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„Hauptsache, dieses Kinodenkmal bleibt erhalten!“

Die letzte Vorstellung ist gespielt, das Licht im Filmtheater Sendlinger Tor ist erloschen. Wir sprachen zum Abschied noch einmal mit der Betreiberfamilie Preßmar, die einen extrem emotionalen Abend durchlebte.

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Ein letztes Mal Gastgeber im Filmtheater Sendlinger Tor: Oliver, Fritz, Evi und Christoph Preßmar (Credit: THE SPOT media & film)

„Ein Optimist ist ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind.“ Eigentlich ein sehr schönes Zitat eines legendären Münchner Originals. Und doch fällt es an diesem Abend schwer, beim Gedanken daran zu schmunzeln, auch wenn dem Urheber gerade auf der großen Leinwand gehuldigt wird. 

Denn es ist ein anderes legendäre Münchner Original, das da gerade seinen Abschied feiert. Mit „Rama Dama“ und „Herbstmilch“ von Joseph Vilsmaier und Kurzfilmen von Karl Valentin. Einen Abschied vom Publikum und der Familie Preßmar, die über 80 Jahre und drei Generationen hinweg die Geschicke des Hauses lenkte. Über rund ein Jahrzehnt hinweg stets unter dem Damoklesschwert versuchter Kündigungen des Mietvertrages, gegen die man sich lange Zeit erfolgreich wehrte – bis zum September vergangenen Jahres, als man sich angesichts einer letztlich wirksam zum 30. Juni 2025 ausgesprochenen Kündigung gezwungen sah, eine rechtshängige Räumungsklage im Wege des Vergleichs zu beenden.

Die kräftezehrenden Rechtsstreitigkeiten noch einmal in extenso zu rekapitulieren – dafür ist dieser Abend nicht der richtige. Dass in Gesprächen von Besuchern vor den noch einmal hellerleuchteten Schaufenstern, in denen stets nicht nur Plakate, sondern auch Kritiken zu den jeweiligen Filmen ausgehängt waren (jetzt ist es noch ein Abschiedsinterview mit der Abendzeitung), innerhalb eines Zeitraums von wenigen Minuten zwei Mal das Wort „Gier“ im Kontext mit den Immobilieneigentümern fällt, überrascht allerdings womöglich nicht. 

Bezeichnend ist jedenfalls, dass jene Damen aus der Erbengemeinschaft, deren jahrelanger Widerstand gegen die Kündigung dafür sorgte, dass die Preßmars das Haus wenigstens bis heute führen konnten, persönlich vor Ort sind, um ihrerseits Abschied zu nehmen. Wie groß der Druck auf sie gewesen sein muss, letztlich einzulenken – man kann es sich ausmalen. Oder wie es Christoph Preßmar ausdrückt: „Es tut weh. Aber ich kann sie wirklich verstehen.“

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Der letzte große Erfolg im Filmtheater Sendlinger Tor, das in den vergangenen Wochen einen wahren Besucheransturm erlebte (Credit: THE SPOT media & film)

Auch wenn der juristische Teil des Dramas sein Ende im vergangenen Herbst fand: Die Erschöpfung ist ihm und seinen Eltern Fritz und Evi Preßmar anzumerken. Wie es war, das Kino unter dem ständigen Druck eines Eigentümers zu betreiben, der die Familie lieber gestern als heute aus dem Haus haben wollte? „Jedes Mal, wenn ein weiteres Anwaltsschreiben im Briefkasten landete, war das ein neuerlicher Tiefschlag, es waren Jahre der andauernden Anspannung. Vor allem war es uns unmöglich, auch nur mittelfristig zu planen. Aber am Ende blendet man einfach viel aus, wird pragmatisch. Wir lieben dieses Haus, wir lieben das Kino. Es ging uns über Jahre nicht gut dabei, aber wir wollten das Filmtheater Sendlinger Tor unbedingt bewahren.“

Dass man programmatisch noch einmal alle Register zog, dass zu den Abschlussfilmen auch die passenden Plakate ausgehängt wurden, dass man noch einmal Leidenschaft zeigte, ist keine Selbstverständlichkeit – und tatsächlich habe man mit sich gerungen, ob man die Kraft aufbringen könne oder lieber den stillen Abschied wähle.

Still war es im Filmtheater Sendlinger Tor rund um den Jahreswechsel jedenfalls nicht – ganz im Gegenteil. Über 16.000 Gäste zählte man allein in den letzten paar Wochen. Ausdruck eines größeren Phänomens? Der Tatsache, dass vielen Menschen leider erst zu spät bewusst wird, was verloren geht, wenn ein Traditionshaus stirbt? Vielleicht auch – schließlich berichten die Preßmars von wöchentlichen Besuchszahlen, die man in manchen Zeiten froh gewesen wäre, in einem ganzen Monat zu haben. Für Christoph Preßmar ist der Punkt dennoch ein anderer: „Wir haben die Unterstützung unseres Publikums immer gespürt, es stand immer an unserer Seite. Das Kinogeschäft ist alles andere als leicht, wenn es an den richtigen Filmen fehlt – aber es gilt eben auch der Umkehrschluss.“ Die richtigen Filme jedenfalls habe man zuletzt wahrlich gehabt, Erfolge wie „Alter weißer Mann“, „Konklave“ oder am Ende „Der Spitzname“ lockten die Gäste in den historischen Saal. Und wie Fritz Preßmar immer wieder betont: Man habe stets schwarze Zahlen geschrieben, man habe – gar nicht so einfach in einem Ein-Saal-Kino und tatsächlich Quelle eines gewissen Stolzes mit Blick auf die Programmauswahl – ein wirtschaftlich gesundes Haus geführt. Aber eines, das die Profitvorstellungen des Eigentümers nicht erfüllen konnte.

Wie das in einer künftigen Konstellation geschehen könne? Darauf haben die Preßmars natürlich keine Antwort. Übermäßig breit seien die Nutzungsmöglichkeiten in einem Haus, auf dem der Denkmalschutz seine umfassende Hand habe, ihrer Ansicht nach nicht. Zwar wisse man, dass es Bestrebungen gebe, die Lokalbaukommission zu Zugeständnissen für architektonische Änderungen zu bewegen. Aber ernsthafte Chancen räumen die Preßmars größeren Eingriffen nicht ein. Insbesondere ist aus ihrer Sicht denkmalschutzrechtlich undenkbar, den Saal in irgendeiner Form zu unterteilen, auch sehen sie keinerlei Möglichkeit, weitere Säle zu bauen, erst recht nicht im Kellergeschoss, in dem ein Irish Pub mit noch langfristigem Mietvertrag residiert.

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Auch wenn es nur für einen Abend war: Der Schaukasten wurde so passend bestückt wie eh und je (Credit: THE SPOT media & film)

Kleinkunstbühne oder Event-Location also? Christoph Preßmar zeigt sich skeptisch – auch angesichts von Interessenten aus diesem Bereich, die er notgedrungen schon im Kino ein- und ausgehen gesehen habe. „Und die schnell abwinkten.“ Er selbst geht davon aus, dass das Kino nun erst einmal zum leerstehenden Objekt werde, wenn die Eigentümer nicht von ihren Vorstellungen hinsichtlich der Pacht abrücken würden. Tatsächlich habe es ein gemeinschaftliches Angebot zweier renommierter Programmkinobetreiber gegeben, die zusammenlegen wollten – es sei abgelehnt worden.

Das, so die Familie Preßmar, sei, was sie besonders schmerze: Dass man hinter der Entscheidung, sie aus dem Kino zu klagen, keinerlei wirtschaftlichen Sinn erkennen könne. Gekommen ist an diesem Abend tatsächlich die ganze Familie – und auch wenn es ein „emotionales Feuerwerk“ gewesen sei, auch wenn auf der Bühne Tränen flossen: Letztlich ist man doch froh, den Weg gewählt zu haben, das Kino und sein Publikum noch einmal hochleben zu lassen. „Man merkt, wie viel Liebe einem die Leute entgegenbringen. Jeder verabschiedet sich, drückt Dich, teilt persönliche Erfahrungen. Das ist nicht einfach, das mutet zeitweise fast surreal an“, so Christoph Preßmar. „Aber es ist auch eine Bestätigung für das, was meine Familie hier über 80 Jahre geleistet hat.“ 

Wie sein künftiger beruflicher Weg aussieht? Das könne er noch nicht sagen, er benötige nun erst einmal Zeit für sich und seine Familie. Aber natürlich bleibe die Film- und Kinobranche – gearbeitet hatte er vor dem Einstieg in die Geschäftsführung des elterlichen Betriebs unter anderem bei Kinowelt und Concorde – eine, an der sein Herz hänge. „Jetzt gilt es erst einmal, den Kopf wieder freizubekommen. Und dann schaun wir mal.“

Dem Publikum jedenfalls wolle die Familie noch einmal ihren ausdrücklichen Dank aussprechen: „Für ganz viel Treue, Zuneigung und Zuspruch – heute leider auch gepaart mit Trauer und Resignation.“ Und an die Stadt gewandt verleiht man der Hoffnung Ausdruck, dass diese standhaft bleibt. „Ob nun mit oder leider künftig ohne uns. Hauptsache, dieses Kinodenkmal bleibt erhalten. Sonst hätten wir 80 Jahre Leidenschaft umsonst hineingesteckt!“