Auch in diesem Jahr nehmen wir Sie auf eine ganz persönliche Reise über die weltgrößte Kinomesse mit, teilen Erfahrungen und Erkenntnisse. Unmittelbar und ungefiltert. Und zunehmend positiv gestimmt ob des Gesamtbildes, das sich hier zusammenfügt.
„Ungefiltert“ ist ja eines der Adjektive, mit denen mein kleines Tagebuch überschrieben ist – und womöglich ist Ihnen während der ersten drei Folgen bereit aufgefallen, dass das in der Tat Programm ist. Einzelne Passagen mögen da durchaus ein wenig Fröhlichkeit vermissen lassen, aber das hat natürlich seinen Grund. Der sich völlig abseits der Leinwand abspielt.
Tatsächlich würde ich behaupten, dass ich in vielen, vielen Jahren noch nie auf einer Messe war, die so klar demonstriert hat, wie sehr das Kino in der Lage ist, Mauern einzureißen, Menschen zusammenzubringen, Emotionen teilen zu lassen – völlig abseits der Spaltung der Gesellschaft. Ich kann kaum in Worte fassen, wie gut ich mich dabei fühle, im Kreis von wildfremden Pressekollegen (die man in Deutschland ja nun eher manchmal ein wenig spaßbefreit erlebt) gemeinschaftlich zu jubeln, wenn Brad Pitt in einer visuell einfach nur brachial tollen Sequenz zum Überholmanöver ansetzt. Wenn Ryan Gosling an der Seite von Sandra Hüller spielen darf. Wenn ein Orchester die Universal-Fanfare (und noch viel, viel mehr) live einspielt.
Wann drückt ein Film bei mir wirklich alle Knöpfe? Wenn ich das Tippen vergesse. Was hier in einem eigenen Pressebereich übrigens ausdrücklich gestattet ist. Ich hatte das zwar schon letztes Jahr geschrieben, aber ich betone das gerne noch einmal. Der Umgang mit der Presse hier ist einfach nur vorbildlich, eine reine Freude, die komplette Antithese zur Praxis in Barcelona.
Wie sehr Antithese? Keine zehn Minuten, nachdem ich diesen Absatz geschrieben hatte, kam Messeorganisator Mitch Neuhauser in den Presseraum, um ein kurzes Hallo in die Runde zu werfen, sich nach dem Wohlbefinden und etwaigen Fragen zu erkundigen, ein klein wenig Smalltalk zu halten. Schön. Einfach schön.
Aber weiter im Text: Wenn man im Colosseum sitzt, wenn das Licht ausgeht, wenn die Studios aus allen Rohren feuern (was man in einem Fall auf der letztjährigen CineEurope erlebte, kann man sich hier schlicht und ergreifend nicht vorstellen) – dann ist die Welt in Ordnung. DANN IST KINO! Und wie.
Leider ist selbst die beste Präsentation irgendwann vorbei – und auch wenn ich persönlich bei der CinemaCon beinahe in einer ganz eigenen Bubble lebe, die wenig mehr als Kinothemen (und Kalorienangaben auf Speisekarten…) an mich heranlässt, kann man sich doch nicht ganz von dem Wahnsinn abkapseln, der hier in den USA abläuft. Wir leben in einer Zeit, in der Menschen es absolut ernst meinen, wenn Sie mir raten, den Namen eines US-Präsidenten in keiner Korrespondenz zu verwenden – zumindest in keiner negativen. Auch wenn die Gespräche mit US-Branchenvertretern in der Regel bewusst unpolitisch ausfallen, gibt es doch auch diejenigen, die ungefragt ihre Ansichten mitteilen. Dass das bis jetzt Menschen waren, mit denen ich d’accord gehen würde, ist vermutlich eher Glück als statistischer Meinungsverteilung geschuldet.
Ich kann es nicht leugnen: Das lässt mich nicht unberührt, das beeinflusst womöglich auch die Art und Weise, wie ich Aussagen auf der Bühne wahrnehme. Man ertappt sich durchaus dabei, sie mitunter in einem Ausmaß zu hinterfragen, das noch vor einem Jahr kaum denkbar gewesen wäre. Dass mich Rivkins Ansprache nicht unbedingt für ihn einnahm, haben Sie womöglich zwischen den Zeilen erkannt ;-); beim heutigen Termin der Angel Studios wollte ich das eine oder andere Mal in den Kaffeebecher beißen. Und wenn Sie glauben sollten, das sei arg negativ formuliert, fragen Sie mal einen europäischen Hersteller/Dienstleister, was die Nachrichten rund um den vom Zaun gebrochenen Handelskrieg mit ihm machen… („Ich bin froh, hier weg zu kommen!“ ist ein reales Zitat…) Dass man abseits des eigentlichen Messegeschehens hinter vorgehaltener Hand über (neuerliche) Entlassungswellen an der einen oder anderen Stelle spricht, gehört zudem auch zur Wahrheit.
Aber genug der kritischen Einordnung. Am Ende könnten Sie noch auf die Idee kommen, wir hätten hier keinen Spaß. Und ob wir den haben! Leider habe ich es versäumt, schlicht ein Foto von den Gesichtern beim Verlassen des Screenings von „Drachenzähmen leicht gemacht“ zu schießen. Das hätte Ihnen alles über den Film gesagt, was man wissen muss – ohne, dass ich dafür ein Embargo hätte verletzten müssen. So viel Spoiler wird erlaubt sein: Die Leute sahen jetzt nicht unbedingt so aus, als hätten sie gerade in eine Zitrone gebissen…
Was wiederum bei der Universal-Präsentation abging, lesen Sie am besten im ausführlichen Nachbericht. „Wie cool war das denn?“ bzw. „That was freaking amazing!“. DAS sind die Dinge, die wir nicht nur hören wollen, sondern selbst am liebsten sagen. Und allen traurigen politischen Begleiterscheinungen zum Trotz hier auch immer und immer wieder sagen dürfen. Guten Gewissens.
DER SPOT-PROMICOUNTER:
Stargäste bei der Sony-Präsentation
Danny Boyle (28 Years Later), Nia Dacosta (28 Years Later: The Bone Temple), Phil Lord, Justin K. Thompson & Bob Persichetti (Spider-Man: Beyond the Spider-Verse), Darren Aronofsky (Caught Stealing), Zach Cregger (Resident Evil), Kogonada (Big Bold Beautiful Journey), Tyree Dillihay (Goat), Ralph Macchio & Ben Wang (Karate Kid Legends), Destin Daniel Cretton (Spider-Man: Brand New Day), Sam Mendes , Paul Mescal, Joseph Quinn, Barry Keoghan & Harris Dickinson (The Beatles)
Stargäste bei der Lionsgate-Präsentation
Ana de Armas & Len Wiseman (Ballerina), Francis Lawrence, David Johnson, Mark Hamill (The Long Walk), Ruben Fleischer (Now You See Me, Now You Don’t), Paul Feig, Amanda Seyfried, Sydney Sweeney & Brandon Sklenar (The Housemaid), Trey Edward Shults, Jenna Ortega & The Weeknd (Hurry Up Tomorrow)
Stargäste bei der Warner-Präsentation
Regina Hall, Teyana Taylor & Leonardo DiCaprio (One Battle After Another), Maggie Gyllenhaal & Jessie Buckley (The Bride!), Zach Cregger (Weapons), Jerry Bruckheimer & Joseph Kosinski (F1), Bill Hader (The Cat in the Hat), David Corenswet, Rachel Brosnahan & Nicholas Hoult (Superman)
Stargäste bei der Universal-Präsentation
Gareth Edwards, Scarlett Johansson & Mahershala Ali (Jurassic World: Rebirth), Craig Robinson & Awkwafina (Die Gangster-Gang 2), Dean DeBlois, Gerard Butler & Nico Parker (Drachenzähmen leicht gemacht), Tyriq Withers & Marlon Wayans (Him), Jason Blum & James Wan (Blumhouse-Slate), Madeleine McGraw (M3gan 2.0), Cynthia Erivo, Ariana Grande, Marc Platt & John M. Chu (Wicked: For Good)
Stargäste bei der Amazon/MGM-Präsentation
Phil Lord, Christopher Miller & Ryan Gosling (Project Hail Mary), Luca Guadagnino, Andrew Garfield & Ayo Edebiri (After the Hunt), Chris Pratt & Timur Bekmambetov (Mercy), Bart Layton, Chris Hemsworth & Halle Berry (Crime 101), Vivica A. Fox, Kara Young & Mallori Johnson (Is God Is), Gavin O’Connor, Ben Affleck, Jon Bernthal, Danielle Pineda & Cynthia Addai-Robinson (The Accountant)
Ach ja: Der diesjährige Sonderpreis für „Bestes Messetiming ever“ geht an Samsung, die eine „Special Presentation“ des neuen Onyx exakt auf die Zeitspanne der Universal-Präsentation gelegt haben. An einem Tag, an dem der halbe Nachmittag ohne festen Programmpunkt war… Egal, schau ich mir heute früh an. Wenn ich dann schon alle Eindrücke eines Tages verdaut habe, an dem nach den Universal-Paukenschlägen auch Amazon MGM nicht nur einen, nicht nur zwei, nicht nur drei raushaute. Mit einem Auftritt, bei dem der internationale Verleiharm offiziell bestätigt wurde, nach dem zwar (natürlich!) über die potenzielle Länge des Fensters bei Amazon-Filmen gesprochen wurde, bei dem man sich aber jede nur erdenkliche Mühe gab, eine Botschaft zu vermitteln: Wir machen KINO!
Ein Tag, der mich beinahe meine Enttäuschung darüber vergessen lässt, dass das wunderbare GWP zum VIP-Vorverkauf eines „LotR“-LEGO-Sets schon vergriffen war, als ich aus den Federn kam. Damn…
Ein Tag, der so voller Eindrücke war, dass ich vermutlich gerade die Hälfte dessen vergesse, was mir zwischen Spielautomaten und unfassbar teurem Kaffee durch den Kopf tanzte. Aber lassen Sie sich das gesagt sein: Das Stimmungsbarometer hat hier mittlerweile jene Regionen erreicht, die man sich wünscht. Mit einer großen Ausnahme: The One who must not be named wirft seinen Schatten auch über diese Veranstaltung. Zumindest in den Hinterköpfen.