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Schauspielerin Derya Akyol über „Euphorie“: „Wir waren wie eine Familie“ 


Derya Akyol spielt in „Euphorie“, der deutschen Version des israelischen Originals, die Hauptrolle. Auf dem 42. Filmfest München feiert die Produktion von Zeitsprung Pictures für RTL Deutschland Weltpremiere. Wir sprechen mit der Newcomerin über diese besondere Erfahrung, das Casting bei Liza Stutzky, das Eintauchen in eine komplexe Figur – aber auch über ihre bisherige Karriere als sehr erfahrene Synchronschauspielerin. Lustigerweise war sie eine der Stimmen der US-Version mit Zendaya. 

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Das Original stammt aus Israel, aber die Welt spricht natürlich über die amerikanische Version von Sam Levinson: Als Serie auf HBO wurde „Euphoria“ zur Sensation und machte aus Zendaya, Jacob Elordi und Sydney Sweeney Weltstars. Jetzt haben sich Creator Jonas Lindt und die Kölner Zeitsprung Pictures, die aktuell 40. Firmenjubiläum feiert, des Stoffes angenommen und mit „Euphorie“ eine eigene Variante geschaffen, die ebenso edgy und provokativ das Lebensgefühl einer jungen Generation zelebriert. 
Die weibliche Hauptrolle der von Liza Stutzky gecasteten Serie für RTL Deutschland spielt Derya Akyol. Vor der Weltpremiere auf dem Filmfest München baten wir sie zum Gespräch. (Credit: Sonja Tobias)

Sie spielen die Hauptrolle in „Euphorie“, der deutschen Version des israelischen Originals, das bereits ein sehr erfolgreiches US-Remake mit Zendaya erfuhr. Was hat Sie angesprochen?  

Derya Akyol: Einfach alles. Die Drehbücher habe ich erst vor der finalen Casting-Runde geschickt bekommen. Ich fing an zu lesen und wollte ab einem gewissen Zeitpunkt gar nicht weiterlesen, weil ich dachte: Wenn ich diese Rolle jetzt nicht bekomme, bin ich richtig traurig. Die Bücher waren so cool, und ich konnte mir das richtig gut vorstellen. Sie boten als Schauspielerin so viele Möglichkeiten, meine Rolle durfte so viele Sachen spielen! Ein solches Angebot bekommt man in Deutschland eher selten. Es ist nicht nur die Story an sich. Die Vielfalt an Szenen — sowohl sehr deep als auch komödiantisch — bieten mir als Schauspielerin die Möglichkeit, viele Facetten zu zeigen und mich auszuprobieren. Ich durfte einfach auch tolle Sachen machen wie eine Tanz-Choreo am Kölner Dom. Insgesamt waren es faszinierende Settings. Und dann hat es geklappt! Das war erst mal ein Schock. 

Insgesamt sticht „Euphorie“ hervor durch einen interessanten, diversen jungen Cast. Casting Director war Liza Stutzky, die ein Händchen hat für Entdeckungen und junge Gesichter. Wie haben Sie den Casting-Prozess mit ihr erlebt? 

Derya Akyol: Im letzten Jahr war ich sehr oft bei ihr. Ich habe bei ihr meine größten Rollen bekommen. Vor 2024 umfasste meine größte Rolle ca. sieben Drehtage. 2024 habe ich im März schon eine Hauptrolle gedreht, wo Liza den Cast zusammengestellt hat, das war ein Film für Warner Bros., bei dem auch mein „Euphorie“-Kollege Kosmas Schmidt dabei war. Parallel dazu kam das „Euphorie“-Casting, und jetzt hat es auch noch mit der Hauptrolle für einen Kinofilm geklappt. Liza und ihr Team arbeiten mit einem auf Augenhöhe. Ich habe das erste Mal die Zusammenarbeit mit ihr erlebt, als sie eine Anspielperson brauchten. Dabei habe ich viel gelernt. Ich empfand das wie einen Workshop. Generell wurde mir bei Liza klar, dass niemand was Böses will, dass es kein richtig oder falsch gibt, dass es manchmal am Gefühl liegt, ob es klappt mit einer Rolle oder nicht. Es ist ein Miteinander. Man selbst guckt auch, ob eine Rolle zu einem passt und ob man die Leute gut findet, die das Projekt machen.  

„Für mich war ein Casting erfolgreich, wenn ich das umsetzen konnte, was ich mir vorgenommen habe.“

Können Sie vollkommen entspannt zu Castings gehen? 

Derya Akyol: Die Erfahrung bei Liza und ihrem Team als Anspielperson hat mir tatsächlich den Druck aus Castings rausgenommen. Ich bin nicht mehr so sehr aufgeregt. Mir ist klargeworden: Die Entscheidung liegt nicht bei mir. Ich kann nur gut vorbereitet dorthin gehen. Für mich war ein Casting erfolgreich, wenn ich das umsetzen konnte, was ich mir vorgenommen habe, unerwartete Dinge entstanden sind und es Spaß gemacht hat. Ich erinnere mich an ein Casting mit Halima Ilter, meiner Spiel-Mutter in „Euphorie“. Nachdem die Casting-Szene vorbei war, haben sie uns improvisieren lassen. Da sind Sachen entstanden, die nicht planbar waren, die sich währenddessen aber so gut angefühlt haben, so echt, und die so Spaß gemacht haben… genauso so was macht ein Casting erfolgreich: Dass coole Sachen entstehen und man sich selbst gut fühlt damit. Die Entscheidung habe ich nicht in der Hand. Ich persönlich versuche danach, das Casting immer zu vergessen… Wenn es sich für mich gut angefühlt hat und ich was gelernt habe dabei, ist es für mich ein erfolgreiches Casting gewesen. Gut finde ich auch, wenn man Feedback bekommt, auch wenn es nicht funktioniert hat. Mit konstruktiver Kritik kann man weiter selbst an sich arbeiten.  

Die US-Version, „Euphoria“, ist auch hierzulande sehr populär. Kannten Sie die Serie vor der Anfrage? 

Derya Akyol: Ich kannte die Serie, weil ich in der deutschen Synchro mit dabei war und die Rolle Ashtray gesprochen habe. Das ist ein minderjähriger Junge unter 16. In Deutschland ist es nicht erlaubt, Minderjährige auf harte Rollen zu besetzen. Aber privat geguckt hatte ich die Serie damals trotzdem nicht. Zur Vorbereitung auf unseren Dreh habe ich das nachgeholt, wobei es mir nicht darum ging, irgendetwas abzuschauen oder nachzumachen. Die beiden Remakes kann man nicht vergleichen, allein aus dem Grund, weil die Amerikaner wesentlich mehr Budget hatten und die Themen auch anders gelagert sind. In unserer Serie werden wirklich Themen von Teenagern aus Deutschland verhandelt. Von einem Vergleich sollte man sich lösen.  

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Ihren anderen jungen Kolleg:innen erlebt? 

Derya Akyol: Wir haben im Juni mit den Proben begonnen und ab Juli gedreht. Im Sommer entstanden die Schulszenen, und wir haben uns bald selbst wie eine Schulklasse gefühlt. Auch nach einem Drehtag haben wir zusammen etwas unternommen. Wir waren ein Team, das zusammenhält. Gut war, dass wir außerhalb des Sets auch über die harten Themen gesprochen haben, die sehr realitätsnah sind. Ein wenig schade war, dass ich ab Oktober/November fast allein war, mit noch intensiveren Szenen. Da habe ich mir oft unseren Cast an meine Seite gewünscht. Wir waren wie eine Familie.  

Sie haben erstmals mit einem Regieduo gearbeitet, André Szardenings und Antonia Leyla Schmidt. Was war das für eine Erfahrung?  

Derya Akyol: André und Antonia haben sich in Folgen aufgeteilt. Beide sind jung und entsprechend auch bei den Themen nah dabei, konnten sich wie wir Schauspielenden reinversetzen in die Thematiken. Das fand ich stark. Beide hatten eine unterschiedliche Art zu arbeiten, was interessant war, weil man dadurch in verschiedene Richtungen geleitet wurde, aus sich selbst rauskam. Beides war spannend. Kameramann Jonathan Ibeka war jeden Drehtag dabei und hat eine wichtige Konstante gebildet. So wurde der Austausch mit der Kamera zusätzlich sehr intensiv und bedeutend für das Zusammenspiel mit beiden Regisseuren. 

„Die größte Herausforderung waren aber sicherlich die ganzen Drogen, die ich in meiner Rolle konsumiere.“

Zurückblickend: Was war bei „Euphorie“ die größte Herausforderung? 

Derya Akyol: Es gab sehr tolle, aber auch schwierige Zeiten. Insgesamt war der Zeitdruck heftig. Das haben wir Schauspielende gespürt. Bei der Rollenarbeit gab es viele Dinge, die ich noch nie gespielt hatte. Großen Respekt hatte ich vor den Intimszenen. So etwas gehört natürlich zum Schauspiel dazu, trotzdem ist es eine Überwindung. Wir hatten eine tolle Intimacy-Koordinatorin, die uns super durchgeleitet hat. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich vor solchen Szenen überhaupt keine Angst mehr habe. Die größte Herausforderung waren aber sicherlich die ganzen Drogen, die ich in meiner Rolle konsumiere. Mila nimmt alles mögliche. Da war die Frage: Wie stellt man diesen Vorgang authentisch dar, wie unterscheiden sich die Wirkungen der verschiedenen Drogen? Wie sind die Sprachfehler, wie verändern sich die Augen, der Kiefer, wie spricht man, wie bewegt man sich? 

Sie mussten aber keinen Feldversuch am Bahnhof Zoo machen… 

Derya Akyol: Ich habe tatsächlich sehr viel TikTok und YouTube als Recherche genutzt. Auf YouTube gibt es einen Typen, der Selbstexperimente macht und genau festhält, was nach so und so viel Minuten passiert, wenn man diese oder jene Droge nimmt. Bei TikTok gibt es Material zu Panikattacken, Lorazepam-Sucht etc. Da gibt es Leute, die sich dabei filmen. Außerdem habe ich mich mit einem Psychologen unterhalten. Er hatte auch versucht, mich in eine Psychiatrie zu bringen. Das hat aber nicht funktioniert. Mein iPad war voller Notizen, ich habe mir alles genau aufgeschrieben, damit ich die Dinge gut abrufen konnte.  

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Derya Akyol ist bereits seit vielen Jahren als Synchronschauspielerin im Geschäft. (Credit: Sonja Tobias)

Ihre Ursprünge liegen in der Synchronarbeit. Sie haben schon bei etlichen großen US-Produktionen mitgewirkt, haben u.a. Jenna Ortega, Isabela Merced oder Storm Reid gesprochen… Was bedeutet Ihnen dieser Teil Ihres kreativen Schaffens? 

Derya Akyol: Ich habe mit der Synchronarbeit bereits als Kind begonnen. Ich stand mit sechs Jahren das erste Mal im Studio, bin als Hobby damit aufgewachsen. Insofern sind die Leute aus der Sychronbranche wie eine Familie. Ich liebe bei dem Job die krasse Abwechslung, dass man so unterschiedliche Rollen hat, von einer Marvel-Figur bis zu einem sprechenden Auto oder einem sprechenden Stachelschwein. Man kommt an krasse Produktionen ran, die man in Deutschland niemals drehen würde. Schade finde ich, dass die Synchronarbeit in Deutschland ein wenig ein Schattendasein fristet. Die Sprecharbeit wird etwas abschätzig behandelt. Eine gute Synchro kommt der Schauspielerei gleich. Als Synchronschauspielerin mache ich wirklich nicht weniger als die Schauspielerin vor der Kamera.  

Haben Sie Sorge, dass die Arbeit abnimmt, weil KI da eventuell mehr und mehr übernimmt? 

Derya Akyol: Das ist auf alle Fälle Thema in der Branche. Ich glaube, dass die wirklich hochwertigen, qualitativen Projekte verschont bleiben. Die Leute wollen echte Stimmen hören. Dort, wo es um Gefühle geht, wo die Leute mitempfinden müssen, wird eine KI nicht rankommen. Aber bei Videospielen, Voiceover-Projekten etc. kann ich mir das schon vorstellen. KI als Tool muss nicht schlecht sein, aber sie ist sicher kein Ersatz für Kunst. Kunst zeichnet sich durch Emotionen aus, durch die Erfahrungen von Menschen, auch durch Fehler, das Nicht-Perfekte. 

Was steht bei Ihnen an? 

Derya Akyol: Ich darf noch nichts Genaues verraten, nur so viel, dass ich die Hauptrolle in einem tollen historischen Kinoprojekt spielen werde, dessen Dreharbeiten im Spätsommer losgehen. Das ist das Tolle an dem Beruf: Das Jahr ist nicht durchgeplant, jeden Tag kann ein Anruf kommen, der die nächsten Wochen und Monate verändert. Ich bin für alles offen und bin gespannt, welche Projekte noch kommen. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster