Weniger Filme zu fördern, diese aber besser auszustatten, gilt als eines der Maximen der Förderreform. Dem trägt auch der erste Entwurf für die jurybasierte Filmförderung des Bundes Rechnung. Zumindest ein wenig – und bei Schlechterstellung von Dokumentar- gegenüber Spielfilmen in der Produktionsförderung.
Ein wenig schmunzeln muss man bei dieser Förderreform bisweilen schon. Beispielsweise über die Gerüchte, was seit Übersendung der Dokumente zur jurybasierten Filmförderung am 2. Mai womöglich schon wieder veraltet sein könnte. Wobei man (auch wenn beispielsweise die mitgeschickte Anlage 2 zu den ökologischen Standards vom 24. Januar 2023 datierte und zumindest ein zentraler Punkt – die Anzahl der zulässigen Abweichungen bei den Muss-Regeln – offenbar tatsächlich noch für Diskussionen sorgt) wohl konstatieren muss, dass ein Großteil dieser Gerüchte purer Verunsicherung entspringen dürfte. Kein Wunder bei einer Förderreform, die sich auf so vielen verschiedenen Ebenen abspielt – und bei der auch BKM-Vertreter schon nicht-öffentlich erklärt haben sollen, dass das mit dem neuen Anreizsystem nach ihrer Einschätzung jedenfalls nichts vor dem Sommer 2025 wird. Dass man versucht, zumindest die Herausbringung jener Filme, die unter das geplante Filmförderungszulagengesetz fallen sollen, ebenfalls in diesem Kontext zu fördern, ist sicherlich kein schlechtes Signal. Geht aber (noch) mit eingeschränkten Erwartungen an die Realisierbarkeit einher, wirft die Frage auf, wer konkreter Empfänger dieser Förderung ist, lässt Kinos (sowie den Verleih anderer Filme) weiter im Regen stehen – und sorgt angesichts des eingeschränkten Adressatenkreises für ganz neue Debatten. Dies umso mehr, als noch unlängst Gerüchte geschürt worden waren, wonach die Pläne der BKM an dieser Stelle umfassenderer Natur sein könnten. Da helfen auch die von SPOT exklusiv skizzierten Anpassungen im FFG zugunsten der Kinos wenig.
Aber zurück zu den Ebenen. Alles andere als optimal ist natürlich, dass wesentliche Teile der Förderreform scheibchenweise überreicht werden (und das, wie man hört, auch nicht immer an einen angemessen großen Empfängerkreis). Zumal auch die Dokumente vom 2. Mai nur einen Bruchteil dessen darstellen, was die kulturelle Filmförderung des Bundes in Zukunft ausmachen soll. Abgesehen davon, dass der Deutsche Filmpreis, der Deutsche Drehbuchpreis, der Deutsche Kurzfilmpreis, der Verleihprogrammpreis, der Kinoprogrammpreis und „Sonstige Vorhaben“ im Teilbereich der jurybasierten Förderung außen vor bleiben, lagen zumindest bis zuletzt noch keine Vorlagen zur Kinoförderung aus Steuermitteln (anhand einer „Programmkinoklassifizierung“) und zur künftigen Talentförderung vor, die von Bund und Ländern unter dem Dach des Kuratoriums junger deutscher Film gemeinsam (finanziell) getragen werden soll. Dies ist übrigens eine der wenigen Stellen, an denen – zumindest noch rund um die Verleihung des Deutschen Filmpreises – die Gerüchte in eine ausgesprochen positive Richtung gingen. Sollte die Summe, die in Berlin kursierte, auch nur halbwegs realistisch sein, wäre das wenigstens an dieser Stelle ein wirklich starkes Signal. Und könnte auch Klagen darüber verstummen lassen, dass der Kinderfilm im Entwurf für die jurybasierte Filmförderung keine gesonderte Rolle mehr spielt. Denn unter dem Dach des Kuratoriums (das an dieser Stelle schon bislang gemeinsam mit der BKM in der Verantwortung stand) könnte – mit besonderer Betonung des Konjunktivs – die Stärkung nennenswert ausfallen. Mit welchem konkreten Konzept die BKM die jurybasierte Förderung des Kinderfilms umsetzen will, scheint indes noch offen zu sein. Wie so vieles.
Im Entwurf für die jurybasierte Förderung wird jedenfalls durchaus das Vorhaben verfolgt, Filme künftig besser auszustatten – allerdings nicht übermäßig radikal. In der Förderung für programmfüllende Spielfilme fallen die Anhebungen dank der schon bislang geltenden Ausnahmen vergleichsweise soft aus: Waren es bislang nur „begründete Ausnahmefälle“, in denen bis zu einer Mio. Euro an Förderung gewährt werden konnte, gilt dies nun als grundsätzliche Obergrenze (statt wie zuvor 500.000 Euro). Auch das Maximalbudget für Filme, die von dieser Förderart profitieren können sollen, wurde erhöht; von fünf auf sechs Mio. Euro – wobei in „besonders begründeten Ausnahmefällen“ schon bislang Abweichungen nach oben möglich waren (und bleiben). Nur „begründet“ – also ohne den Zusatz „besonders“ – muss ein Ausnahmefall sein, wenn es um die Gesamtherstellungskosten für Animationsfilme geht.
Gegenüber programmfüllenden Spielfilmen wurde der programmfüllende Dokumentarfilm, der sich in der aktuell noch geltenden Regelung in einer gemeinsamen Vorschrift findet, schlechter gestellt. Denn für ihn bleibt es unverändert bei der grundsätzlichen Fördergrenze von 500.000 Euro, jener von einer Mio. Euro bei begründeter Ausnahme – und dem grundsätzlichen Höchstbudget von fünf Mio. Euro. Besser ergeht es da dem Kurzfilm, der künftig mit bis zu 40.000 Euro statt 30.000 Euro gefördert werden kann. Und wo bislang eine Grenze von 20.000 Euro für Kurzfilme galt, die mit Mitteln von Hochschulen realisiert wurden, steht eine solche Einschränkung nicht im derzeitigen Entwurf.
Gute Nachrichten auch für den Verleih, wenngleich sich dieser nach derzeitigem Stand nun nicht gerade wie der große Gewinner der Reform fühlen darf (ganz im Gegenteil): Die Maximalfördersumme pro Film wurde von 100.000 auf 150.000 Euro angehoben, die grundsätzliche Obergrenze bei den Verleihkosten von 500.000 auf 600.000 Euro; bei Filmen die im Rahmen der jurybasierten Förderung unterstützt wurden, greift sie gar nicht.
Bleibt – neben den bereits eingangs skizzierten – die große Frage: Mit welchem Gesamtbudget wird die jurybasierte Förderung hinterlegt sein? Im Prinzip könnte der perspektivische Wegfall der haushaltsbasierten Förderinstrumente DFFF und GMPF trotz der Sparvorgaben aus dem Hause Lindner genug Mittel frei machen, um an dieser Stelle zu stärken. Aber ganz abgesehen von den Zweifeln daran, dass DFFF und GMPF so schnell „verzichtbar“ werden wie gehofft (dass die BKM Mittel für diese Instrumente für den Haushalt 2025 angemeldet hat, ist offenes Geheimnis), könnten diese Vorgaben empfindlich genug sein, um selbst bei Streichung derart großer Posten noch Lücken in den Töpfen zu hinterlassen. Und wenn man ehrlich ist: Die Aussagen aus dem Hause von Kulturstaatsministerin Claudia Roth selbst weisen seit etlichen Monaten auf nichts anderes hin…
Marc Mensch