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Tommy Pridnig über die Panorama-Eröffnung mit „Welcome Home Baby“: „Eine sehr pure Form von Kino“

Tommy Pridnig von Lotus Film hat mit „Welcome Home Baby“ erstmals mit Andreas Prochaska zusammengearbeitet. Wir sprachen mit dem Produzenten über die Erfahrung und was es ihm bedeutet, den Eröffnungsfilm der Berlinale-Reihe Panorama zu stellen.

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Tommy Pridnig (Credit: Lotus-Film)

„Welcome Home Baby“ von Andreas Prochaska eröffnet das Panorama der 75. Berlinale. Mit Ihrer Lotus Film sind Sie Hauptproduzent. Was sagen Sie zu dieser starken Platzierung?

Tommy Pridnig: Es freut uns total. „Welcome Home Baby“ war von Anfang an einen klar definierten Kinofilm. Es ist ein Bilderfilm, bei dem es ganz viel ums Sehen, ums Schauen und ums Spüren geht. Es stand für uns fest, dass wir damit ins Kino gehen und uns gar nicht erst damit aufhalten, ihn vorab in anderen Medien unterzubringen. Das Kino hat sich in den letzten Jahren verändert, auch unter dem Einfluss der Streamer. Das Kino ist wieder zu einem verlässlichen Medium geworden und dadurch auch verstärkt wieder zum führenden Ort einer audiovisuellen Branche insgesamt, vor allem im fiktionalen Bereich. Diese Führungsrolle lag in den letzten Jahren bei den Streamern, die die Möglichkeit hatten, mit Geld und der dadurch entstandenen Freiheit, Dinge zu ermöglichen die es bis dahin nicht gab. „Welcome Home Baby“ ist ein spannender Psychothriller geworden, der in Form, Art und Farbe ein leuchtendes Beispiel für eine sehr pure Form von Kino. Deswegen ist es umso schöner, ihn auf der Berlinale, noch zudem als Eröffnungsfilm des Panorama und im Zoopalast zeigen zu dürfen.

„Der gegenseitige Wunsch, ein gemeinsames Projekt anzugehen, war vorhanden.“

Es ist bezeichnend, dass Andreas Prochaska mit „Welcome Home Baby“ zum Kino zurückkehrt. Sein letzter Kinofilm war „Das finstere Tal“ von 2014. Dazwischen liegen viele erfolgreiche Fernseharbeiten. Bezeichnend ist ebenso, dass es die erste Zusammenarbeit mit Lotus-Film ist. Wie kam das Projekt zu Ihnen?

Tommy Pridnig: Dem ging eine jahrelange Annäherung voraus. Andreas und ich haben uns immer gut verstanden, haben über viele Jahre immer wieder Gespräche geführt, über verschiedenste Themen. Der gegenseitige Wunsch, ein gemeinsames Projekt anzugehen, war vorhanden. „Welcome Home Baby“ war nun, neben anderen gemeinsamen Entwicklungen, der erste Stoff, bei dem es funktioniert hat. Ich denke der Titel des Filmes ist auch anwendbar auf das Gefühl, das ist habe, mit Andreas wieder zum Kino zurückzukehren. 

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Andreas Prochaskas „Welcome Home, Baby“ mit Julia Franz Richter (Credit: Lotus Filmproduktion, Senator Film)

Kino verlangt auch andere Förderstrukturen…

Tommy Pridnig: Das ist richtig. Hilfreich dabei war ein neues Anreizmodell in Österreich. Mit ÖFI+ haben wir die Möglichkeit bekommen, auf internationalem Standard zu produzieren. Unverzichtbar und hoffentlich kann man es erhalten. Gleichzeitig haben wir mit der Senator Filmproduktion und der WildBunch Germany zwei wichtige Koproduktionspartner gewinnen können. Dadurch konnten wir die Mittel zusammenbekommen, die wir uns für diesen Film gewünscht und auch gebraucht haben. 

Also war es ein Spaziergang?

Tommy Pridnig: Das ist es nie. Es gab in meiner Karriere Projekte, von denen ich dachte, dass sie sich so gut wie von allein finanzieren, und dann ging es nur schwer oder gar nicht voran. Und es gab andere, die ich als harte Nuss ansah, die dann aber relativ leicht aufzugleisen waren. Im Falle von „Welcome Home Baby“ hatte ich tatsächlich große Zuversicht, weil so viele großartige Komponenten zusammenkamen, die auch die Basis einer erfolgreichen Finanzierung sind. Das ist das Talent, das sind die Kreativen, das ist die Reputation, das sind die Partner, die man mitbringt und alle die sich einem anschließen. Insbesondere braucht es natürlich ein überzeugendes Buch und an dieser Stelle geht mein Dank an Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb, die gemeinsam mit Andreas Prochaska die Basis geschaffen haben, aus der alles andere entstanden ist. 

„Ich war Teil der Entscheidung, eine gewisse Freiheit zu schaffen.“

Warum war die Senator Filmproduktion der richtige Partner?

Tommy Pridnig: Uns verbindet eine langjährige Zusammenarbeit, wir haben gemeinsam den großen TV-Zweiteiler „Riesending – Jede Stunde zählt“ für ARD und ServusTV umgesetzt. Bei diesem Projekt hatten wir aus verschiedenen Gründen die Gelegenheit uns gut kennenzulernen. In Zeiten wie diesen, wo es viele Filmfirmen-Neugründungen gibt, wo der Markt auch im Bereich der Herstellung unübersichtlich ist, ist es wichtig und essenziell, verlässliche Partner zu haben. Die Senator Filmproduktion mit Ulf Israel und Reik Möller sind eines jener Unternehmen, denen wir vertrauen. Darauf kommt es am Ende an. 

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„Welcome Home, Baby“ (Credit: Lotus Filmproduktion, Senator Film)

Auch wenn man sich schon kannte, gemeinsam viele Jahre vorher nach einem Projekt gesucht hat, dennoch war es Ihre erste Zusammenarbeit mit Andreas Prochaska. Wie haben Sie ihn im kreativen Prozess erlebt? 

Tommy Pridnig: Ich bin jemand, der gerne mit kreativen Menschen arbeitet, die viel Erfahrung mitbringen. Eine besondere Dynamik entsteht, wenn sie neues wagen und mutig sind. Wir leben in einer Zeit, in der Geschwindigkeit zählt und in der Zuwendung zu etwas schon als verdächtig gilt, weil sie bremsen könnte. Besondere Talente, besondere Fähigkeiten und Erfahrungen, das reizt uns. Genauso ist es bei Andreas. Ich kenne sein Werk, ich kenne seine Filme. Ich habe ihn als jemanden kennengelernt, der seine eigenen Grenzen auslotet und sie auch lustvoll überschreitet. Mein Beitrag war, abgesehen von der in einem Interview wenig spannenden Darstellung einer produzentischen Tätigkeit, ihm zu vertrauen und vielleicht, wenn es nötig war, Grenzen zu verschieben. Die Arbeit an „Welcome Home Baby“ war sowohl für ihn als auch für uns nichts, was wir jeden Tag machen. Zum Beispiel haben wir entscheiden, den Film überwiegend chronologisch zu drehen. Das Buch hat sich dafür grundsätzlich angeboten, jedoch schafft es allerhand Umstände, die wir üblicherweise gerne vermeiden. Das Potential, das sich daraus entwickelt, ist aber enorm. Die Freiheit, die entsteht, ist Chance und Hürde zugleich. Das muss man annehmen können und die Kunst dabei liegt darin, es zu nutzen. Ich war Teil der Entscheidung, auch eine gewisse Freiheit zu schaffen, verwertet hat sie Andreas Prochaska, der Cast und das Team. Insbesondere Julia Franz Richter, sie ist in nahezu jedem Kader dieses Films zu sehen und das ist sehr beeindruckend.

Kino eben.

Tommy Pridnig: Wie eingangs gesagt, hat sich das Kino wieder viel von dem zurückgeholt, was es immer ausgezeichnet hat, hat die, auch von mir oftmals düster gezeichneten Prognosen vor, während und nach Corona abgeschüttelt. Das Wesentliche ist, dass du im Kino die Möglichkeit hast, Inhalte und Stile frei zu erzählen und somit auch neu zu erzählen. Das war eine Fähigkeit, die das Kino zwischenzeitlich verloren hatte und durch die Dominanz der Streamer an diese abgegeben hat… Jetzt aber hat das Kino sich die Vorherrschaft in Sachen fiktionaler Erzählform und Weiterentwicklung in diesem Bereich wieder zurückgeholt. Das ist gut so, weil es keinen direkteren und radikaleren Ort gibt, Geschichten zu erfahren als im Kino. 

„Auf was man sich verlassen kann, sind Innovation und Eigenständigkeit.“

Nach „Des Teufels Bad“ schafft es schon wieder ein Psychothriller aus Österreich auf ein A-Festival. Sind diese Stoffe gerade besonderes gefragt? Haben die Österreicher ein Händchen dafür? 

Tommy Pridnig: Es ist schwierig, eine eindeutige Antwort zu geben, weil sich die Sehbedürfnisse im Vergleich zu früher einfach immer schneller verändern.  Wenn man heute an einem Projekt arbeitet, lässt sich unmöglich vorhersagen, ob es bis zur Fertigstellung noch im Mainstream liegt oder ob sich das längst überlebt hat. Das führt uns wieder zum Thema Schnelllebigkeit und Zeitgeist. Auf was man sich verlassen kann, sind Innovation und Eigenständigkeit. Genau die beiden Attribute sind wieder groß da und mit dieser Strategie ist man in der rasenden Zeit gut beraten. 

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Eröffnungsfilm des Berlinale-Panorama: „Welcome Home Baby“ (Credit: Lotus Filmproduktion, Senator Film Produktion)

Abschließend noch eine Frage zur Lotus Film. Sie führen das Unternehmen seit einem guten Jahr ohne Ihren langjährigen Partner Peter Wirthensohn. Was hat sich verändert?

Tommy Pridnig: Die Lotus Film steht gut da. Seit Peter Wirthensohn ausgeschieden ist, sind einige neue Mitarbeiter:innen dazugekommen. Kurzfristig habe ich die Firma zu 100 Prozent übernommen, habe aber einen Partner, Clemens Wollein, der jetzt am Unternehmen beteiligt wurde. Zu meinem Glück. Es ist interessant, die Veränderungen der letzten Jahre haben einfach ganz viel Dinge einfacher gemacht. Während Corona hatte ich mich noch gefürchtet vor den beruflich prognostizierten Veränderungen und hatte das Gefühl, ich muss ganz schnell und radikal handeln. Ich habe dann, auch aus einer gewissen Überforderung beschlossen, Dinge auszusitzen und abzuwarten. Eine Fähigkeit, die ich rückblickend betrachtet, beherrsche und in der ich offensichtlich viele richtige Entscheidungen getroffen habe, weil wir heute als Team sehr gut funktionieren. Ich habe das Gefühl, dass mein Team viele Bedürfnisse, die ein Unternehmen wie unseres hat, toll abdeckt. Aktuell arbeiten wir auch noch einen großen Kino-Dokumentarfilm, „Müssen wir alle sterben“ von Werner Boote, und lassen damit eine langjährige Kinodokumentarfilm Tradition der Lotus Film wieder aufleben. Darüber hinaus werden wir im Sommer die zweite Staffel einer sehr erfolgreichen Fernsehserie realisieren, „Die Fälle der Gerti B“ von Sascha Bigler gemeinsam mit dem ORF. Als österreichisches Filmproduktionsunternehmen müssen wir aufgrund der Überschaubarkeit unseres Markts breit aufgestellt sein und versuchen, unser Knowhow in mehreren Produktionsbereichen zu entwickeln. Das gelingt. 


Das Gespräch führte Barbara Schuster