 19 Jahren.

Betrachtet man sich die Besuchsintensität der tatsächlichen Kinogänger, stehen die Twens auf den ersten Blick gar nicht schlecht da. 4,6 Ausflüge vor die Leinwand pro Jahr sind der (auch bei den 30- bis 39-Jährigen erzielte) zweitbeste Wert hinter den 5,1 der Altersgruppe 60+ (die zwar in Punkto Reichweite mit 13 Prozent abgeschlagen ist, die aber besonders treue Kinofans umfasst). Allerdings stechen die 20- bis 29-Jährigen im langfristigen Vergleich seit 2001 auch bei der negativen Entwicklung der Besuchshäufigkeit hervor. Oder anders ausgedrückt: Es ist eine neue „kritische Zielgruppe“ gefunden.

Drei zentrale Handlungsfelder

Wo aber liegen (über alle Zielgruppen hinweg) die zentralen Handlungsfelder? Die FFA gliedert diese anhand einer YouGov-Befragung von Nicht-Kinogängern aus dem Januar 2025 in drei Kategorien, denen sie wiederum drei Kernaussagen zuordnet, die im Rahmen dieser Umfrage als Gründe für eine Kinoabstinenz in den letzten zwölf Monaten angeführt wurden.

Daraus wiederum leitet die FFA folgende Handlungsempfehlungen ab:

Erfolg dieser Maßnahmen vorausgesetzt, seien nach FFA-Prognose mittelfristig 102 Mio. Tickets, langfristig 114 Mio. Tickets pro Jahr möglich.