Ein Leben ohne Kino ist möglich, aber nicht erstrebenswert. Mit unserem SPOT-Fragebogen KINO KINO KINO hören wir uns bei Filmemachern um, was ihre bleibenden Kinoerlebnisse waren. Hier antwortet der Regisseur Ido Fluk, der sich aktuell mit seinem Film „Köln 75“ auf Kinotour durch Deutschland befindet. Premiere feierte er auf der Berlinale, am 13. März kommt er im Verleih von Alamode ins Kino.

Do you remember your first visit to the cinema? What? When? Where? How? ••• Können Sie sich an Ihren ersten Kinobesuch erinnern? Was? Wann? Wo? Wie?
I have a flash memory of sitting in the dark theater and watching that flying dog from the “Never Ending Story”. The magic of being a child and watching something from another dimension. That stayed with me. ••• Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich im dunklen Kinosaal saß und den fliegenden Hund aus „Die unendliche Geschichte“ sah. Die Magie, ein Kind zu sein und etwas aus einer anderen Dimension zu sehen. Das ist mir im Gedächtnis geblieben.
Do you have a special memory of a visit to the cinema that you would call lasting? ••• Gibt es einen besonderen Kinobesuch, den Sie als bleibend bezeichnen würden?
Sure. When I was six years old my family moved from Tel Aviv to Paris. I didn’t have many friends, my dad was always at work, and my mom, poor thing, had to keep me occupied. So she took me to the movies. We watched everything and went everywhere. Joined at the hip. Dubbed in French and not dubbed in French. And later I went by myself. I still remember watching Greenaway’s „The Cook The Thief His Wife and Her Lover“ in the cinematheque. And then Kieslowski’s „Decalogue“. The possibilities of cinema! By the time I was a teenager, back in Tel Aviv, I went by myself. I fell for Bresson, Bergman, Tarkovsky, Wenders, I must have watched Wings of Desire a thousand times… But I would watch everything. / Klar. Als ich sechs Jahre alt war, zog meine Familie von Tel Aviv nach Paris. Ich hatte nicht viele Freunde, mein Vater war immer bei der Arbeit und meine Mutter, die Arme, musste mich beschäftigen. Also nahm sie mich mit ins Kino. Wir haben alles gesehen und waren überall. Wir waren unzertrennlich. Filme mit französischen Untertiteln und Filme ohne französische Untertitel. Und später ging ich alleine. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in der Cinemathek Greenaways „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ gesehen habe. Und dann Kieslowskis „Dekalog“. Die Möglichkeiten des Kinos! Als ich ein Teenager war, ging ich in Tel Aviv alleine ins Kino. Ich war begeistert von Bresson, Bergman, Tarkowski, Wenders. Ich muss „Der Himmel über Berlin“ tausendmal gesehen haben … Aber ich habe mir alles angesehen.
Is there a film that inspired you to become a filmmaker yourself? / Gibt es einen Film, der Sie dazu bewegt hat, selbst Filmemacher werden zu wollen?
The inspiration, or the possibility of life as a filmmaker came not from watching film, but from my sister’s then boyfriend, now partner, Yair Raveh, who is a film critic, writer, and scholar in Tel Aviv. He introduced the possibility of not just watching film, but participating or creating film into my life. He is the first in a series of mentors I’ve been fortunate to have in my life. Having him at the Berlinale premiere of KÖLN 75 was very special. / Die Inspiration oder die Möglichkeit, als Filmemacher zu arbeiten, kam nicht vom Filmeschauen, sondern von Yair Raveh, dem damaligen Freund und jetzigen Partner meiner Schwester, der Filmkritiker, Autor und Wissenschaftler in Tel Aviv ist. Er brachte die Möglichkeit in mein Leben, nicht nur Filme zu schauen, sondern auch selbst Filme zu machen oder an ihnen mitzuwirken. Er ist der erste in einer Reihe von Mentoren, die ich in meinem Leben hatte. Es war etwas ganz Besonderes, ihn bei der Berlinale-Premiere von KÖLN 75 dabei zu haben.
Your best visit to the cinema? / Ihr schönster Kinobesuch?
Nothing beyond what I wrote above. / Nichts, was über das oben Geschriebene hinausgeht.
Can you remember a visit to the cinema that you particularly disliked? / Können Sie sich an einen Kinobesuch erinnern, der Ihnen auf besondere Weise verleidet wurde?
No. But I will say, as I grow older, I consider every single film ever made a miracle. Making films is an impossible task. It’s pushing the boat up the mountain, every single time. So I have developed a lot of compassion for films. Even when I don’t have a good experience, I always remember the herculean task all of the people in the credits performed. What they went through. A film is a sum total of the dreams of many people. I appreciate that. / Nein. Ich kann aber sagen, je älter ich werde, desto mehr betrachte ich jeden einzelnen Film, der je gedreht wurde, als ein Wunder. Filme zu machen, ist eine unmögliche Aufgabe. Es ist jedes Mal ein Kraftakt. Deshalb habe ich viel Mitgefühl für Filme entwickelt. Selbst wenn ich keine gute Erfahrung mache, erinnere ich mich immer an die Herkulesaufgabe, die alle Menschen im Abspann gemeistert haben. Was sie durchgemacht haben. Ein Film ist die Summe der Träume vieler Menschen. Das weiß ich zu schätzen.
Which film did you last see in the cinema? / Welchen Film haben Sie zuletzt im Kino gesehen?
I think “Anora”. I’m late to the party. The sad reality of having a busy filmmaking career is that time to go and sit in the dark theater is very limited. You bring a film to the Berlinale, which is a dream, but you have such an impossible schedule with the press and the photocalls and the meetings and work on next projects, that you end up not having time to actually watch film. It’s the tragedy of the profession and why you should be careful with what you wish for. The job of a filmmaker, at a certain level, becomes similar to being a politician. And that’s dangerous. / Ich denke, das war „Anora“. Ich komme zu spät zur Party. Die traurige Realität einer vielbeschäftigten Filmkarriere ist, dass man nur sehr wenig Zeit hat, sich in den dunklen Kinosaal zu setzen. Man bringt einen Film zur Berlinale, was ein Traum ist, aber man hat einen so unmöglichen Zeitplan mit der Presse und den Fototerminen und den Meetings und der Arbeit an den nächsten Projekten, dass man am Ende keine Zeit hat, sich tatsächlich Filme anzusehen. Das ist die Tragik dieses Berufs und der Grund, warum man sich seine Wünsche gut überlegen sollte. Der Job eines Filmemachers ähnelt ab einem gewissen Punkt dem eines Politikers. Und das ist gefährlich.
Which film have you seen most often? / Welchen Film haben Sie am öftesten gesehen?
Maybe “Naked”? The Mike Leigh film, which I had on tape and watched so much the faces ended up blurring completely until David Thewlis became just an orb of light. Or maybe the first “Decalogue”. Sure, it was done for TV, but to me it’s the purest form of cinema. And it never ceases to be relevant. I mean, you watch it today, with where AI is in our world, and it really blows your mind. It is such a masterful piece of work. / Vielleicht „Naked“? Der Film von Mike Leigh, den ich auf Video hatte und so oft gesehen habe, dass die Gesichter am Ende völlig verschwommen waren, bis David Thewlis nur noch eine Lichtkugel war. Oder vielleicht der erste „Decalogue“. Sicher, er wurde fürs Fernsehen gemacht, aber für mich ist er die reinste Form des Kinos. Und er wird nie an Relevanz verlieren. Ich meine, wenn man sich den Film heute ansieht, angesichts dessen, wo KI in unserer Welt steht, haut es einen wirklich um. Es ist ein so meisterhaftes Werk.
Do you have a guilty pleasure? / Gibt es ein Guilty-Pleasure?
Oh absolutely. I adore the film “Office Space”. I try to watch it once a year. When my wife was pregnant with our son, we watched it, and she laughed so hard her water broke and he was born the next day. / Oh ja, auf jeden Fall. Ich liebe den Film „Office Space“. Ich versuche, ihn mir einmal im Jahr anzusehen. Als meine Frau mit unserem Sohn schwanger war, haben wir ihn uns angesehen, und sie hat so sehr gelacht, dass die Fruchtblase geplatzt ist und er am nächsten Tag geboren wurde.
Have you recently discovered a film that you particularly like? / Gibt es eine besondere Filmentdeckung, die Sie in jüngster Zeit gemacht haben?
I am working now with Joe Wright, who, by the way, did an incredible 8 hour film about Mussolini that everyone should watch. It’s not a mini series but truly an 8 hour film and I urge everyone to try and watch it that way. In any case, he recommended an english gangster film from 1948 I had never heard of called “Brighton Rock”. That film was really special. / Ich arbeite aktuell mit Joe Wright zusammen, der übrigens einen unglaublichen achtstündigen Film über Mussolini gemacht hat, den sich jeder ansehen sollte. Es handelt sich nicht um eine Miniserie, sondern um einen echten Acht-Stunden-Film, und ich empfehle jedem, ihn sich auf diese Weise anzusehen. Auf jeden Fall hat er mir einen englischen Gangsterfilm aus dem Jahr 1948 empfohlen, von dem ich noch nie gehört hatte und der „Brighton Rock“ heißt. Dieser Film war wirklich etwas Besonderes.
Why should people see your current/new/latest film at the cinema? / Warum muss man Ihren aktuellen/neuen/jüngsten Film unbedingt im Kino sehen?
Because it’s something new. An attempt to make a film like a piece of music. Improvised, strange, risky, challenging, but also it’s a fun ride. It doesn’t take itself too seriously. But if you think about it, after you watch it, I think you realize it was a risky proposition. Rules are broken, then followed, then broken again. And the soundtrack, with CAN and Neu! and Floh de Cologne, Miles… it’s banging. Big screen, great speakers, people laughing at the zingers – it was truly made for the collective cinematic experience. / Weil es etwas Neues ist. Ein Versuch, einen Film wie ein Musikstück zu machen. Improvisiert, seltsam, riskant, herausfordernd, aber auch eine lustige Angelegenheit. Er nimmt sich selbst nicht allzu ernst. Aber wenn man darüber nachdenkt, wird einem nach dem Anschauen klar, dass es ein riskantes Unterfangen war. Regeln werden gebrochen, dann befolgt, dann wieder gebrochen. Und der Soundtrack mit CAN und Neu! und Floh de Cologne, Miles … ist der Hammer. Großbildleinwand, tolle Lautsprecher, Leute, die über die Pointen lachen – er ist geschaffen für das kollektive Kinoerlebnis.
What should your next film be? / Was soll Ihr nächster Film werden?
Whatever it is, it should be and it will be impossible. Possible projects are boring. The impossible is why we’re here. / Was auch immer es ist, es sollte und wird unmöglich sein. Mögliche Projekte sind langweilig. Das Unmögliche ist der Grund, warum wir hier sind.
Cinema means to you… / Kino bedeutet für Sie…
It’s an art form. There’s a lot of business talk around it, especially in the US, in “Hollywood” where I work mostly, but it’s an art form. If you forget that, you’re lost. / Es ist eine Kunstform. Es wird viel über das Geschäft geredet, vor allem in den USA, in „Hollywood“, wo ich hauptsächlich arbeite, aber es ist eine Kunstform. Wenn man das vergisst, ist man verloren.