Sie geben den Kinos ihr Gesicht: Engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Herz der großen Leinwand gehört. Im Rahmen einer eigenen SPOT-Reihe sprechen Sie über den Weg in die Kinobranche, den Reiz ihrer Tätigkeit – und über Kino-Klischees.
Wie haben Sie Ihren Weg in die Kinobranche gefunden?
Mathias Fuß: Ich bin eher durch Zufall in der Branche gelandet. In meinem zweiten Studienjahr in Darmstadt las ich kurz nach Weihnachten in einem Monatsmagazin eine Anzeige der Helia-Kinos und bin einfach mal dort vorbeigegangen. Innerhalb von ein paar Minuten war ein Probe-Arbeitstag für den 30.12. vereinbart. Aus dem Probe-Tag wurde eine Aushilfstätigkeit am Einlass, beim Eisverkauf oder an der Kasse und irgendwann lernte ich auch das Vorführen. Durch Zufall kam ich mit Hans-Jürgen Jochum und der Verwaltung in Kontakt. Bei einem Personalnotstand wurde ich dann gefragt, ob ich Montags morgens nicht Zahlen an die Verleiher per Telefon rausgeben könnte (damals gab es kein Comscore, Rentrak oder Nielsen-EDI). Aus der montäglichen Aushilfstätigkeit wurde innerhalb kurzer Zeit eine Festanstellung mit wechselnden Aufgabengebieten. Anfangs als Theaterleiter und Dispo-Aushilfe, zum Teil auch mit IT- und Technik-Aufgaben. Mit dem Bau der ersten Kinopolis Multiplexe in Sulzbach und Viernheim entstand eine eigene Dispo-Abteilung unter mir. Aus dem Probe-Tag in den Helia Kinos sind jetzt 38 Jahre bei Kinopolis geworden.
Was reizt Sie am meisten an Ihrer Tätigkeit?
Mathias Fuß: Auch wenn jede Woche eigentlich immer die gleichen Aufgaben anfallen (Anmietung, Trailering, Dispo, Abrechnung, etc…) ist der Job abwechslungsreich. Jede Woche gibt es neue Filme für andere Besucherschichten und mit anderem Potential. Man muss sich immer wieder aufs Neue in das Publikum hineindenken, um ein optimales Programm zu erstellen. In Laufe der letzten Jahre habe ich viele schlechte und sehr schlechte Filme gesehen, aber noch mehr Gute und zum Teil Meisterwerke. Ich kann mich noch genau an die erste Pressevorführung von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ erinnern, als noch niemand das Potential der Reihe richtig einschätzen konnte oder an eine Vorführung von „Schindlers Liste“ im Frankfurter Royal Kino, die mich total mitgenommen hat. Aber auch an die Massen von Fans, die zur Mitternachtspremiere von Michael Jacksons „Moonwalker“ in unsere Kinos gestürmt sind. Besonders erwähnen möchte ich die Tradeshows und Set-Visits, die jedes Mal etwas Besonderes sind und immer wieder Lust auf neue Filme machen.
Was zeichnet Ihr Haus/Ihre Gruppe besonders aus?
Mathias Fuß: Kinopolis ist ein in über 110 Jahren gewachsenes Unternehmen mit kleinen traditionellen Kinos, Arthäusern und großen Multiplexen. Nach dem Zusammenbruch des „Neuen Marktes“ und der Insolvenz von Kinowelt, sowie dem Rückkauf durch die Familie Theile, sind wir trotz dem stark gewachsenen Theaterpark weiterhin ein sehr familiäres Unternehmen geblieben. Viele der Kolleg:innen in der Verwaltung oder in der Kino-Leitungsebene sind zehn oder mehr Jahre in unserem Unternehmen. Auch die meisten meiner Mitarbeiter:innen in der Dispo-Abteilung sind über 20 Jahre bei uns beschäftigt. Diese lange gemeinsame Zeit schweißt zusammen und viele Kolleg:innen sind auch Freunde.
Welchen Rat würde Sie Menschen geben, die mit einer Karriere im Kino liebäugeln?
Mathias Fuß: Man muss Kino und Film lieben und sich nicht von manchmal langen Arbeitstagen abschrecken lassen. Es gibt nichts Schöneres als einen gemeinsamen Abend im Kino, bei dem man zusammen Weinen und Lachen kann. Es ist immer ein besonderer Moment, wenn nach den Trailern unser Kinopolis-Logo auf der Leinwand erscheint und man dem Film entgegenfiebert. Ein Film zu Hause auf dem Fernseher kann sich mit Kino nicht vergleichen. Kino ist ein Erlebnis von Anfang bis Ende, während ich mich zu Hause oft ertappe, dass ich einen Film auch schon mal vorspule oder Anderes nebenbei erledige.
Gibt es ein Kino-Klischee, dem Sie widersprechen würden?
Mathias Fuß: Meine Mutter dachte immer: Kino ist Jahrmarkt und Spaß. Es hat lange gedauert, bis ihr klar war, dass ich nicht den ganzen Tag im Kino sitze und mir Film an Film anschaue. Ich konnte ihr aber auch nie erklären, was ich wirklich den ganzen Tag so mache. Und dem größten Klischee muss ich widersprechen: Kino wird nicht aussterben. Wir haben die Einführung des Fernsehens überlebt oder die Video-Ära. Und auch Streamingdienste werden das Kino nicht ersetzen können. Kino bleibt immer ein Gemeinschaftserlebnis.