Mit gut 700 Mio. Dollar mehr, als Analysten es ihm vor gut zwölf Monaten zugetraut hatten, konnte der US-Kinomarkt das zurückliegende Jahr abschließen. Mit zweistelligem Wachstum gegenüber dem Vorjahr und fast 2,22 Mrd. Dollar war Disney das erfolgreichste Studio – und unter den Majors gleichzeitig jenes, das seinen Topfilmen die mit Abstand längsten Kinofenster gewährte.
Nein, auch in den USA wurde das Boxoffice von 2023 nicht ganz erreicht – und dennoch darf man die abschließende (vorläufige) Bilanz, die der Branchendienst Deadline auf Basis von Comscore-Zahlen und eigenen Berechnungen zieht, als gute Nachricht werten.
Denn erinnern wir uns an den Dezember 2023 und die erste Jahresprognose von Gower Street zurück: Damals hatten die Zahlenexperten dem nordamerikanischen Kinomarkt für das Gesamtjahr 2024 gerade einmal acht Mrd. Dollar zugetraut. Eine Prognose, die im April (pünktlich zur CinemaCon) und im November dann jeweils nach oben korrigiert wurde – und selbst die November-Einschätzung von 8,6 Mrd. Dollar wurde letztlich übertroffen. Auch wenn, das sei erwähnt, das geschätzte Gesamtergebnis von 8,72 Mrd. Dollar knapp unterhalb dessen blieb, was Gower Street Mitte Dezember als Jahresendergebnis vorausgesagt hatte.
Unter dem Strich steht ein Rückstand von rund drei Prozent auf das Vorjahr. Kein Jubelergebnis, aber doch eines, das die frühen Erwartungen nach einem von monatelangen Streiks geprägten Jahr zu übertreffen wusste. Dennoch ist zur Einordnung natürlich wichtig: Obwohl beispielsweise der deutsche Markt nach ersten Schätzungen um rund sieben Prozent unter dem Umsatzniveau des Vorjahres abschloss, ist der Abstand des nordamerikanischen Marktes auf das vorpandemische Niveau nach wie vor größer – und lag zuletzt noch bei gut 20 Prozent.
Erfolgreichstes Studio in Nordamerika (und auch weltweit als einziges mit mehr als fünf Mrd. Dollar globalem Umsatz) war Walt Disney mit rund 2,22 Mrd. Dollar Boxoffice und dem größten prozentualen Wachstum der Majors gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig war es auch Disney, das unter den Majors die mit Abstand längsten Kinofenster gewährte (s.u.). Generell ist „Wilder Westen“ womöglich eine adäquate Bezeichnung für die Situation bei den Kinofenstern. Dass etwa „Red One“ in den USA kein Politikum war, liegt schlicht daran, dass das Kinofenster dort weit davon entfernt war, aus einem (beinahe) alltäglichen Rahmen zu fallen. Selbst wenn man die schnellstmöglich zweitverwerteten Flops wie „Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim“ einmal beiseite lässt, war bei den Majors zwischen 67 und 18 Tagen sehr, sehr viel Spielraum…
Obwohl die Anzahl der Filme mit Topergebnissen über 200 oder sogar 300 Mio. Dollar gegenüber dem Vorjahr übrigens unverändert blieb, sind die Ergebnisse doch Ausdruck eines noch vor Beginn des Jahres beklagten Tentpole-Mangels, der dann auch zu den verhaltenen Prognosen geführt hatte: Denn nur 34 Filme konnten am Startwochenende mehr als 20 Mio. Dollar erzielen – 15 Prozent weniger als im Vorjahr.
FAKTEN ZUM US-KINOJAHR 2024
• Die umsatzstärksten Filme waren „Alles steht Kopf 2“ (rund 653 Mio. Dollar), „Deadpool & Wolverine“ (knapp 637 Mio. Dollar) und „Wicked“ (rund 433 Mio. Dollar).
• Obwohl erst Ende November gestartet, belegt „Vaiana 2“ Platz 4 mit gut 404 Mio. Dollar
• 34 Filme starteten mit mehr als 20 Mio. Dollar, sechs weniger als 2023
• Fünf Filme starteten mit mehr als 100 Mio. Dollar – ex aequo mit dem Vorjahr
• 22 Filme spielten während ihrer Laufzeit in 2024 mehr als 100 Mio. Dollar ein – zwei weniger als 2023
• Acht Filme schafften mehr als 200 Mio. Dollar, fünf davon mehr als 300 Mio. Dollar; neben den Genannten war es noch „Ich – Einfach unverbesserlich 4“; während „Beetlejuice Beetlejuice“ die 300 Mio. um weniger als sechs Mio. verpasste. Die jeweilige Anzahl blieb gegenüber 2023 unverändert
• Die Stärke der Familienfilme zeigt sich auch im gestiegenen Boxoffice der Titel mit einem PG-Rating: Es stieg von 2,1 auf 2,8 Mrd. Dollar
• Die umsatzstärksten Studios sind Walt Disney (knapp 2,22 Mrd. Dollar; +17 Prozent auf 2023); Universal (1,88 Mrd. Dollar; -3 Prozent auf 2023), Warner (gut 1,16 Mrd. Dollar; -17 Prozent auf 2023); Sony (eine Mrd. Dollar, ex aequo mit 2023) und Paramount (879,5 Mio. Dollar; +5 Prozent auf 2023)
• Lionsgate hatte ein katastrophales Jahr: Gut 252 Mio. Dollar bedeuteten ein Minus von 57 Prozent auf 2023
• Den prozentual größten Sprung nach oben machte A24 mit 201 Mio. Dollar und einem Plus von 47 Prozent auf das Vorjahr
FAKTEN ZUM US-KINOFENSTER 2024
• Die längste Kinoexklusivität unter den Majors gewährte Walt Disney seinen Toptiteln: Bei „Alles steht Kopf 2“ und „Deadpool & Wolverine“ vergingen 67 Tage zwischen Kinostart und PVoD-Start, selbst das kürzeste Fenster für einen 2024er-Start (für „Das Erste Omen“) lag bei 53 Tagen
• Unter den Majors gewährten Universal und Paramount die kürzesten „Spitzenfenster“: Bei „Wicked“ und „Mean Girls“ ging es auf 39 Tage Kinoexklusivität, zweitlängstes Universal-Fenster waren 34 Tage für „Ich – Einfach unverbesserlich 4“
• Vielfach schickte Universal seine Titel (darunter solche wie „The Fall Guy“ und „Der wilde Roboter“) nach 18 Tagen in die PVoD-Auswertung
• Mit gut 143 Mio. Dollar Boxoffice und Rang 15 in der Jahresauswertung war „Der wilde Roboter“ auch der Top-20-Film mit dem kürzesten Exklusivzeitraum
• Das absolut kürzeste Fenster für einen großen Major-Start lag bei 14 Tagen für „Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim“ von Warner („Afraid“ von Lionsgate hatte auch 14 Tage); in der Spitze ging es bei Warner auf 46 Tage für den zweit- und drittstärksten Titel: „Dune: Part Two“ und „Godzilla x Kong: The New Empire“
• Sony setzte für den Großteil seiner Titel auf 46 Tage; Paramount schwankte zwischen 39 und 32 Tagen
Unterdessen hatte der US-Kinoverband NATO bereits kurz vor den Feiertagen Auswertungen vorgestellt, die dessen optimistischen Ausblick auf 2025 stützt: Unter den US-Teilnehmern einer Umfrage von NRG etwa habe die Kinoreichweite (12 bis 74 Jahre) im vergangenen Jahr bei satten 76 Prozent gelegen – und eine Studie von Mintel habe ergeben, dass 85 Prozent der US-Teilnehmer 2025 „gleich oft oder sogar öfter“ als im Vorjahr ins Kino gehen wollen.
Vor allem verweist die NATO auf die bessere Programmsituation in 2025. Der Zählung des Verbandes nach war die Zahl der großen Starts (jenen auf jeweils mindestens 2000 US-Leinwänden) in 2024 gegenüber dem Vorjahr von 101 auf 95 zurückgegangen – während sie nach jüngsten Schätzungen im neuen Jahr bei 110 liegen werde.
Gower Street jedenfalls traut gemäß seiner Mitte Dezember vorgelegten ersten Prognose für 2025 dem nordamerikanischen Markt ein Jahresboxoffice von 9,7 Mrd. Dollar zu.