Die CinemaCon ist gerade erst so richtig durchgestartet, da steht schon die KINO 2024 vor der Tür. Wir sprachen im Vorfeld mit der HDF-Vorsitzenden über Themen, die den Kinos auf den Nägeln brennen.
Hinter der Branche liegt das erste Quartal eines Jahres, dem man schon im Vorfeld bescheinigt hatte, sehr herausfordernd zu werden. Wie fällt vor diesem Hintergrund Ihr erstes Zwischenfazit aus?
Christine Berg: Gut. Wirklich gut. Ich bin selbst erstaunt, aber es lässt sich im Grunde nicht anders sagen – wobei ich zum Zeitpunkt unseres Gesprächs natürlich auch unter dem Eindruck des tollen Starts von „Chantal im Märchenland“ stehe. Eines deutschen Hits, der auf starke Filme wie „Dune: Part Two“ oder „Kung Fu Panda 4“ folgte. Gleichzeitig sehen wir auch große Erfolge im Arthouse-Segment, wo Sandra Hüller parallel in „The Zone of Interest“ und „Anatomie eines Falls“ brilliert. Unter dem Strich rangieren die Besuchszahlen nach drei Monaten auf Vorjahresniveau – was unter den gegebenen Umständen alles andere als selbstverständlich ist. Also im Moment darf man im Grunde zufrieden sein.
Ich höre ein „Aber“ kommen…
Christine Berg: Nun ja, so ehrlich muss man sein: Ostern lag dieses Jahr ausgesprochen früh. Das gab dem Quartal zum Ende hin noch einen Boost, der dann aber in den kommenden Wochen fehlt. Gerade im April sind die Startlisten nicht gerade üppig bestückt, da wird einiges auf den Schultern der Bestandstitel ruhen. Umso wichtiger war, dass „Chantal im Märchenland“ seiner Favoritenrolle gerecht wurde.
Dass man über weite Strecken des laufenden Jahres mit großen Blockbuster-Starts nicht gerade verwöhnt sein würde, war klar abzusehen. Aber lässt sich zumindest sagen, dass die bisherigen Hoffnungsträger die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen?
Christine Berg: Vielleicht nicht alle, aber doch auffallend viele – und manche haben sogar noch eine Schippe draufgelegt. Ich persönlich fühle mich in meinem Wunsch nach mehr romantischen Komödien bestätigt – schließlich war „Wo die Lüge hinfällt“ einer der großen Überraschungshits und gleichzeitig der erste „Besuchermillionär“ des Jahres. Was mich zudem besonders freut, ist die Tatsache, dass wir gerade wieder deutlich mehr der zuletzt so rar gewordenen Erfolge im sogenannten „mittleren“ Segment sehen – und das quer durch alle Genres. Da steht auf der einen Seite ein „Beekeeper“, auf der anderen Seite Filme wie „Poor Things“.
„Wir sehen, wie das Kino mehr und mehr in die Köpfe der Menschen zurückkehrt.“
Und das liegt nicht nur am Mangel an Blockbustern, die sonst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Christine Berg: Sicherlich haben etliche der Crossover-Filme wie etwa „The Zone of Interest“ und „Anatomie eines Falls“ davon profitiert, dass sie überall zum Einsatz kamen, nicht nur im „klassischen“ Programmkino. Gerade auf dem Land haben viele unserer Mitglieder sehr erfreuliche Zahlen mit diesen Titeln geschrieben. Aber abgesehen davon sehe ich da keinen Zusammenhang im negativen Sinne – zumal die Aufmerksamkeit für diese Überperformer auch parallel zu Blockbuster-Starts ausgesprochen hoch blieb. Ich denke eher, dass wir sehen, wie das Kino mehr und mehr in die Köpfe der Menschen zurückkehrt. Die Kinounternehmen haben viel investiert und haben entschlossen an ihren Angeboten gearbeitet. Das zahlt sich jetzt aus.
Reicht das aus, um entspannt auf die kommenden Monate zu blicken?
Christine Berg: Die Herausforderungen dieses Jahres lassen sich leider nicht ausblenden, zumal wir auch noch eine Fußball-EM im eigenen Land vor uns haben. Das ist zwar keine ungewohnte Konstellation, die Kinos sind es ja im Grunde gewohnt, alle zwei Jahre die eine oder andere Woche „aussitzen“ zu müssen. Problematisch ist, dass programmatisch um diese EM-Wochen herum vergleichsweise wenig passiert. Das droht, erhebliche Lücken zu reißen. Natürlich gibt es schon jetzt einen großen Lichtblick in Form der Startlisten für 2025. Aber da muss man erst einmal hinkommen. Das ist die Kernfrage nicht nur für die Gesamtbranche, sondern für jedes einzelne Kino: Wie beenden wir 2024?
Dass der Kinobestand auch im vergangenen Jahr laut offizieller FFA-Zählung im Prinzip stabil blieb, wurde selbst branchenintern vereinzelt mit Überraschung aufgenommen…
Christine Berg: Dazu sei vorsorglich gesagt: Wenn man sich auf eines verlassen kann, dann auf die Zahlen der FFA – und 2023 war ja nun beileibe kein schlechtes Jahr. Wenn wir den Blick auf den Bestand richten, gelangen wir aber automatisch zu einer wichtigen Frage, die uns auch als Verband auf den Nägeln brennt: Jener nach dem Generationswechsel in der Branche. Der wurde in vielen Unternehmen bereits sehr gut und erfolgreich vollzogen, gerade in Familienbetrieben. Aber wir sehen auch zahlreiche Kinos, bei denen ein solcher Wechsel anstünde, wo eine potenzielle Nachfolge aber aktuell noch nicht geklärt ist, wo unsicher ist, wer das Kino übernimmt. Auch das müssen wir uns eingestehen: Mit modernen Ansprüchen an die Work-Life-Balance ist eine verantwortliche Tätigkeit im Kino leider erst einmal nur schwer in Einklang zu bringen. Um für die heutige Jugend als Arbeitgeber attraktiv zu sein, ist es für die Kinos umso wichtiger, sich modern aufzustellen, Perspektiven zu vermitteln und sich positiv darzustellen.
Welche Bedeutung kommt in diesem Kontext Initiativen wie der geplanten Plattform job@cinema zu?
Christine Berg: Wir begrüßen jede Initiative, die das Kino als Karrierechance in ein positives Licht rückt. Denn qualifizierten Nachwuchs zu finden, zählt für die Kinos – wie für so viele Branchen – zu den großen aktuellen Herausforderungen.
„Ich halte es eigentlich für undenkbar, dass nicht noch etwas in unserem Sinne geschieht.“
„Barbie“ war der größte Hit des vergangenen Jahres – und gerade füllt mit „Chantal im Märchenland“ ein deutscher Blockbuster die Säle, der ebenfalls mit einer ausgesprochen modernen und inklusiven Botschaft daherkommt. Paradebeispiele für das Kino als verbindenden Ort?
Christine Berg: Kino ist grundsätzlich ein verbindender Ort, ganz gleich, um welchen Film es sich handelt. Denn im Zentrum steht als wesentliches Element immer das gemeinsame Erleben. Jenseits dessen sind das aber tatsächlich Paradebeispiele für eine neue Art von Filmen, die enorm unterhaltsam daherkommen, selbstironisch, lustig. Und die doch etwas über unsere Gesellschaft auszusagen haben. Generell habe ich den Eindruck, dass das Publikum neben den Schauwerten auch wieder vermehrt auf die Inhalte blickt – und dass die Studios darauf reagieren. Besonders freut mich natürlich, dass mit „Chantal im Märchenland“ ein vorbildhafter Vertreter dieses jungen Kinos aus Deutschland kommt. Ich kann nur meinen Hut vor Bora Dagtekin ziehen, der seine einzigartige Erfolgsbilanz fortsetzt – auch weil es ihm immer aufs Neue gelingt, auch die Sprache der Jugend zu sprechen.
Noch ist das letzte Wort in Sachen Förderreform nicht gesprochen – aber wird der aktuelle Stand aus Kinosicht jener wichtigen Rolle des Kulturortes gerecht, die ihm auch seitens der Politik immer und immer wieder attestiert wird?
Christine Berg: Leider nein, absolut nicht. Nach derzeitigem Stand gibt es nicht einmal annähernd genug Förderung für die Kinos. Die Kinoförderung der FFA ist derzeit das einzige konkret umrissene Instrument – und deren Ausstattung ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. Laut der vorliegenden Entwürfe sollen 15 Prozent in die Kinoförderung fließen. Das ist beinahe lächerlich, wenn man bedenkt, dass die Produktion vor allem mit den beiden wichtigen Säulen der Investitionsverpflichtung und des Anreizmodells unterstützt werden soll, von denen wir sehr hoffen, dass sie rechtzeitig umgesetzt werden. Natürlich gehen wir davon aus, dass aus dem BKM-Etat noch zusätzliche Mittel für die Kinoförderung kommen – aber der gesamte Baustein der bisherigen kulturellen Förderung des Bundes ist für uns noch ein schwarzes Loch; wir haben schlicht noch keine Vorstellung von den konkreten Zahlen. Ich hoffe sehr, dass wir zeitnah konkretere Informationen erhalten, um uns ein belastbares Gesamtbild machen zu können. Allerdings kann man leider schon jetzt konstatieren, dass der BKM-Anteil die Kinoförderung mit Sicherheit nicht auf ein Niveau bringen wird, das den durch verschiedene Studien bezifferten Investitionsbedarf von jährlich rund 112 Mio. Euro adäquat adressieren könnte. Leider ist das nicht das einzige gravierende Problem, das wir derzeit sehen – denn im ersten FFG-Entwurf werden Kinos an verschiedenen Stellen schlechter gestellt.
Sie sprechen von der geplanten Umstellung der Filmabgabe der Kinos auf die Center-basierte Berechnung?
Christine Berg: Richtig. So, wie diese Änderung derzeit vorgesehen ist, würden Kinos nicht mehr ausgeglichen belastet – und nach unseren Berechnungen würde die Umstellung für einzelne Standorte eine Erhöhung der Abgabenlast von bis zu 186 Prozent bedeuten. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Auch die derzeitigen Vorschläge zur Neufassung der Sperrfristenregelung betrachten wir mit Sorge. Dass die Branchenvereinbarung grundsätzlich ins FFG überführt wurde, ist natürlich ein völlig richtiger Schritt. Leider ist man dieser Linie nicht konsequent gefolgt, tatsächlich droht der eigentliche Kern – die Einigung innerhalb der Branche – nun konterkariert zu werden. Denn aktuell soll der Vorstand in der Lage sein, zusätzliche, erhebliche Reduzierungen der Sperrfristen abzusegnen. An dieser Stelle wird die Branchenvereinbarung nicht ernst genommen. Denn ihrem Charakter würde ausschließlich ein Präsidiumsentscheid mit entsprechendem Vetorecht der Kinos entsprechen.
Sieht es momentan so aus, als würden Kinos zu Verlierern der Reform?
Christine Berg: Würde es beim jetzigen Stand bleiben, müsste ich die Frage klar bejahen. Womit der deutsche Kinofilm als weiterer Verlierer feststünde. Allerdings sprechen wir noch von ersten Entwürfen. Schon rund um die Berlinale zeichnete sich ein klares Bekenntnis dazu ab, dass sich Verleih und Kino in den Reformplänen stärker wiederfinden müssen, dass an dieser Stelle noch nachgebessert werden muss. Für diesen Rückenwind, der sowohl aus der Politik wie auch der Branche selbst kam, bin ich sehr dankbar. Entscheidend ist, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt.
Unlängst kam aus NRW bereits ein deutlicher Warnruf hinsichtlich des Verhandlungsstandes bei Anreizmodell und Investitionsverpflichtung. Wenn es an diesen Stellen schon so grundsätzlich zu haken scheint: Ist es da mehr als Zweckoptimismus, noch auf Ergänzungen im Sinne der Kinos zu hoffen?
Christine Berg: Auf jeden Fall. Selbstverständlich sehen wir, wie schwierig sich in Zeiten knapper Kassen die Abstimmung zwischen Bund und Ländern mit Blick auf Instrumente gestaltet, die – auch wenn sie am Ende zusätzliches Geld in die Staatskasse spülen würden – erst einmal beiderseitiges finanzielles Commitment erfordern. Insofern muss man sich wohl eingestehen, dass eine Berücksichtigung der Kinos im Rahmen der Anreizförderung jedenfalls nicht schon 2025 erfolgen wird – was nicht heißt, dass es sich nicht lohnt, sich weiterhin dafür stark zu machen. Entscheidend ist aber, dass wir eine ganze Reihe von Vorschlägen dazu gemacht haben, wie sich das Kino auf unterschiedlichsten Ebenen eines künftigen Fördermodells angemessen wiederfinden würde. Gerade angesichts der starken politischen Signale in Richtung unserer Branche halte ich es eigentlich für undenkbar, dass nicht noch etwas in unserem Sinne geschieht. Übrigens bemüht sich der HDF natürlich auch über den Rahmen der Förderreform hinaus um Unterstützung für die Kinos – unter anderem auf Ebene des Wirtschaftsministeriums, wo es zumindest schon einmal gelungen ist, erfolgreich für ein kleines Förderprogramm für Erstinstallationen von Laserprojektoren zu werben.
„Fest steht, dass Investitionen schlicht alternativlos sind.“
Um das an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit festhalten zu lassen: Weshalb sind Investitionen in die Kinos auch als direkte Investitionen in den deutschen Film und seinen Erfolg zu verstehen?
Christine Berg: Im Prinzip ist es relativ einfach – und auch durch Studien klar belegt: Investitionen sind der Schlüssel zu höherem Publikumsaufkommen. Untersuchungen haben ergeben, dass wir bei ansonsten vergleichbaren Standorten von Abweichungen von bis zu 30 Prozent sprechen. Das ist immens! Diesem direkten Effekt folgt dann ein zweiter, nicht weniger wichtiger: Mehr verkaufte Tickets bedeuten nicht nur direkt mehr Geld für Kino und Verleih. Sondern auch eine höhere Kinoabgabe und damit mehr Mittel, die bei der FFA für Förderung zur Verfügung stehen. Da schließt sich ein Kreislauf – während der Kinostart gleichzeitig noch eine Veredelung für alle übrigen Auswertungsstufen darstellt. Am Ende steht die Erkenntnis: Natürlich benötigen wir zuallererst gute Filme. Aber diese bringen dort nichts, wo ein Kino die Bedürfnisse seines Publikums nicht erfüllt. Diese wiederum haben sich verändert. Das begann schon vor der Pandemie, hat sich mit dieser aber noch verstärkt. Die Menschen sind schlicht erheblich wählerischer geworden. Sie wollen Komfort, breite Sitze, Recliner, Lounges. Sie legen Wert auf moderne Konzepte, sie schätzen das gewisse Extra, wie etwa Bedienung am Platz – und sind für solche Annehmlichkeiten auch bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Das Erfolgsrezept stellt sich somit als Dreiklang aus guten Produktionen, deren starker Sichtbarkeit und attraktiven Abspielstätten dar.
An der Investitionsbereitschaft der Kinobranche kann kein Zweifel bestehen, davon legte erst im Februar ein binnen Minuten überzeichnetes Zukunftsprogramm wieder eindrucksvoll Zeugnis ab. Aber haben Sie den Eindruck, dass die aktuelle Phase der Unsicherheit, was künftige Unterstützung anbelangt, nun erst einmal lähmende Wirkung entfalten könnte?
Christine Berg: Zumindest nicht in der Breite, allenfalls bei Einzelnen – und selbst daran zweifle ich. Natürlich ist diese Phase der Unsicherheit für alle Betroffenen extrem unangenehm. Nicht umsonst setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, dass bald etwas mehr Klarheit geschaffen wird. Fest steht aber auch, dass Investitionen schlicht alternativlos sind, wenn wir die Chance haben möchten, mehr Publikum zu erreichen. 2024 ist in diesem Sinne sogar so etwas wie ein Schlüsseljahr. Denn es geht nicht nur darum, möglichst gut aufgestellt zu sein, wenn 2025 auch die Blockbuster-Versorgung wieder ordentlich anzieht. Sondern gerade während der EM-Wochen bietet sich die beste Gelegenheit, Säle vorübergehend für Maßnahmen zu schließen, schließlich dürften sich die zu erwartenden Einbußen dadurch im überschaubaren Rahmen halten. Tatsächlich habe ich schon von diversen Unternehmen gehört, die das so handhaben wollen.
Mit ihren Vorschlägen zur Reform hatte sich die Branche in bemerkenswerten Schulterschlüssen geübt. Hat diese gegenseitige Solidarität in der heißen Phase des Reformprozesses Bestand?
Christine Berg: Es ist schon erstaunlich, wie verzahnt und vernetzt wir als Branche mittlerweile sind – und ich denke, dass das auch viel mit dem Prozess zu tun hat, der uns im vergangenen Jahr zum Abschluss der Branchenvereinbarung geführt hat. Während der durchaus nicht immer leichten Verhandlungen haben wir viel darüber gelernt, was wir schaffen können, wenn wir uns ohne Führung durch die Politik zusammensetzen, uns auseinandersetzen. Das hallt nach. Selbstverständlich kämpft jetzt jeder auch für sich. Aber wir stehen weiter im engen Austausch und versuchen uns auch gegenseitig zu helfen, wo es möglich ist.
Unter dem Förderdach von „Neustart Kultur“ waren insbesondere die drei Kinoverbände für diverse gemeinsame Projekte zusammengerückt. Nun will man sich auch dem Thema Nachhaltigkeit geschlossen widmen?
Christine Berg: Dass wir eines der wichtigsten Themen unserer Zeit gemeinsam angehen, ist nur konsequent, schließlich sitzen wir alle in einem Boot. An dieser Stelle gibt es keine Unterschiede zwischen den Kinotypen. Alle stehen vor denselben Herausforderungen, egal ob Kette oder Einzelbetreiber, Mainstream oder Arthouse, Multiplex oder kommunales Haus. Die Definition gemeinsamer Mindeststandards erfüllt mehrere Funktionen, sie dient sowohl der Kommunikation nach außen wie auch der internen Orientierung; sie schafft Vergleichbarkeit und Synergien; sie ist Leitfaden und steht für ein ökologisches Selbstverständnis. An dieser Stelle in unterschiedliche Richtungen zu agieren, wäre doch kontraproduktiv, zumal es auch noch unnötig Ressourcen verbrauchen würde.
Ein anderes Thema, dem sich der HDF proaktiv widmet, ist generative KI. Welche Rolle spielt es denn im Kinoalltag bereits?
Christine Berg: Die Antwort auf diese Frage hängt nicht zuletzt davon ab, wie eng man den Begriff fasst. Im Prinzip sind KI-Routinen seit geraumer Zeit selbstverständlicher Bestandteil diverser Tools, mit denen Kinounternehmen tagtäglich arbeiten, man denke nur an die diversen Analyse- und Prognoseprogramme. Wir legen den Fokus gerade vor allem auf die inhaltlichen Möglichkeiten, denn wir glauben, dass KI wahnsinnig interessante Möglichkeiten bietet, mit vergleichsweise geringem Aufwand viel im Sinne des Marketings und der Kommunikation über soziale Medien zu bewegen, womit sich gerade auch für kleinere Unternehmen echte Chancen eröffnen.
„Es wird auf jeden Fall weiterhin einen Kinokongress geben.“
Ironischerweise war es ja nicht zuletzt die Auseinandersetzung um den Umgang mit KI, die hinter den Streiks in den USA steckte, deren Folgen die Kinos jetzt massiv spüren…
Christine Berg: Das stimmt, dennoch muss man auch aus Kinosicht konstatieren, dass die Streiks inhaltlich nachvollziehbar waren. Es führt schließlich gerade auch im kreativen Bereich kein Weg daran vorbei, klare Regeln für den Umgang mit generativer KI zu finden. So hilfreich sie sein kann, so genau muss man überlegen, wo man die Grenzen zieht. Schließlich gilt es auch, die Kreativen zu schützen. Ich bin überzeugt, dass wir als Branche noch gar keine konkrete Vorstellung davon haben, was KI für die Zukunft der Filmproduktion bedeutet. Die Möglichkeiten sind so immens, die potenziellen Implikationen so groß… Umso dankbarer bin ich über Vorreiter wie beispielsweise Wiedemann & Berg, die sich extrem intensiv mit der Materie beschäftigen und die uns allen damit auch ein klareres Bild von den Möglichkeiten geben. Die ich – bei aller notwendigen Abwägung von Chancen und Risiken – als grundsätzlich sehr vielversprechend erachte.
Den Schlusspunkt zur KINO 2024 wird erneut ein Panel zu einer Initiative setzen, die das Kino als physischen Ort der Begegnung ins Zentrum rückt. Spiegelt das auch eine Einordnung als thematisches Highlight wider?
Christine Berg: Absolut! Wir freuen uns schon wahnsinnig darauf, gemeinsam mit der Branche einen Blick auf das Kinofest 2024 werfen und den Kongress mit positiver Energie beschließen zu können. Zumal wir uns erfolgreich dafür eingesetzt haben, das Kinofest langfristiger zu planen und auch den Termin für 2025 bereits festzuzurren. Das wird uns insbesondere bei der Bewerbung und Sponsorensuche noch sehr helfen. Unter das Motto „Das Schönste zum Schluss“ würde ich unterdessen auch einen weiteren Programmpunkt am Donnerstag ziehen, ein ganz besonderes Herzensprojekt des HDF, eines das im Namen eines Mannes ins Leben gerufen wurde, der für all das stand, was Kino in besonderem Maße auch gesellschaftlich auszeichnet: für das Verbindende. In diesem Sinne kann ich es kaum erwarten, die neuen Stipendiat:innen der Kurt Schalk Stiftung auf der Bühne willkommen heißen zu dürfen. Denn wer auch immer es sein wird: Es werden Menschen sein, die mit vollem Herzen für die schönste Branche der Welt brennen – und die ihre Zukunft mit Begeisterung gestalten werden.
Apropos Zukunft: Wie geht es denn mit dem Kinokongress weiter?
Christine Berg: Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt klar sagen: Es wird auf jeden Fall weiterhin einen Kinokongress geben. Einen, der weiterhin den Bedürfnissen der Branche gerecht werden wird. Einer Branche, vor der noch ein paar harte Monate liegen mögen, die aber jedenfalls das Entscheidende hat: eine echte, eine greifbare Zukunftsperspektive.
Marc Mensch