Sky-Deutschland-COO Elke Walthelm lenkt seit vielen Jahren die Geschicke der Pay-TV- und Streaming-Plattform mit. Zum „White Lotus“-Staffelende und dem „The Last of Us“-Staffelstart fragt SPOT, welche Rolle HBO-Serien künftig für den Inhalte-Mix spielen können. Walthelm spricht auch über aktuelle Reality- und Doku-Erfolge.

Seit 20 Jahren sind Sie schon bei Sky Deutschland tätig, was in der so schnelllebigen Medienbranche umso bewundernswerter ist. Ist Ihnen aber als COO in diesem Jahr auch zum Feiern zumute?
Elke Walthelm: Der Markt ist dynamisch. Wenn es eine Konstante in den vergangenen 20 Jahren gab, dann dass ständig Veränderungen stattfinden. Sei es die Technologie, wie wir unsere Inhalte anbieten, seien es auch die Zuschauerbedürfnisse, wie die Inhalte genutzt werden. Damals gab es nur lineare Sender per Satellit und Kabel zu empfangen. Heute leben wir, was die Streaming-Landschaft betrifft, in einem ganz anderen kompetitiven Umfeld. Allein die Tatsache, dass guter Content nach wie vor sehr nachgefragt ist, ist ein Grund zu feiern. Auch die Bereitschaft dafür zu bezahlen, hat über die vergangenen Jahre stark zugenommen. Wir freuen uns, Teil dieses Wachstumsmarkts zu sein. Deswegen ist im Streaming auch die Marke Wow so wichtig für uns. Gleichzeitig das Thema Aggregation, das wir heute mit Sky Stream bespielen und auch hier eine steigende Nachfrage sehen. Natürlich gibt es über all meine Aufgabenbereiche hinweg immer wieder neue Herausforderungen, aber die Marktentwicklung ist doch unglaublich spannend. Wir haben bislang immer die richtigen Antworten auf diese Entwicklungen gefunden und schauen zuversichtlich in die Zukunft.
Während wir hier am Montagmittag sprechen, schwänzen wahrscheinlich gerade nicht wenige Menschen in Deutschland ihre Arbeit, um das in der Nacht ausgestrahlte epische „The White Lotus“-Finale der dritten HBO-Staffel bei Sky nachzuholen. Inwiefern sind Sie mit der vorläufigen Resonanz auf dieses Format zufrieden?
Elke Walthelm: Wir sind sehr zufrieden mit der Nutzung und der steigenden Nachfrage, was „The White Lotus“ angeht. Wir konnten schon fast eine Verdreifachung der Nutzung von Staffel eins auf Staffel zwei verbuchen. Die finale Auswertung der dritten Staffel ist allerdings noch nicht da, weil wir uns die Nutzung immer über die ersten sieben Tage und dann nochmal nach 28 Tagen anschauen. Die Indikation zeigt aber schon jetzt, dass sich die Serie erneut deutlich gesteigert hat und wir von einer weiteren Verdoppelung ausgehen können. Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit Content. Solch eine Entwicklung sieht man selten, dass mit jeder neuen Staffel auch neue Zielgruppen erschlossen werden. Ein entscheidender Faktor ist sicherlich auch, dass die Serie keine rein horizontal erzählte Geschichte hat. Das bedeutet: Die Zuschauer können auch mit der dritten Staffel neu einsteigen, ohne die vorherigen Staffeln gesehen zu haben. „The White Lotus“ ist ein globales Lifestyle-Phänomen, das in den Zeitgeist passt und durch einzigartige Social-Media-Werbung weiter gepusht wird. Wir befeuern das entsprechend und haben zum Start auch ein großes Social-Media-Event in Berlin veranstaltet.
Sky Deutschland hat einige elementare Standbeine wie die Fußball-Bundesliga. Zu den Standbeinen gehören auch das Pay1-Fenster für Kinofilme und die US-Serien. Welche elementare Rolle spielen dabei für Sky HBO-Serien wie „The White Lotus“ oder die jetzt gestartete zweite Staffel von „The Last of Us“?
Elke Walthelm: Der Grund, warum Kunden zu Sky kommen, ist ein überzeugendes Gesamt-Portfolio. Natürlich gibt es bei uns auch reine Sport- oder Fiction-Fans. Aber dazu kommt eine Überlappung bei Haushalten, die ein breites Angebot nachfragen. Dabei differenzieren wir in der Zielgruppenansprache zudem klar zwischen unserem Aggregationsprodukt Sky Stream, bei dem die Kunden alles schauen können – von Free-TV über App-Anbieter bis zu unseren eigenen Inhalten – und unserem flexiblen Streamingservice Wow. Die Breite und gleichzeitig hohe Qualität des Angebots machen uns einzigartig im Markt. Dass wir im Sport hervorragend aufgestellt sind, sollte kein Geheimnis sein. Wir sind äußerst zufrieden mit dem erzielten Bundesliga-Ergebnis. Wir haben jetzt mehr Spiele, die meisten Spiele und die besten Spiele. In puncto Entertainment ist die Portfolio-Zusammenstellung elementar. Es gibt schlichtweg nicht den einen Anbieter, der nur Hits produziert. Das war bei unseren eigenen fiktionalen Originals so und das ist auch bei HBO oder anderen Lizenzgebern nicht anders. Einen wirklichen Hit zu haben, ist in meinen Augen immer noch die Magie in der Branche. Allerdings wissen wir sehr gut, was unsere Kunden bevorzugen und gestalten unser Programmangebot entsprechend. Zum einen ist die Auswahl von US-Serien wichtig. Außerdem kommen lokale Inhalte, wie etwa unser Reality-Format „Diese Ochsenknechts“ sehr gut an. Das gilt ebenso für unsere deutschen Dokumentationen, allein in diesem Jahr bieten wir zehn neue Sky Originals an. Dazu kommt eine große Auswahl an Library-Titeln, wo man immer wieder etwas findet, was man gerne schaut. Im Endeffekt ist es einfach: Der richtige Mix macht‘s!
„Wir schauen uns im Doku-Bereich an, ob wir nicht noch mehr in Richtung Reality umsetzen.“
Die Doku-Serien vergisst man leicht in der Aufzählung. Da haben Sie Recht. Dabei fallen gerade diese Formate immer wieder durch frische oder spannende Ansätze wie zum Beispiel „Juan Carlos“, „22. Juli – Die Schüsse von München“, „Costa Concordia“ oder Ihre kommende Doku-Serie „Das Nazi-Kartell“ auf.
Elke Walthelm: Absolut, im Doku-Bereich haben wir einen hohen Qualitätsanspruch und sind ambitioniert – und wir sehen, dass unsere Zuschauer genau das zu schätzen wissen, was beispielsweise der Erfolg des kürzlich gezeigten Sky Originals „Germanwings – Was geschah an Bord von Flug 9525“ gezeigt hat. Die Doku-Serie „Das Nazi-Kartell“ wird Ende April ihre Weltpremiere bei Canneseries feiern und läuft dann am 15. Mai bei Sky. Ein ganz anderes Thema greift unsere große Doku über die Fußballlegende Rudi Völler auf. Wie gut Sport-Dokus funktionieren, haben wir zum Beispiel bei unserer Dokumentation „Daum“ über den Fußball-Trainer Christoph Daum gesehen. Bei einem Format wie „Der Anschlag – Angriff auf den BVB“ wiederum haben wir True-Crime-Elemente integriert. Außerdem schauen wir uns im Doku-Bereich an, ob wir nicht noch mehr in Richtung Reality umsetzen. Unser Anspruch ist es, Dokus zu machen, die einen Bezug zu unseren lokalen Märkten haben, die neue Erkenntnisse bieten und etwas zeigen können, was man noch nicht gesehen hat.
Das Reality-Format „Diese Ochsenknechts“ gehört doch auch generell zu den erfolgreichsten Inhalten, die es aktuell bei Sky gibt, oder?
Elke Walthelm: Ja, „Diese Ochsenknechts“ sind ein riesiger Erfolg. Gerade ist die vierte Staffel neu und sehr stark gestartet, vor allem auch bei unseren Streaming-Kunden bei Wow. Wir nennen die ersten Inhalte, die Wow-Kunden schauen, wenn sie uns abonnieren, First Content Watched. Das sind für uns wichtige KPIs, die uns zeigen, über welche Formate neue Kunden zu uns kommen. Dazu gehören auf jeden Fall die „Ochsenknechts“. Natürlich gibt es auch andere Formate, die dabei häufiger geschaut werden. Genau so kommen wir wieder zu unserem Portfolio-Ansatz: Nicht jeder mag die Ochsenknechts, aber es gibt eine entscheidende Anzahl von Menschen, die es lieben, dieser Familie zu folgen.
„Wir befinden uns noch in Gesprächen und prüfen die Optionen für unseren Markt.“
In Großbritannien haben sich die Mutterkonzerne Comcast und Warner Bros. Discovery in einem neuen Deal darauf geeinigt, dass nach dem Ende des HBO-Deals mit Sky und dem Launch des neuen Streamingdienstes Max Anfang 2026 trotzdem Sky-Kunden über die werbeunterstützte Max-Version ohne Aufpreis Zugriff auf HBO-Serien haben werden. Wie bewerten Sie diesen Deal aus deutscher Sicht?
Elke Walthelm: Wir befinden uns noch in Gesprächen und prüfen die Optionen für unseren Markt. Wir sind mit unserem Portfolio-Ansatz flexibel positioniert. Insofern bin ich guter Dinge, dass wir mit Partnern wie Warner Bros. Discovery, aber auch mit unseren anderen Partnern in guten Gesprächen bleiben. Was man über die Jahre lernen kann, ist auf jeden Fall, wie viel Kreativität heute in Partnerschaften entsteht. Dass man zum Beispiel Inhalte nicht nur auf eine Art anbietet. Wir haben zum Beispiel eine Partnerschaft mit Paramount, deren Paramount+-App wir integriert haben und die somit bei allen unsere Sky Cinema Kunden inkludiert ist. Zusätzlich zeigen wir neue Paramount-Filme auf unseren Sky Cinema Sendern sowie auf Wow. Partnerschaften sind nicht mehr schwarz und weiß. Es gibt verschiedene Ideen und Möglichkeiten, wie man Content aufteilen kann, zum Nutzen der Zuschauer. Das sind Ideen, die wir weiterverfolgen werden. Ich bin optimistisch, dass wir dabei zu guten Ergebnissen kommen werden – in der Mischung aus den verschiedenen Partnern, mit denen wir zusammenarbeiten.
Eine spannende Partnerschaft sind Sie mit RTL Deutschland eingegangen. Augenscheinlich sind die Vorteile für RTL+, wo jetzt jenseits von Sky die britische Premier League mit Live-Fußball läuft oder Serien wie „Der Pass“ oder „Das Boot“ zu finden sind. Welche Vorteile sehen Sie dabei für Sky?
Elke Walthelm: Für uns ist das ebenso eine gewinnbringende Partnerschaft, mit der wir glücklich sind. Ja, RTL bekommt von uns Inhalte, allerdings machen wir das wohlüberlegt, denn das Ganze hat ja auch eine kommerzielle Komponente. Was uns bei einer solchen Kooperation sehr hilft, sind die Reichweite und die Sichtbarkeit für unsere Inhalte sowie der Crosspromotion-Effekt. Gerade bei den Sportrechten gibt es gewisse Inhalte nur bei Sky. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, wie sich das gegenseitig befruchten kann. Deswegen ist es eine erfolgreiche Partnerschaft für beide Seiten.
Wollen Sie diese Partnerschaft eventuell noch ausweiten, wenn das so gut funktioniert?
Elke Walthelm: Wir sind ein großer Fan von Partnerschaften und immer gesprächsoffen. Sobald es etwas Neues gibt, werden wir es gerne mit der Öffentlichkeit teilen.
Ein in der Fachpresse gar nicht so groß wahrgenommenes Standbein von Sky sind die US-Serien jenseits von HBO. Formate wie „The Rookie“ oder „Blue Bloods“ gehören regelmäßig zu den beliebtesten Formaten bei Sky und Wow. Es war spannend zu sehen, dass das ZDF bei seinem Mediatheken-Relaunch anfangs vor allem mit der Serie „The Rookie“ für sich warb, die Sky in der Erstausstrahlung hat.
Elke Walthelm: Das ist eine interessante Beobachtung, weil es „The Rookie“ nicht nur beim ZDF, sondern ebenso bei anderen Streamern gibt. Mit der Ausnahme, dass wir uns die aktuellsten Staffeln sichern konnten. Sicherlich hilft es Sky sogar, wenn die vorherigen Staffeln bei anderen Anbietern große Sichtbarkeit haben. Das wiederum steigert das Potenzial für die Menschen, die wir ansprechen können, um bei uns die neuesten Folgen exklusiv zu sehen. Wir haben eine breite Anzahl an Lizenzpartnern, bei deren Programm wir eine große Nachfrage beobachten, wenn die neueste Staffel nur bei uns zu sehen ist. Beispielsweise auch bei den neuen Staffeln von Serien wie „Ghosts“, „S.W.A.T.“ sowie aus etablierten Franchises wie „Law & Order“, „Chicago Fire“ oder „Fire Country“. Wenn dort eine neue Staffel auf die Plattform kommt, sehen wir das Interesse sehr deutlich. Darüber wird dann vielleicht weniger bei Social Media gesprochen, aber es sind Formate, die sehr gut bei unseren Kunden ankommen.
Könnte es in Zukunft einen Mangel an solchen Formaten geben? Oder sind Sie für die Zukunft so gut aufgestellt, dass man sich dort keine Sorgen machen muss?
Elke Walthelm: Keine Sorge, wir sind gut aufgestellt. Gleichzeitig überprüfen wir regelmäßig unser Angebot, das ist ein ganz natürlicher Prozess. Dabei stellen wir fest: Es ist nicht nur das bloße Volumen an Formaten, die den Unterschied machen. Es geht vor allem auch um die Handvoll von Formaten, die eine große Rolle spielen. Bei Wow ist das Nutzungsverhalten dabei ein deutlich anderes als bei Sky. Da kann eine große Auswahl manchmal sogar überfordern. Hier geht es eher darum, genügend relevante Inhalte anzubieten. Das gilt für neue Formate, aber auch für ältere Formate, die immer wieder gerne nochmal angeschaut werden. Bei Sky ist mit den Apps der unterschiedlichen Anbieter, unseren Inhalten und Free-TV das Nutzungs-Buffet viel größer und diverser. Da ist es uns wichtiger, dass Sky über unser User-Interface als Eintrittstor in die Welt der Unterhaltung genutzt wird und der Kunde das findet, was er gerne anschaut.
Für Ihren Streamingdienst Wow wurde beim Rebranding von Sky Ticket eine große Werbekampagne gefahren, was in kurzer Zeit die Marke schnell voranbrachte. Wie hat sich das über die Zeit weiterentwickelt?
Elke Walthelm: Sehr gut! Wir haben lange diskutiert, ob eine Zwei-Marken-Strategie der richtige Weg ist. Rückblickend kann man das unbedingt bejahen. Research-Daten hatten ergeben, dass es für Kunden gar nicht so einfach ist, zwischen Sky, Sky Ticket oder Sky Entertainment zu unterscheiden. Durch die Marke Wow kam eine klare Alleinstellung für unser Streaming-Produkt, das man monatlich kündigen kann, das über eine App funktioniert und so auch zu einem anderen Preis verfügbar ist. Dort konnten wir einen massiven Hinzugewinn an Markenbekanntheit verbuchen. Wir sind sehr glücklich, wie wir damit heute im Markt stehen. Wenn es jedoch um unser Aggregationsprodukt geht, ist Sky Stream der Top-Seller, weil es eine steigende Nachfrage nach Fernsehen via IP gibt. Wow steht hingegen in direkter Konkurrenz zu Netflix, Disney+ oder Paramount+ oder wird auch als ergänzendes Angebot wahrgenommen. Der Trend geht ja zum Dritt- und Viert-Abo. In der letzten Vaunet-Studie waren es schon 2,7 Abos pro Haushalt. Der Trend ist weiter steigend.
Was ist Ihnen für die Zukunft besonders wichtig, damit Sky und Wow auch zuversichtlich in die nächsten Monate und Jahre gehen können?
Elke Walthelm: Im Mittelpunkt steht, unsere Kunden jetzt und in Zukunft zu begeistern. Wenn sie von unseren Inhalten, unserem Angebot, unseren Produkten und unserem Service überzeugt sind, bleiben sie bei uns. Und genau mit diesem Ansatz wollen wir natürlich auch neue Kunden hinzugewinnen.
Das Interview führte Michael Müller