Am 6. Juni startet die Highschool-Dramedy „Club der Dinosaurier“ im ZDF. Lutz Heineking jr. und Sigi Kamml sprechen über die Kombination der Genre-Stärken von Eitelsonnenschein und Syrreal Entertainment bei dem Projekt, das heute Premiere auf dem Seriencamp feiert. Es geht auch um handgemachte Effekte und die Definition von moderner Männlichkeit.

Gab es bei Ihnen immer schon den Traum, eine Serie über Dinosaurier zu machen?
Lutz Heineking jr.: Bei mir nicht. Wovon ich aber schon träumte, war, eine College-Serie mit einem Kniff zu machen. Das hat mich schon beeindruckt, als mir Sigi die Idee für das Format schickte.
Sigi Kamml: Ich habe schon von einer Serie mit Dinosauriern geträumt. Aber mein eigentlicher Traum sah ganz anders aus als unsere jetzige Serie. Man ist dann doch beim Thema Dinos von anderen Hollywood-Formaten geprägt. Ich fand den Pitch unseres Headautoren Nils Gustenhofen spannend, originell und innovativ. Das kann eine ungewöhnliche, sehr schöne Serie für junge Erwachsene werden, war mein Gedanke.
„Club der Dinosaurier“ erzählt von jungen Männern, die sich aufgrund von Testosteron-Pillen nach und nach in Urzeitechsen verwandeln. Es gibt einen großen Cast, fantastische Maskenarbeit, aber wahrscheinlich doch nicht das Budget einer großen High-End-Serie. Wie kompliziert war es, das ZDFneo-Projekt gestemmt zu bekommen?
Sigi Kamml: Budgetär war das anspruchsvoll. Zusammen mit Lutz und den Autoren drehten wir viele Runden, um das Projekt umsetzbar zu machen. Bei den Dinosauriern kamen wir dann auf Idee, das Ganze mit Practical-Effekten umzusetzen, damit möglichst alles schon im Bild bei den Dreharbeiten mit Prosthetics passiert. Das war aber nicht nur aus Kostengründen die Entscheidung, sondern auch eine Stilfrage. Gleichzeitig merkten wir, dass wir aus der Not eine Tugend machen und ein Format kreieren können, dass man so noch nicht gesehen hat. Im Ergebnis hat das so jetzt einen echten Mehrwert, dass wir nicht den einfacheren Weg mit VFX-Effekten gegangen sind.
Lutz Heineking jr.: Rein aus der künstlerischen Sicht hätte ich mich auch schon als Regisseur für die Prosthetics entschieden, weil meine Filmvorbilder zum Beispiel „Die Goonies“ heißen. Wir wollten genau in diese 1980er-Jahre-Kerbe rein, in der die Schüler auch College-Football-Jacken tragen. Da wären digitale Effekte nicht förderlich gewesen, was den Look der Serie angeht. Ich bin glücklich, dass wir die Szenen in echt gemacht haben, weil es der Serie auch etwas gibt. Das Spiel der Schauspieler war sicherlich auch nochmal anders, als wenn sie gegen ein digitales Monster hätten spielen müssen. In den Masken stecken unsere echten Schauspieler drin, für die das auch eine Herausforderung war. Einer der Hauptdarsteller hat sich zum Beispiel nicht so wohl unter der Maske gefühlt. Wir hatten auch einen Stuntmenschen, der einspringen konnte. So war es aufwendiger, als wir uns das vorstellten. Das sind keine Masken, die man im Kölner Karnevalsladen kaufen kann, sondern bei denen die Schauspieler drei bis vier Stunden in der Vorbereitung sitzen. Mit der Zeit und der Erfahrung wurde dieser Prozesse auch schneller.
Mit welchen Problemen hatte der Schauspieler unter der Maske zu kämpfen?
Lutz Heineking jr.: Er hatte klaustrophobische Gefühle. Wir hatten auch Kampfaufnahmen, bei denen die Schauspieler aufgrund der Masken nicht durch die Nase atmen konnten. Da ist es nur menschlich, wenn man damit Probleme hat.
Sigi Kamml: Wenn man den ganzen Tag unter einer Maske „eingesperrt“ ist, der ganze Oberkörper unter einer dicken Gummischicht steckt, unter der es warm wird und er performen muss, ist das schon anspruchsvoll.
„Neu war, dass wir das Genre auch komödiantisch so aufbrechen.“
Aber dann steht Ihr Schauspieler auch in einer Reihe mit Hollywoodstars wie Jim Carrey, der regelrecht wahnsinnig aufgrund der täglichen Maskenarbeit bei „Der Grinch“ wurde. Gleichzeitig ist es aber ein Pfund, mit dem „Der Club der Dinosaurier“ wuchern kann, weil es sich zu haptisch und echt anfühlt. Welche 1980er-Referenzen neben den „Goonies“ fielen denn noch am Set?
Lutz Heineking jr.: „Die Goonies“ waren schon eine große Inspiration. Aber es gibt auch neuere Werke wie die Netflix-Serie „Stranger Things“, die sich wiederum auf die 1980er-Jahre beziehen. Wenn ich abends etwas zur Entspannung suche und mich bei Tausenden von Filmen nicht entscheiden kann, lande ich immer wieder bei Filmen wie „Zurück in die Zukunft“. Ich habe großen Spaß daran, mich in die Zeit zurückzuversetzen, in der ich selbst jung war. Diesen Filmidealen von damals reist man so nach. Ich bin unfassbar dankbar, dass ich das jetzt bei „Club der Dinosaurier“ mal in die Tat umsetzen durfte. Diesen Wunsch gab es immer.
Sigi Kamml: Unsere Perspektive bei Syrreal Entertainment ist sehr ähnlich darauf. Ja, wir haben viel über „Die Goonies“ gesprochen. Aber für mich war das Spannende an dem Projekt, dass wir im Genre bleiben. Dafür steht auch unsere Firma. Neu war, dass wir das Genre auch komödiantisch so aufbrechen wie im „Club der Dinosaurier“ und nicht eine Thriller-Suspense-Story erzählen. Das passte super mit Lutz als Komödien-Experten. Wir wollten eine gute Geschichte erzählen, die junge Menschen erreicht und trotzdem „syrreal“ bleibt.
Syrreal kam am Anfang bei dem Projekt auf Eitelsonnenschein zu?
Lutz Heineking jr.: Genau. Wenn wir auch bei dem Projekt nicht immer einer Meinung waren, ist das Ergebnis ein Kind aus beiden Schmieden. Man erkennt sowohl eine Syrreal- als auch eine Eitelsonnenschein-Handschrift. Das gefällt mir sehr gut. Es ist ein perfekter Merger aus beiden Welten. Eitelsonnenschein macht auch Genre, aber genau an der gegenüberliegenden Seite.
Sigi Kamml: Es begann alles damit, dass ich vor drei Jahren zwei Ludwigsburger Abgänger zu uns als Producer holten: Max Breuer, der vor vielen Jahren schon ein Praktikum bei uns machte und seinen Producing- und Writing-Partner Nils Gustenhofen. Sie pitchten uns unterschiedliche Projekte. „Club der Dinosaurier“ ragte für mich heraus. Ich bin glücklich, dass es gelungen ist, mit zwei ganz jungen Kreativen solch ein Format auf die Beine zu stellen. Da muss man vor allem Max und Nils danken, dass diese verrückte Idee zum Leben erweckt wurde.
Der junge Cast harmoniert in der Chemie auch sehr gut miteinander. Worauf haben Sie bei der Zusammenstellung geachtet? Es sind auch ein paar Newcomer dabei, die man noch nicht so kennt.
Lutz Heineking jr.: Casting ist mein großes Ding. Hier war ich glücklich, dass wir Menschen fanden, die auch eine gewisse Energie mit ans Set brachten. Bei der Produktion war nicht unbedingt alles ganz einfach mit auch meiner Meinung nach etwas zu wenigen Drehtagen. Aber die Kids und die Crew hielten wie eine Clique zusammen, was auch über den Dreh hinaus eine Verbindung ergeben hat. Für meine Art zu arbeiten, ist es elementar, dass es als Gruppe funktioniert. Da kann es auch wichtig sein, dass man nach Feierabend zusammen ein Bier trinken geht und feiert. Besonders fand ich auch, dass im Cast immer dem anderen der Raum zum Glänzen gegeben wurde. Die haben sich nicht weggespielt oder sich in die Kamera gedrängt. Durch meine Erfahrung bei Formaten wie „Andere Eltern“ habe ich auch gar keine Angst davor, Menschen vor die Kamera zu nehmen, die das noch nie gemacht haben.
Sigi Kamml: Es war eine extrem große Herausforderung, diesen Cast zu finden. In diesem Alter gibt es noch wenig Stars. So gab es ein langes Auswahlverfahren, bis wir unsere Schauspieler beisammenhatten. Für die Rollen haben wir uns Hunderte von Schauspielern angeschaut.
Einige der spaßigsten Szenen der Serie sind auf dem Reiseausflug der Schüler zu finden, die durchaus auch improvisiert wirken.
Lutz Heineking jr.: Viele humorvolle Momente sind in der Improvisation entstanden. Aber es war eigentlich viel zu wenig Zeit für Impro, weil die eigentlich chronologisches Drehen voraussetzt. Das war bei unserem Drehpensum nicht möglich.
Das Thema des Jahres scheint bisher Männlichkeit zu sein. Die erfolgreichste Serie des Jahres auf Netflix heißt „Adolescence“ und dreht sich um toxische Maskulinität. Auf RTL+ erscheinen demnächst die „Softies“, Netflix schickt seine „Alphamännchen“ an den Start. Wie wichtig war Ihnen bei „Club der Dinosaurier“, dass nicht Maskulinität an sich verdammt wird, sondern die toxische Ausprägung davon?
Sigi Kamml: Maskulinität als solche kann man nicht verdammen, solange sich die Geschlechter fair zueinander verhalten. Ich habe selbst Kinder im Teenageralter und sehe, wie schwierig das in der heutigen Welt unter dem starken Einfluss von Social Media ist, seinen eigenen Platz zu finden. Das gilt für Männer, Frauen und non-binäre Menschen. Jeder muss für sich finden, was für ihn oder sie richtig ist. Der Versuch in der Serie war, für dieses Alter zu thematisieren, aber gleichzeitig nicht den Humor dabei zu verlieren. Das fand ich an der Dino-Metapher von Nils und der Umsetzung durch Lutz so toll, dass dieser Konflikt dadurch faktisch visuell sichtbar gemacht wird.
„Insgesamt zeichnen wir Maskulinität auch in den Nebenfiguren differenziert.“
Lutz Heineking jr.: Bei der Botschaft der Serie wäre ich anfangs in den Drehbüchern gerne noch weiter gegangen, um noch mehr zu unterstreichen, dass man toxische Männlichkeit nicht einfach wegkuscheln kann. Letztlich bin ich aber zufrieden, weil wir das Ganze mehr auf der visuellen Ebene über die Dinos lösen. Mein Problem war, dass ich mir als Regisseur irgendwann die visuelle Ebene der Dinos weggedacht hatte und das so in meinem Kopf einiges nicht deutlich genug in den Dialogen ausformuliert wurde. Aber als ich Abstand gewann und das Projekt wieder von außen sehen konnte, merkte ich, dass wir doch vieles richtig machten. Insgesamt zeichnen wir Maskulinität auch in den Nebenfiguren differenziert. Es gibt Henning Baum und Serkan Kaya als schwules Väter-Paar oder Henning Krautmacher als Schulrektor, die unterschiedliche Vorbilder für die junge Generation sind. Die Kids kommen aber letztlich selbst darauf, dass man damit verantwortungsvoll umgehen muss.
Wollen Sie in der Zukunft bei dem passenden Projekt wieder miteinander arbeiten? Und gibt es sonstige spruchreife Projekte, auf die Sie hinweisen wollen?
Lutz Heineking jr.: Was eine erneute Zusammenarbeit angeht – sollte sich das wieder so organisch ergeben –, wäre das sicherlich besprechenswert. Aktuell gibt es noch kein gemeinsames Nachfolgeprojekt von Syrreal und Eitelsonnenschein.
Sigi Kamml: Grundsätzlich, sehr gerne. „Club der Dinosaurier“ war eine fruchtbare Zusammenarbeit. Aktuell befindet sich die Syrreal in der Postproduktion der zweiten Staffel „Oderbruch“, die nächstes Jahr erscheint. Parallel dazu sind wir Teil einer europaweiten Koproduktion und drehen mit „Droneland“ gerade die nächste Serie für das ZDF.
Lutz Heineking jr.: Neben dem „Club der Dinosaurier“ bringen wir als Eitelsonnenschein auch unsere Geisterjäger-Serie „Rembetis“ nach Köln zum Seriencamp, bei der ich keine Regie führte, sondern nur Produzent war. Beim ZDF erscheint demnächst auch ein „Andere Eltern“-Spielfilm. Außerdem schreibe ich gerade an einer sehr großen IP-Geschichte.
Das Interview führte Michael Müller