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Carsten Schuffert und Robert Weihing: „Wir sind Gestalter“


Mit der Übernahme der Kinos Blaue Brücke und Museum wurden Carsten Schuffert und Robert Weihing 2023 zu den Rettern der Tübinger Kinolandschaft. Mit dem, was sich in den Kinos seither getan hat, beeindruckten Sie den internationalen Kinotechnikverband ICTA, der ihnen im Rahmen der KINO 2025 den ICTA Presentation Excellence Award verleiht. Anlässlich der Auszeichnung sprach SPOT mit den ideenreichen Kinomachern.

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Carsten Schuffert und Robert Weihing (Credit: Bewegte Bilder)

Unternehmerischer Mut, kulturelle Vision und Innovationsgeist: Eigenschaften, mit denen Carsten Schuffert und Robert Weihing nach Ansicht der International Cinema Technology Association die Tübinger Kinolandschaft neu belebt haben – und für die sie in Baden-Baden nun mit dem ICTA Presentation Excellence Award geehrt werden. Anlässlich der Verleihung dieser renommierten Auszeichnung sprachen wir mit den beiden Kinomachern.

Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung durch die ICTA. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Carsten Schuffert: Ich bin sehr glücklich darüber, umso mehr, als Übernahme und Modernisierung noch gar nicht so lange zurückliegen, die Einweihung des Museum haben wir schließlich erst im Februar gefeiert. Was uns besonders an dieser Auszeichnung freut, ist also auch die damit verbundene Wertschätzung dafür, dass wir ein wenig den Sprung ins kalte Wasser gewagt haben. Wir machen das aber natürlich nicht blind. Wir sind beide Geschäftsleute und gehen davon aus, dass wir damit auch Geld verdienen. Insofern ist es von unserer Seite auch ein klares Bekenntnis zum Glauben an die Zukunft des Kinos. Kino lebt, Kino kann sich präsentieren – und das Kino gewinnt auch wieder mehr an Boden, wenn wir uns alle ins Zeug legen, wenn wir uns um alle Bereiche kümmern: Von der Ausstattung über das Programm bis hin zum persönlichen Service vor Ort und der Website. Dass unsere Bemühungen auf diese Weise honoriert werden, ist ein schönes Signal, zumal es uns auch dabei hilft, unsere Philosophie weiter nach außen zu tragen.

Robert Weihing: Anders als Carsten, der schon seit Jahrzehnten in dieser Branche tätig ist, bin ich ja eher Quereinsteiger – von daher muss ich zugeben, dass ich bislang noch nicht vom ICTA Excellence Award gehört hatte. Das hat sich jetzt geändert – und ich habe sehr schnell festgestellt, auf welche Resonanz diese Auszeichnung stößt. Herzlichen Dank an die ICTA also!

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Anfang Februar wurde die glanzvolle Einweihung des modernisierten Kino Museum gefeiert (Credit: Ulrich Metz)

In Jahren, in denen sich sie Branche noch von der Pandemie erholen muss, gilt es mitunter schon als mutig, ein einziges Kino zu übernehmen. Wie viel haben Sie sich denn mit Übernahme und Modernisierung von gleich zwei Häusern aufgehalst?

Carsten Schuffert: Es ging uns von vorneherein um einen ganzheitlichen Ansatz, um das Kinoangebot für unsere schöne Stadt Tübingen. Wir betreiben ja nicht nur Blaue Brücke und Museum, sondern programmieren auch das kleine Programmkino Atelier. Wir haben uns von Anfang an gesagt ‚Wenn wir das machen, dann komplett!‘. Wir wollten die Möglichkeit haben, ein umfassendes Angebot für die Stadt zu gestalten.

Wie gerne hätten Sie auch das Arsenal gerettet?

Robert Weihing: Das hätten wir sicherlich gerne gemacht, schließlich war das Arsenal die Programmkinoinstitution vor Ort. Und es ist schon traurig zu sehen, was jetzt aus einer Immobilie wird, die einst ein kultureller Anlaufpunkt war. Aber man muss leider auch feststellen, dass die Immobilie ihre Einschränkungen hatte.

Carsten Schuffert: Es ist wirklich schade, dass es diesen Ort nicht mehr gibt. Aber ehrlicherweise waren die Bedingungen nie optimal, das ging schon bei der Saalgeometrie los. Das Haus auf einen Standard zu bringen, wie wir ihn uns vorstellen, wäre allenfalls mit immensen Investitionen möglich gewesen. Es einfach nur zu übernehmen und weiterzumachen wie bisher, wäre nicht denkbar gewesen.

Robert Weihing: Immerhin lebt das Arsenal bzw. das Programm des Arsenal im gleichnamigen Saal im Museum weiter.

Wie unterscheiden sich Blaue Brücke und Museum in der Aufstellung?

Robert Weihing: Die Blaue Brücke war traditionell das Blockbuster-Kino. Wir haben uns tatsächlich Gedanken gemacht, ob es diesen Stempel weiterhin tragen soll, als wir den neuen Markenauftritt für die Tübinger Kinos entworfen haben. Aber diese Zuordnung trägt nach wie vor. Wir haben dort vor allem das junge, technikaffine Blockbuster-Publikum – und wir werden dem Rechnung tragen, indem wir die Säle weiter aufrüsten. 

Carsten Schuffert: Eine jeweilige programmatische Fokussierung macht durchaus Sinn, aber es ist insgesamt durchlässiger geworden als unter Volker Lamm, der in der Blauen Brücke und dem Museum ganz hart getrennt hat. Das eine war Marvel, Bond & Co., das andere Arthouse. Das wollen wir nicht ganz so dogmatisch sehen, es gibt schließlich wunderbare Cross-Over Titel wie zuletzt etwa „Konklave“.

Robert Weihing: Es gibt im Prinzip keinen Grund, warum populäres Arthouse nicht auch in die Blaue Brücke ‚rüberschwappen‘ soll – insbesondere nicht in Zeiten wie im vergangenen Frühjahr, wo es ausgesprochen wenige Filme gab, die man als klassische Blockbuster titulieren würde. Am Ende ist es auch eine Frage der Verfügbarkeit von Sälen. Vom Ambiente her unterscheiden sich die beiden Kinos aber tatsächlich stark.

Carsten Schuffert: Das Museum ist sehr edel gestaltet, weil wir dort primär auf die Zielgruppe 50+ abzielen, die auf ein solches Ambiente besonderen Wert legt. Wobei wir feststellen, dass sich auch die Jugend dort ausgesprochen wohl fühlt und auch das dortige Weinangebot gerne annimmt. Wir haben die Sneak-Previews ins Museum gelegt, dadurch haben wir automatisch Cross-Over-Effekte beim Besuch. Dennoch differenzieren wir sowohl beim Angebot wie auch bei der Ausstattung – allein schon im Sinne der Vielfalt, die wir in Tübingen anbieten wollen.

Robert Weihing: Carsten hat es schon angesprochen: Auch wenn man uns bereits für preiswürdig erachtet, wird sich da noch Einiges tun, in den großen Saal der Blauen Brücke holen wir demnächst 4K-Laserprojektion und Dolby Atmos.

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Die Lounge im Kino Museum (Credit: Ulrich Metz)

Bis auf den „Arsenal“ sind die Säle nach Größen der Filmgeschichte benannt. Wie sehr hat Ihr persönlicher Geschmack die Auswahl beeinflusst?

Carsten Schuffert: Natürlich haben wir persönliche Filmvorlieben, aber wir sind vor allem Gestalter, die an ihre Gäste denken, da ist der eigene Geschmack nicht unbedingt der ausschlaggebende. Wir haben relativ lange nachgedacht, bis wir uns festgelegt haben. Wir wollten auf jeden Fall einen Filmbezug, wir hatten auch die Namen legendärer Studios wie des Cinecittà im Hinterkopf. Letztlich ging es um Namen, die sofort einen Bezug herstellen, gut aussprechbar sind und direkt zugeordnet werden können.

…wobei „Coppola“ nicht Francis Ford, sondern seiner Tochter Sofia gewidmet ist.

Robert Weihing: Das ist richtig, wir wollten selbstverständlich auch weibliche Regisseurinnen würdigen – und tatsächlich haben wir die Blaue Brücke mit ihrem Meisterwerk „Priscilla“ eröffnet.

Carsten Schuffert: Das hat mit dem Thema an sich jetzt nicht so viel zu tun, aber ich bin der Meinung, dass es in unserer Branche – also nicht nur im Kinosegment, sondern vor allem auf Produktionsseite – viel zu wenige Frauen gibt, die die Möglichkeit bekommen, ihre tollen Ideen umzusetzen. Aber zurück zu den Sälen: Auch wenn unser Geschmack jetzt nicht direkt die Richtung vorgab, würde ich doch sagen, dass wir fünf Persönlichkeiten gefunden haben, die die Vielfalt des Kinos recht gut widerspiegeln, die die Leidenschaft für Film und Kino repräsentieren und die dem Publikum generationsübergreifend ein Begriff sind.

Die ICTA haben Sie mit Ihren Häusern schon überzeugt. Wie sieht es denn beim Publikum aus, was lässt sich über die Resonanz sagen?

Carsten Schuffert: Wir haben es unlängst für das erste Quartal ausgewertet. Demnach kommen wir gegenüber dem Vorjahreszeitraum in der Blauen Brücke auf 30 und im Museum sogar auf 40 Prozent Zuwachs.

Robert Weihing: Solche Werte sind natürlich einfacher zu erreichen, wenn man von einem überschaubaren Niveau aus startet, aber mit der Richtung, die wir bislang eingeschlagen haben, sind wir ausgesprochen zufrieden.

Carsten Schuffert: Wir merken, wie sehr sich in der Stadt und dem Umland herumspricht, dass sich die Kinos verändert haben, dass ein neuer Geist durch die Tübinger Kinolandschaft weht. Das sehen wir nicht nur an den Zahlen, die kontinuierlich ansteigen, sondern wir merken es auch anhand der Rückmeldungen unserer Gäste, von denen etliche sagen, dass sie schon seit Jahren nicht mehr im Kino waren und jetzt zurückgefunden haben. Dass ist das größte und schönste Lob überhaupt.

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Sitzkomfort im Museum-Saal „Coppola“ (Credit: Ulrich Metz)

Gibt es denn Trends, die sich beim Besuchsverhalten abzeichnen?

Carsten Schuffert: Ich stelle tatsächlich fest, dass sich gewisse „Wahrheiten“ aus früheren Tagen ändern. Bei uns ist beispielsweise der Donnerstag zum schwächsten Tag der Woche geworden, während gerade Montag und Dienstag ausgesprochen gut besucht sind. Das hängt sicherlich auch mit den Angeboten zusammen, die wir dem Publikum machen. 

Robert Weihing: Neben all dem, was als Bundesstart zu uns kommt, legen wir großen Wert auf regelmäßige Programmreihen, die sich immer stärker herumsprechen, wie zum Beispiel unser „Apéro-Film“, eine Preview mit dazugehörigem Getränk, die Reihe „Mein Lieblingsfilm“ mit prominenter Begleitung, unser „Ukrainian Cinema“, das dank zahlreicher hier ansässiger Mitbürger aus der Ukraine fast immer ausverkauft ist – oder auch „Film & Faden“, unser Beitrag zum großen Trend, Kino und Handarbeiten wie Stricken oder Häkeln zu verbinden. All das und mehr sind Angebote, mittels derer man Menschen gut zu ‚Wiederholungstätern‘ machen kann. Sehr beliebt ist auch „Rewind – Nochmal im Kino“, wo gezielt noch einmal Highlights gezeigt werden, die vor ein paar Wochen oder Monaten aus dem Programm gerutscht sind; quasi als zweite und letzte Chance, sie doch noch auf der großen Leinwand zu sehen.

Carsten Schuffert: Wir streben ein möglichst vielfältiges und facettenreiches Programm an, dazu gehört natürlich auch alles, was nicht auf der Leinwand stattfindet. Gerade im Museum haben wir mit dem großzügigen Lounge-Bereich und der Bühne im großen Saal die Möglichkeit, ein riesiges Spektrum an Veranstaltungen zu uns zu holen; das reicht von Live-Konzerten über Diskussionsrunden bis hin zu Buchvorstellungen und vielem mehr. Auch Festivals wie die Französischen Filmtage, Cine Latina oder das Frauenfilmfest sind regelmäßig bei uns zu Gast. Das alles festigt den Ruf unserer Häuser als Orte der Kultur und des Austauschs, als Orte, an denen man zusammenkommen und ein tolles Erlebnis haben kann, an denen man auch über ein gutes Glas Wein hinweg miteinander reden kann.

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Saal „Tarantino“ im Kino Blaue Brücke (Credit: Ulrich Metz)

Tatsächlich bieten die Tübinger Kinos mit der „Unlimited“-Karte auch eine eigene Flatrate an. Wie wird diese angenommen?

Robert Weihing: Wir haben im Moment um die 450 Nutzerinnen und Nutzer, das ist schon in Ordnung, wenn man bedenkt, dass wir das Angebot erst vor etwa einem Dreivierteljahr gestartet haben. Vor allem kommen wir langsam in den Bereich, in dem es betriebswirtschaftlich auch Sinn macht. Denn natürlich sind die Heavy User die allerersten, die auf ein solches Angebot anspringen – und die heben den Besuchsschnitt natürlich erst einmal enorm. Aber mit der Zeit kommt man in vernünftige Regionen.

Gibt es denn Überlegungen, sich einem der bundesweiten Modelle anzuschließen?

Carsten Schuffert: Der Reiz gerade dieser Angebote liegt ja nicht zuletzt darin, dass sie vorwiegend in größeren Städten angeboten werden, in denen dann dank mehrerer teilnehmender Häuser auch ein gewisses ‚Kinohopping‘ möglich ist. Wir decken quasi die gesamte Stadt ab, insofern wäre die Beteiligung an solchen Modellen für das Tübinger Publikum nicht in ähnlicher Form mit diesem Mehrwert verbunden. Grundsätzlich finde ich aber, dass es gut ist, sich auszutauschen, Synergien zu suchen, ein Miteinander zu pflegen. Denn am Ende hilft es uns allen, wenn das Kino insgesamt floriert. Je mehr Kinos gute Angebote machen, desto besser.

Ein echter USP im Museum ist der Weindispenser mit seinen mehr als 40 Sorten. Bewährt sich dieses Konzept?

Carsten Schuffert: Und wie! Die Bezahlung erfolgt bei diesem System ausschließlich über eine aufladbare Guthabenkarte – und von der haben wir schon in den ersten paar Wochen über 1000 ausgegeben, mittlerweile sind wir bei über 1800. Ich werde so gut wie jede Woche auf diesen Weindispenser angesprochen, die Resonanz ist wirklich ganz hervorragend. Das zahlt enorm auf unsere Vorstellung vom Kino als Ort zum Verweilen ein. 

Robert Weihing: Ich war im Vorfeld ehrlicherweise ein wenig skeptisch in Bezug auf den Dispenser, denn es ist ja doch eine recht aufwändige Angelegenheit. Die Weinflaschen müssen luftdicht an ein Stickstoffsystem angeschlossen sein, ansonsten könnte man sie nicht geöffnet halten, ohne dass der Inhalt kippt. Aber umso positiver bin ich von der Resonanz überrascht. 

Carsten Schuffert: Wir lassen die Gäste auch nicht mit den 40 Sorten allein, jeder Wein hat seine eigene Karte, auf der er genau vorgestellt wird. Einmal im Monat machen wir in kleinerer Runde auch eine Weinprobe mit Sommelier, die immer gleich ausgebucht ist. Enorm praktisch ist, dass die gezapften Sorten automatisch im Computer erfasst werden, das erlaubt es uns, sehr schnell auf die Nachfrage zu reagieren. Wir haben zum Beispiel immer mehr Bio-Weine und wir haben auf direkte Nachfrage hin auch alkoholfreien Wein ins Angebot aufgenommen. Für diejenigen, die sich nicht damit beschäftigen wollen, haben wir aber an der normalen Bar aber auch zwei schöne offene Weine.

Robert Weihing: Mit der Karte schlagen wir übrigens zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn das ist nicht nur die Bezahlkarte für den Dispenser, sondern gleichzeitig auch unsere CineClub-Mitgliedskarte, mittels derer man einen Euro Rabatt aufs Ticket bekommt und Punkte für weitere Vorteile sammeln kann.

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Die Concessions-Theke im Kino Blaue Brücke (Credit: Bewegte Bilder)

Um abschließend den Spieß einmal umzudrehen. Wenn Ihnen die Auswahl eines Preisträgers obliegen würde – wer käme da potenziell zum Zug?

Carsten Schuffert: Ich fürchte, ich kann die Frage deshalb nicht spontan beantworten, weil ich etliche der spannenden Kinoprojekte der letzten Monate, darunter das EMOTION Kino Monheim und das Kinopolis HafenCity, zwar von Bildern kenne, mir aber noch keinen persönlichen Eindruck verschaffen konnte. Grundsätzlich finde ich es einfach großartig, was die Kollegen da machen, wie sie ganz im Sinne unserer Branche investieren. Ich persönlich bin zudem ein ausgesprochener Fan der alten Kinopaläste, da geht mir immer noch das Herz auf, wenn die toll in Schuss gehalten werden. Da denke ich natürlich an Häuser wie die Schauburg Karlsruhe oder die Lichtburg Essen. Am Ende verdient jeder einen Preis, der sich um Kino verdient macht.