Anfang April trafen sich auf Initiative des Filmfestivals Max Ophüls Preis, von PROG Producers of Germany und des Kuratoriums junger deutscher Film rund 60 Teilnehmende zum 2. Forum Talentfilm Deutschland. SPOT hat sich aus diesem Anlass unter den dort vertretenen Talenten zu Marktumfeld und Karrierechancen umgehört.
2022 riefen die Initiatoren Filmfestival Max Ophüls Preis, Kuratorium junger deutscher Film und PROG Producers of Germany das Forum Talentfilm Deutschland ins Leben – einen geschützten Raum, innerhalb dessen Talente und etablierte Vertreterinnen und Vertreter der Branche in einen lösungsorientierten Diskurs zu aktuellen Branchenthemen treten können. Moderierte Workshops, die die Diversität und Expertise aller Teilnehmenden einbeziehen, sollen dabei Raum für Vernetzung und den zielorientierten Austausch auf Augenhöhe geben – um auf diese Weise Ideen zur nachhaltigen Talentförderung zu erarbeiten, die den Bedarfen von Talenten und Branche gleichermaßen gerecht werden. Das Ziel: Die Filmbranche von morgen von innen heraus aktiv mitzugestalten.
Weitere Informationen zum Forum Talentfilm
Nach der Auftaktveranstaltung 2022 und mehreren flankierenden Workshops wurde Anfang April in der NRW-Landesvertretung in Berlin zum 2. Forum Talentfilm Deutschland eingeladen. SPOT nutzte die Gelegenheit, um sich bei Teilnehmenden aus dem Kreis der Talente umzuhören. Wir bedanken und herzlich bei allen Teilnehmenden für ihre Antworten und das Stimmungsbild, das sich daraus ergibt:
Fitore Muzaqi, Autorin & Regisseurin
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Ich habe meinen Karriereweg mit den Erwartungen eingeschlagen, so bald wie möglich eigene Stoffe zu schreiben und Regie führen zu können. Dafür war ich bereit, jegliche Arbeit an Filmsets zu machen, um schneller in die Branche reinzukommen und Kontakte zu knüpfen. Wichtig war mir dabei, von dieser Arbeit leben zu können. Dazu gehört es auch, sich selbst in dem, was ich tue, ernst zu nehmen und die Tätigkeit als Job zu verstehen, für den ich bezahlt werden muss. Sonst ist es ein sehr teures Hobby, was ich mir auf Dauer nicht leisten kann.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Über viele Umwege und verschiedenste Positionen in der Film- und Medienbranche (beim Öffentlich-Rechtlichen und Produktionsfirmen), kam ich letztendlich zu der Erkenntnis, dass ich nach erfolgreich abgeschlossenem Bachelor- und Masterstudium erneut in eine Ausbildung investieren muss, um mit meiner Karriereplanung voranzukommen. Zwar habe ich meine Arbeit hinter der Kamera immer als eine Art Ausbildung verstanden. Diese Arbeit hat aber nicht ausgereicht, um das Vertrauen von anderen zu bekommen, dass ich eine gute Autorin und Regisseurin bin. Dann kam ein Boost: Durch das Studium in Serial Storytelling an der Internationalen Filmschule Köln, konnte ich mich schneller als Autorin und Regisseurin etablieren. Damit geht auch einher, dass ich nicht nur von außen anders wahrgenommen wurde, sondern auch ein anderes Selbstbewusstsein mitbrachte, nachdem ich einen sehr erfolgreichen Abschluss hingelegt habe. Wahrscheinlich bedingen sich aber die Wahrnehmung von außen und das Selbstbewusstsein. Mit den kleinen Erfolgen kommt jedes Mal ein bisschen mehr Mut und so können die Projekte auch größer und anspruchsvoller werden. Die Entscheidung, erneut zu studieren und mir diesen Luxus zu leisten, ist mir nicht leichtgefallen. Denn ich habe dafür gut bezahlte freiberufliche Tätigkeiten aufgeben müssen, um ein Studium zu beginnen, für das ich auch noch bezahlen muss. Und das nur wenige Jahre nach meinem ersten Masterabschluss. Das heißt, ich war eigentlich in der Phase angekommen, nach jahrelanger Ausbildung endlich richtig Geld zu verdienen. Das Studium war eine krasse Erfahrung am Existenzminimum, trotz eines Stipendiums von der ifs. Ich habe es sehr erfolgreich abgeschlossen, was mich in meiner Berufswahl bestätigt hat. Aber nach meinem Abschluss warteten Schulden auf mich, wie bei vielen Kommilitoninnen auch. Die Jobs kamen dann auch relativ schnell rein, aber nur, weil ich bereits zehn Jahre Berufserfahrung hatte und mir dadurch ein großes Netzwerk aufgebaut hatte. Aber es dauert bei den meisten einfach lange, bis sie von diesem Handwerk, Regie und Schreiben, leben können. Es bleibt wohl keine Behauptung, wenn alle von einem „langen Atem“ sprechen.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Durch mein medienpolitisches Engagement setze ich mich intensiv mit der Film- und Förderpolitik auseinander. Zuletzt im Vorstand des Deutschen Drehbuchverbands (DDV, 2023-2025). Außerdem kenne ich die Förderlandschaft durch die Arbeit für Produktionsfirmen und die Recherche für eigene Antragsstellung gut. Aber dieses Wissen musste ich mir über viele Jahre aneignen, weil zu einem Förderantrag so einiges dazugehört. Die Film- und Förderpolitik ist außerdem sehr unübersichtlich. Gerade ändern sich glücklicherweise einige Dinge, weil die Branche vor allem durch die Themen rund um Diversität bei vielen in den Fokus gerückt ist. Die Filmlandschaft versucht transparenter zu werden, die Förderlandschaft bietet mehr Möglichkeiten des direkten Kontakts an und es wird mehr Wert gelegt auf den Austausch mit den Kreativen. Ich glaube, dass das wichtig ist, damit die Branche sich öffnet und Teilhabe ermöglicht. Vor allem für den Nachwuchs kann es sehr überfordernd sein, sich neben der freiberuflichen Tätigkeit auch mit der Förderlandschaft auseinanderzusetzen. Ich bekomme mittlerweile fast täglich Emails und Anrufe mit der Bitte, bei Antragstellung zu beraten, weil die Bürokratie erschlagend ist. Auch wenn die Filmbubble im Gegensatz zu anderen beruflichen Gruppen eine kleine Bubble ist, bleibt es weiterhin notwendig, vorhandene Strukturen zu hinterfragen und sie einer vielfältigen Gesellschaft anzupassen.
Can Tanyol, Regisseur
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Filme und Serien erfüllen unsere Gesellschaft mit Leben und sind ein Fundament für eine Kultur der Kommunikation und Toleranz. Diese Werte wurden mir von klein auf vermittelt, da meine Familie bereits einen sehr multikulturellen Hintergrund hat. Gerade in Zeiten wie der aktuellen gesellschaftlichen Spaltung wird mir bewusst, welche vermittelnde Verantwortung wir als Regisseur*innen haben. In diesem Bewusstsein und mit der Erwartung, Geschichten auch für Menschen zu erzählen, die von der Film- und Fernsehindustrie noch nicht erreicht werden konnten, bin ich Regisseur geworden. Ich bin überzeugt, dass wir in deutschen Produktionen unsere Gesellschaft in ihrer Vielfalt zeigen müssen, um das Interesse aller Beitragszahler*innen zu wecken. Zum Beispiel haben fast 50 Prozent der Schüler*innen eine Migrationsgeschichte, das sind unsere Zuschauer*innen von morgen.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Meine Erwartungen haben sich zum Teil erfüllt, aber es liegt noch ein langer Weg vor uns. Als junger Regisseur hatte ich das Glück, mein Berufsleben inmitten des aktuellen Reformprozesses zu beginnen. Unsere Branche hat verstanden, dass sie mit dem kreativen Potenzial unserer Einwanderungsgesellschaft arbeiten muss, um national und international nachhaltig erfolgreich zu sein. Es gibt inzwischen ein europaweites Bewusstsein dafür, dass die Diversität auch die Chance bietet, unsere Filmbranche wirtschaftlich zu stärken. Das FFG 2025 war nur der erste Schritt dieser Neuausrichtung, um die überholten Strukturen nachhaltig zu reformieren. Wir haben jetzt einen rechtlichen Rahmen, auf dem wir aufbauen können.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Schon in meinen ersten Monaten an der Filmhochschule wurde mir bewusst, dass ich mich mit der Filmpolitik auseinandersetzen muss. Ich wollte verstehen, wie ich mich sowohl für meine eigenen Projekte als auch für eine gerechtere Film- und Fernsehindustrie einsetzen kann. Ein besonderes Augenmerk legen wir Talents auf niedrigschwelligere Angebote für Debüt- und Zweitspielfilme. Wir wünschen uns eine Gleichstellung der Geschlechter und vielfältige Perspektiven in den Jurys. Die Reform des FFG hat die Bedeutung der jurybasierten Förderung für junge Talente deutlich erhöht. Umso wichtiger ist es, dass die Zusammenstellung der Jurys auf den Talentfilm ausgerichtet ist. Die Stärkung junger Filmemacher*innen verschafft der Branche wiederum ein größeres und engagiertes Publikum, nachhaltiges Wachstum und mehr politische Relevanz. Ich bin überzeugt, dass es derzeit ein neues ‚grassroots movement‘ in der europäischen Filmbranche gibt. Die Revolution der Mediatheken hat es möglich gemacht, dass Zuschauer*innen, die sich früher nicht für europäische Produktionen interessiert haben, heute einen schnellen Zugang zu vielen neuen Formaten bekommen. Dieses neue Publikum möchte ich auch in den Kinos und auf deutschen Festivals sehen. Das neue FFG wurde auch mit Blick auf neue Zielgruppen und den damit verbundenen Zugang für junge und vielfältige Filmschaffende erarbeitet. Gerade jetzt braucht unser Land ein demokratisches Narrativ und wo sollte diese Geschichte erzählt werden, wenn nicht im deutschen Film und Fernsehen.
Svenja Vanhoefer, Produzentin Rebelle Film
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Ich bin mit der Erwartung nach meinem Abschluss an der Filmakademie Baden-Württemberg in die Branche gestartet, dass es für junge Filmschaffende echte Möglichkeiten gibt, sich langfristig zu etablieren – durch kontinuierliche, niedrigschwellige Fördermodelle, die nicht nur das Debüt, sondern auch die Umsetzung von zweiten und dritten Langfilmen ermöglichen und das wirtschaftliche Überleben sichern. Ich habe auf Vertrauen in den Nachwuchs gehofft – darauf, nicht primär als Risiko gesehen zu werden, sondern als kreative Impulsgeberin. Meine Vorstellung war, dass es Räume für künstlerische Gestaltung gibt, gezielte Beratungstools und strukturelle Unterstützung, um das Potenzial von Talentfilmen voll auszuschöpfen und sichtbar zu machen. Was ich mir wünsche, ist echte Zusammenarbeit auf Augenhöhe – von Beginn an.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Gemeinsam mit Chiara Fleischhacker und Charlene Kilthau befinde ich mich aktuell in der Gründungsphase unserer Produktionsfirma Rebelle Film. Mit unserem Debütfilm „Vena“ hatten wir das große Glück, in der Branche Sichtbarkeit zu erhalten und für unsere Arbeit wahrgenommen zu werden. Auch wenn es bereits einige gute Fördermöglichkeiten gibt, spüren wir dennoch deutlich die strukturelle Lücke zwischen dem ersten und dem zweiten Langspielfilm: fehlende Anschlussförderungen, langwierige Entwicklungsprozesse – oft in persönlicher Vorleistung – und unsichere Finanzierungswege machen diesen Übergang zu einer echten Herausforderung. Der Weg vom Debüt hin zu einer nachhaltigen Produktionsrealität ist lang – und für junge Firmen wirtschaftlich kaum zu überbrücken.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Ich beschäftige mich intensiv mit Film- und Förderpolitik – weil ich nicht nur Filme produzieren, sondern auch Strukturen aktiv mitgestalten möchte. Gerade im Bereich des Talentfilms ist es mir wichtig, unsere aktuelle Perspektive als junge Filmschaffende sichtbar zu machen und in die Diskussion einzubringen. Ich habe den Eindruck, dass wir grundlegende Veränderungen brauchen, um Deutschland wieder zu einem attraktiven, international konkurrenzfähigen Filmstandort zu machen. Dazu gehören für mich: eine gezielte und nachhaltige Nachwuchsförderung, mehr Diversität bereits in der Stoffentwicklung, die Wiedereinführung des Diversitätsbeirats, eine Investitionspflicht für Streamingdienste, niedrigschwellige Förderstrukturen sowie ein attraktives Anreizmodell, das internationale Filmproduktionen anzieht und zugleich den lokalen Nachwuchs stärkt.
Henning Beckhoff, Autor & Regisseur
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Ich wollte Filme machen, die persönlich sind – aber nicht privat. Filme, die gesellschaftlich etwas verhandeln, Themen aufgreifen, die ich gut kenne oder die mich so interessieren, dass ich mich tief in sie einarbeiten will. Mich hat gereizt, im Austausch mit anderen Geschichten zu entwickeln und Arbeitsräume zu schaffen, in denen Haltung, Zweifel und Suche nebeneinander Platz haben. Dabei war mir wichtig, mit Menschen zusammenzuarbeiten, denen es um mehr geht als Markt oder Quote. Ich habe gehofft, dass sich eine solche künstlerische Arbeit mit einem Leben mit Familie vereinbaren lässt – auch ökonomisch. Und dass es im deutschen Film eine Gemeinschaft gibt, die neue Stimmen nicht nur entdeckt, sondern auch begleitet.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Ich konnte zwei Kinofilme realisieren, wurde zu internationalen Residencies eingeladen und habe mit großartigen Menschen gearbeitet. In dieser Hinsicht haben sich viele meiner Hoffnungen erfüllt: Ich habe erlebt, dass Handschrift, Ernsthaftigkeit und Neugier wahrgenommen werden. Gleichzeitig bleibt das seltene Drehen eine strukturelle Hürde: Es fehlt an Kontinuität, an Entwicklungsspielräumen zwischen den Projekten und an Planungssicherheit. Die Anerkennung, die es zwischendurch gibt, ist schön – aber selten mit nachhaltiger Absicherung verbunden. Die Prekarität bleibt, selbst wenn man als Autor und Regisseur sichtbar ist.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Ich bin im Vorstand des Bundesverbands Regie und engagiere mich für Talentförderung und eine stärkere Vernetzung innerhalb der Branche. Besonders wichtig ist mir, das überholte Bild des Regisseurs als alleinentscheidender Künstler zu hinterfragen. Ich glaube an geteilte Verantwortung – an eine Zusammenarbeit, in der auch Dramaturg:innen, Kameraleute, Editor:innen, Produzent:innen oder Szenenbildner:innen ernst genommen werden. Wir brauchen eine Filmkultur, die sich nicht nur auf einzelne Namen konzentriert, sondern Prozesse und Teamarbeit ins Zentrum stellt.
Der Status quo ist ambivalent: Einerseits gibt es neue Förderansätze und Programme, die den Talentfilm sichtbarer machen. Andererseits bleibt vieles schwerfällig, fragmentiert und geprägt von Einzelinteressen. Vielen gelingt nach dem Debüt nicht der Übergang in die Auftragsarbeit. Formate sind oft fest vergeben – es braucht gezielte Initiativen für den Nachwuchs: mehr Tatorte, die von jungen Regisseur:innen inszeniert werden, mehr Shadowing-Programme, die den Einstieg in den Berufsalltag erleichtern. Auch, damit Filmemachen nicht länger vor allem Menschen aus bildungsbürgerlichen Milieus vorbehalten bleibt.
Was mir Hoffnung macht, ist die zunehmende politische Haltung vieler junger Filmschaffender – oft ehrenamtlich, mit großem Engagement. Foren wie das zum Talentfilm zeigen: Es gibt den Wunsch, wirklich ins Gespräch zu kommen – nicht nur um Positionen zu vertreten, sondern um einander zuzuhören. Das stimmt mich optimistisch.
Astrid Menzel, Autorin & Regisseurin
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Am Anfang meiner Filmkarriere stand vor allem eine große Faszination für die „Zaubermaschinerie Film“. Es war eine Welt, zu der ich mich regelrecht hingezogen fühlte. Film erinnerte mich immer wieder an das große Ganze, ließ mich träumen und half mir, meine eigenen Wünsche zu formulieren. Zunächst schien mir der Zugang zur „Arbeitswelt Film“ unmöglich. Dann bot sich mir die Gelegenheit, am Filmset mitzuarbeiten – und von da an war mir klar: Es ist ein Handwerk, das man erlernen kann. Mein filmischer Anfang bestand darin, als Set-Runner stundenlang den Ersatzgenerator auf dem Besucherparkplatz zu überwachen, während ich über Funk erahnen konnte, ob und wer gerade irgendwo in dem Schloss hinter mir drehte. Set-Wache zu halten, war meine Chance, möglichst nah am Geschehen zu sein – auch wenn das bedeutete, die eigene Mittagspause zu verkürzen, um ein leeres Set zu bewachen. Ich habe diese Erfahrungen geliebt, und es war für mich immer etwas Besonderes, Teil einer Filmcrew zu sein.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Für mich ist Film eine Branche, die grundsätzlich allen offensteht – auch wenn der Zugang nicht immer offensichtlich ist. Ich habe über zwei Jahre lang jedem, der mir begegnete, erzählt, dass ich zum Film möchte. Irgendwann kannte dann jemand jemanden, der mich als Praktikantin an ein Filmset vermittelte. Ob man bleiben durfte, hing dann vor allem davon ab, ob man sich beweisen konnte. Dabei ging es weniger um kreative Einzigartigkeit als um Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und Teamgeist. Später folgte ein Filmstudium, auf dessen Aufnahmeprüfung ich mich akribisch vorbereitete. Der Bachelor in Filmregie und Schnitt war das Ergebnis – ein Abschluss, der zunächst kaum jemanden interessierte. Denn in dieser Branche zählen weniger Zeugnisse als vielmehr die Projekte, an denen man bereits mitgewirkt hat. Die intensive Auseinandersetzung mit alten Klassikern und Autorenfilmen während meines Studiums empfand ich wie ein Geschenk. Dieses Wissen ist für mich bis heute ein Schatz, der meine Leidenschaft für Film noch vertieft hat. Ein Empfehlungsschreiben eines bekannten Regisseurs half mir nach dem Studium, wieder den Einstieg in die Branche zu finden – dieses Mal als Regieassistenz. Als ich mich schließlich traute, einen eigenen Kurzfilm zur Förderung einzureichen, ging alles ganz schnell: Mein Kurzfilm „Nicht im Traum“ wurde realisiert, kurz darauf folgte mein Dokumentarfilmdebüt „Blauer Himmel Weiße Wolken“. Viele Jahre und zahlreiche Film- und Kunstprojekte später fällt mir das Schreiben von Förderanträgen leichter – eine Garantie gibt es dabei aber nie. Nebenjobs gehören fest zu meinem Alltag. Konkurrenz und Leistungsdruck sind herausfordernd, ebenso wie der Spagat zwischen produktionstechnischem Denken und dem Schutz der eigenen „kreativen Seele“. Ich glaube fest daran, dass es darauf ankommt, selbst überzeugt von der eigenen Idee zu sein – dann findet sich auch ein Weg. Mir ist bewusst, dass ich als junge, weiße Frau von einem gewissen Privileg innerhalb der bestehenden Förderlandschaft profitiere. Gleichzeitig bin ich überzeugt davon, dass ich mir über die Jahre umfangreiches Wissen angeeignet habe, das es mir heute ermöglicht, andere von meinen Fähigkeiten zu überzeugen.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Ich verfolge film- und kulturpolitische Entwicklungen aufmerksam. Besonders beschäftigt mich die Diskrepanz zwischen der Wertschätzung innerhalb der Branche und der teils geringen Anerkennung von außen. Es gibt immer wieder Menschen, für die der Nutzen von Kunst und Film nicht unmittelbar ersichtlich ist – und die daher auch die staatliche Förderung infrage stellen. Ich wünsche mir also mehr Menschen, die das Filmschaffen als breites Feld begreifen und eine Förderlandschaft, die diese Vielfalt nicht nur ermöglicht, sondern als Stärke begreift – und Räume schafft für Austausch, Transparenz und kreative Risikobereitschaft.
Katharina Hein, Producerin Apollonia Film
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Zunächst habe ich Filmwissenschaft studiert – mit der Vorstellung, später einmal im Kulturbereich zu arbeiten, etwa in einem Archiv, Museum oder vielleicht einem Programmkino. Dass man auch Regie, Produktion oder Drehbuch studieren kann – und dass es dafür spezialisierte Filmhochschulen gibt, habe ich erst recht spät erfahren. Seitdem ich selbst an einer Filmhochschule studiere, habe ich die Erwartung entwickelt, nach dem Studium bestens vorbereitet in die Branche einzusteigen und als Producerin zu arbeiten. Jetzt, im Abschlussjahr an der HFF München, gehe ich trotz aller Herausforderungen in der Branche mit einem optimistischen Blick in die Zukunft und halte an diesem Ziel fest.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Meine Erwartungen wurden in vielerlei Hinsicht erfüllt – vor allem, was die praktische und kreative Arbeit während des Studiums betrifft. Ich konnte zahlreiche Projekte realisieren, Erfahrungen sammeln und mein Profil als Producerin schärfen. Besonders wertvoll war dabei der frühe und direkte Kontakt zu Sendern wie dem BR oder dem Kleinen Fernsehspiel – ein Zugang, der außerhalb der staatlichen Filmhochschulen sicherlich schwerer herzustellen ist. Aber auch das finde ich elementar: Die Filmhochschulen sollten nicht der einzige Zugangsweg zu bestimmten Berufsbildern in der Filmbranche sein. Auch einschlägige Berufserfahrung oder starkes künstlerisches Potenzial außerhalb der Hochschulen sollten gezielter gefördert werden. Mehr Beratungs- und Mentoring-Programme für angehende Produzent:innen, mit oder ohne Gründungswunsch, halte ich dafür ebenso für notwendig wie eine strukturelle Öffnung der Branche. Denn nicht jede:r kann sich ein Vollzeitstudium in einer der teuersten Städte Deutschlands leisten. Viele Studierende sind auf familiäre Unterstützung angewiesen, und wer diese nicht hat, steht oft vor erheblichen Hürden. Es fehlt ein Ausgleich für jene, die keinen finanziell abgesicherten Hintergrund mitbringen oder keine Eltern in der Branche haben, die Türen öffnen können. Gerade Letzteres führt zu einem strukturellen Vorteil, der sich durch persönliche Leistung allein nur schwer ausgleichen lässt.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Es interessiert mich schon sehr, auch wenn es nicht immer aktuellen Bezug zu meinen täglichen Aufgaben hat. Gerade durch die Entwicklungen rund um das neue Filmförderungsgesetz und die kulturpolitischen Diskussionen im Zuge der Koalitionsverhandlungen ist mir noch bewusster geworden, wie stark die deutsche Filmbranche von politischen Entscheidungen und öffentlichen Geldern abhängig ist. Ich hoffe sehr auf das Steueranreizmodell und die Investitionsverpflichtung. Bei den Länderförderungen und den neuen Möglichkeiten des Kuratoriums junger deutscher Film und der FFA sehe ich aber schon wichtige und positive Entwicklungen. Und Dank des FilmFernsehFonds genießen wir hier in Bayern eine sehr gute Förderinfrastruktur, die insbesondere den filmischen Nachwuchs auf konstruktive, positive Weise unterstützt.
Eileen Byrne, Regisseurin & Autorin
# Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihren Karriereweg eingeschlagen?
Mit der Erwartung, dass ich nach dem Studium Langspielfilme drehen und davon leben könnte. Als Karrieredurchbruch wurde immer der Debütfilm genannt und so war das lange das heiß ersehnte Ziel.
# Inwieweit wurden sie erfüllt?
Ich habe mein Debüt gedreht, doch an meiner Situation hat das nicht so wahnsinnig viel geändert. Ich hatte nie die Erwartung oder gar den Wunsch, vom Filmemachen reich zu werden. Aber es wäre schön, die konstanten Existenzängste irgendwann loszuwerden. Denn Angst hemmt die Kreativität.
# Wie sehr setzen Sie sich mit Film- und Förderpolitik auseinander – und was ist Ihr Eindruck vom Status Quo?
Ich setze mich seit einigen Jahren mit der deutschen Film- und Förderpolitik auseinander – nicht zuletzt als Mit-Initiatorin der Initiative „Angst essen Kino auf“. Die föderale deutsche Förderlandschaft und die Partizipation der Fernsehsender an der Finanzierung machen es Filmtalenten schwer, ihre Filme zu machen. Wenn wir mehr gute, deutsche Filme sehen wollen, braucht es meiner Meinung nach eine grundlegende Vereinfachung der Finanzierungsstrukturen.