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Drehbuch und KI: Top-Down in die Rechtsunsicherheit 


„Ein Dialog über faire und sichere Vertragsverhältnisse in der Stoffentwicklung ist überfällig!“ lautet ein zentraler Appell von Jan Herchenröder, Geschäftsführer des Deutschen Drehbuchverbandes. Für SPOT skizziert er Herausforderungen, die der nun veröffentlichte Praxisleitfaden „Drehbuch und KI“ adressiert.

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Jan Herchenröder, Geschäftsführer des Deutschen Drehbuchverbands (Credit: DDV)

Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) veröffentlicht heute – mit Unterstützung des Verbands Deutscher Bühnen- und Medienverlage (VDB) sowie führender Drehbuchagenturen – den Praxisleitfaden „Drehbuch und KI“. Das Dokument versteht sich nicht allein als Ratgeber für Autor:innen sowie deren Agenturen und Verlage, sondern soll aufzeigen, welche urheberrechtlichen Herausforderungen bei der Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit KI kollektiv geregelt werden müssen, um auf dem deutschen Markt Fairness und Sicherheit für alle Beteiligten herzustellen. Jan Herchenröder skizziert als Geschäftsführer des DDV die Hintergründe in einem Gastbeitrag für SPOT.

Generative KI ist im Drehbuchbereich angekommen. Der neuen Technologie wird im Markt einerseits mit großen Erwartungen, mit Neugierde und teilweise auch euphorischer Selbstverständlichkeit begegnet. Andererseits gibt es aber auch Skepsis, vorsichtige Zurückhaltung bis hin zur Ablehnung. Produktionsfirmen und Autor:innenschaft befinden sich in einer Phase der Annäherung an die neuen technischen Möglichkeiten, an ihre Chancen und Risiken. 

Vielleicht werden Zukunftsträume wahr: Der direkte Weg von Text zu Video – ließe sich damit nicht auch ein goldenes Zeitalter für Drehbuchautor:innen vorstellen? Ihre besondere Fähigkeit, Geschichten zu entwickeln, Relevanz zu erspüren, dramaturgische Handlungsbögen zu entfalten – all das gekoppelt an die direkte und kostengünstige Möglichkeit der audiovisuellen Umsetzung mit generativer KI? Farewell, liebe Produzent:innen und Reaktionsteams, ab jetzt machen wir die Chose selbst!

Traum und Albtraum liegen hier aber eng beieinander, denn während wir uns eine goldene Zukunft ausmalen, bringen sich die Substitutionskräfte generativer KI und die Beharrungskräfte der Branchenhierarchien in Stellung. Wenn die Verheißung der Tech-Anbieter stimmt, dass uns KI von den Bürden redundanter Tätigkeiten befreit – wie sicher sind dann Autor:innen-Funktionen in arbeitsteiligen Serien? Und überhaupt: Ist das Schreiben, dieser langsame, unkalkulierbare Prozess nicht notorisch redundant und sollte schleunigst von den flotten, effektiven Prozessen eines ChatBots ersetzt werden?

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass generative KI zukünftig in der Lage sein kann, das bisherige Gefüge in der Film- und TV-Branche durcheinanderzuwirbeln. Das gilt nicht nur für die potenzielle Substitution kreativer menschlicher Arbeit und damit verbundene Rationalisierungen, sondern insbesondere auch für die Frage, wer zukünftig über die Produktionsmittel und die aus KI gewonnenen Leistungsergebnisse verfügt. Wer bestimmt über die Inhalte: Lokale Akteur:innen oder globale Big-Tech-Anbieter:innen?

Denn durch generative KI kann erstmalig auch bei der Erstellung der sprachlichen Werke – Drehbücher und ihre Vorstufen als ureigene filmbezogene Schöpfung von Geschichten – technologisch massiv eingegriffen und gesteuert werden. 

Kulturell ist allein dieser allgemeine Befund höchst bedenklich und sollte unsere Branche in aktionistischen Aufruhr versetzen. Zumindest dann, wenn wir uns – als Vertreterinnen und Vertreter einer Bewusstseinsindustrie und in Kenntnis der immensen identitäts- und orientierungsstiftenden Potenziale fiktionaler Werke – verantwortlich dafür einsetzen, dass mit unseren kreativen Werken auch zukünftig unsere Werte vermittelt, unser Erzählraum in seiner ganzen Weite durchschritten und unsere Gesellschaft in ihrer ganzen Komplexität abgebildet werden kann.

Wie können wir absichern, dass zukünftig die kreative Hoheit über das Erzählen in den Händen von Drehbuchautor:innen verbleibt?

Es ist durchaus vorstellbar, dass unsere audiovisuellen Geschichten unter dem zunehmenden Einfluss der neuen Technologie zeitnah durch Algorithmen stärker gestreamlined werden, als es Formatbibeln jemals vermochten. Und das auch noch unter völlig veränderten politischen Vorzeichen: Nicht von ungefähr ruft ganz aktuell der ehemalige UFA-Boss Nico Hofmann in einem Blog zur Verteidigung der Vielfalt auf – angesichts der neuesten Entwicklungen aus dem Machtgebiet von Donald T. und seinem Big-Tech-TrumpVirat aus Meta, Google, Amazon und Apple (Elon Musk hier mal vernachlässigend). 

Die Verteidigung der Vielfalt – das ist eine Aufgabe, für deren Bewältigung die Branche ganz schnell zusammenrücken müsste! Doch statt zusammenzurücken, wird am Gewohnten festgehalten. Es bleibt beim Missverhältnis in der Vertragsgestaltung und was eigentlich zwischen Vertragspartner:innen ausgehandelt werden müsste, wird auch für das Thema KI in den bewährten Top-Down-Strukturen erledigt : Produktionsfirmen konfrontieren Autor:innen immer häufiger mit Vertragsbedingungen, die sie einseitig vorformuliert aufstellen und zugleich mit dem Attribut einer angeblichen „Branchenüblichkeit“ versehen. 

Eine solche „Branchenüblichkeit“ gibt es bisher nicht. Sie kann dementsprechend auch kein Legitimationsargument sein. 

Die Top-Down-Regulierung verwundert umso mehr, weil wir es aktuell in der Stoffentwicklung mit neuen disruptiven Herausforderungen zu tun haben, für die es keinen sicheren Rechtsrahmen gibt: Schutzinteressen sowohl auf Urheber- wie auch auf Verwerter-Seite werden nicht wirksam berücksichtigt.

Mit dem neuen Praxisleitfaden „Drehbuch und KI“ begegnet der DDV genau diesem Widerspruch.

Die Leitgedanken sind:

• Einen schnellen Ausverkauf der Rechte für eine womöglich unbegrenzte KI-Nutzung darf es nicht geben. Dies muss auch den Verwerter:innen klar sein. 

• Nutzungen durch KI sind keine bei Vertragsschluss „unbekannte Nutzungsart“. KI-Output und -Input bewegen sich technologisch außerhalb üblicher Nutzungen im AV-Bereich. Es geht auch nicht um unbekannte Ausspielformate oder Verbreitungswege. KI ist somit neu und gesondert zu regeln. Eine Anwendung generalistischer Rechtseinräumungen an noch unbekannten Nutzungsarten nach § 31a UrhG in schriftlichen Drehbuchverträgen zugunsten von Produzent:innen kommt nicht in Betracht.    

• Wer Akzeptanz für KI herstellen will, muss im Umgang mit der Technologie Vertrauen und Sicherheit herstellen. Dazu bedarf es Transparenz und fairer Regelungen. Nutzungsrechte, Vorbehalte, Haftungsübernahmen sowie Garantien in Bezug auf KI bedürfen der Verhandlung auf Augenhöhe und keiner Überrumpelung im Kleingedruckten der AGB-Anhänge. 

• Bei KI-Nutzungen stellt sich insbesondere die Frage der „angemessenen Vergütung“ neu. Eine Einbeziehung der entsprechenden Tatbestände auch in kollektiven Regelungen muss evaluiert werden.

Ein weiterer Leitgedanke ist: 

Wir brauchen dringend einen Dialog – insbesondere mit den Produzent:innen und Sendern/Streamern – über faire Verträge und einen sicheren Umgang im Zusammenhang mit KI. Eine Einigung auf der Ebene unserer direkten wirtschaftlichen und kreativen Beziehungen kann eine Basis sein, um uns gemeinsam den Herausforderungen durch den wachsenden Einfluss von BigTech aus westlicher und östlicher Richtung zu stellen. 

Eigentlich müssen wir beides parallel in Angriff nehmen – und zwar sehr schnell! Ob im bilateralen Gespräch oder in einem Branchen-ThinkTank: wir sind bereit.

Online finden Sie den ausführlichen Praxisleitfaden „Drehbuch und KI“ sowie die Essentials und Musterklauseln.

Herausgegeben vom Deutschen Drehbuchverband (DDV) mit Unterstützung des Verbands Deutscher Bühnen- und Medienverlage (VDB), sowie dem Verband der Agenturen (VDA) und den führenden Drehbuchagenturen (Namentlich: La Gente Agentur, Sascha Beck, Players, Die Agenten, Talent Republic Agency, Agentur Schlag, Agentur Heppeler, gattys global | writers + rights Agentur Homebase, Scenario, Midpoint).