Am 17. November lädt der internationale Arthouse-Verband CICAE in Zusammenarbeit mit Eurimages und Europa Cinemas erneut zum Europäischen Kinotag. Schon jetzt steht fest, dass Wim Wenders zu den prominenten Paten zählt, die diese besondere Veranstaltung begleiten. Weshalb, hat er für die CICAE in einem Grußwort formuliert, das auch Appell ist.
Während die Vorbereitungen zur 24. Filmkunstmesse Leipzig der AG Kino-Gilde gerade auf die Zielgerade gehen, in Berlin das Arthouse Cinema Training läuft und das Festival in Venedig kurz davor steht, seine Türen zu öffnen, wirft auch der diesjährige European Arthouse Cinema Day, der neunte europäische Kinotag, seine Schatten voraus. Erwartet werden am 17. November wieder Veranstaltungen in mehr als 700 Kinos in 40 Ländern auch über Europa hinaus. Und erneut werden prominente Patinnen und Paten diese große, internationale Feier der Vielfalt des Kinos unterstützen. Als erster Pate für den diesjährigen Jahrgang steht Wim Wenders fest, der dem Arthouse zuletzt mit „Perfect Days“ ein Oscar-nominiertes Geschenk machte.
In einem Grußwort, das auch als Appell zu verstehen ist, legt Wenders dar, was den vom internationalen Arthouse-Verband CICAE in Zusammenarbeit mit Eurimages und dem Netzwerk Europa Cinemas organisierten Europäischen Kinotag so besonders macht – und so wichtig. Die CICAE hat uns dieses Grußwort freundlicherweise zur verfügung gestellt:
Warum wir gerade jetzt das (Arthouse-)Kino brauchen
Die Europawahlen haben uns neulich wieder gezeigt: Wir befinden uns politisch in einer bedrohlichen Schieflage. Entsetzt starren wir auf die Wahlergebnisse und suchen nach Antworten. Warum folgen so viele Menschen den leeren Versprechungen von PopulistInnen, warum hinterfragen sie nicht, was diese ihnen verkaufen wollen. Hat die Geschichte deren nationalistische „Lösungen“ nicht längst ad absurdum geführt?
Wenn es etwas gibt, was vor billigem und gefährlichem Populismus schützen kann, dann sind es Bildung und Kultur. Ein wichtiger, aber von der Politik immer noch unterschätzter Teil davon sind Filme, Geschichten, die uns von unseren eigenen und von anderen Kulturen, Lebensentwürfen und Erfahrungen erzählen.
Und ebenso wichtig ist das Kino selbst als der Ort, an dem wir zusammen mit anderen eintauchen in eben jene Welten, die dazu beitragen, unseren Horizont zu erweitern und andere Sichtweisen, aber auch Geschichte selbst erfahrbar zu machen.
Es ist mein voller Ernst, wenn ich sage, dass die Rolle des Kinos von der Politik noch immer komplett unterschätzt wird. Filmbildung müsste in einer von bewegten Bildern dominierten Welt längst fester Bestandteil des regulären Schulunterrichts sein, so wie es die Bildenden Künste, die Musik und die Literatur längst sind. Heranwachsende müssen das Alphabet des Sehens und die Grammatik der Bilder beherrschen, denn nur so können sie überhaupt erkennen, wenn sie manipuliert werden, und das geschieht heutzutage mehr über Bilder als über Worte.
Der „Europäische Kinotag“ versteht sich zurecht als „globaler Aktionstag der Arthouse-Bewegung“. Für mich ist er der Tag, an dem wir uns als Kinoaktivistinnen und -aktivisten begreifen müssen, um gemeinsam, über alle geographischen, politischen und gesellschaftlichen Grenzen hinweg, dafür zu werben, dass wir unseren Horizont und unsere Sichtweisen erweitern: mit den klugen, spannenden und bewegenden Geschichten, und der Geschichte, die das (Arthouse-)Kino bereithält.