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CPH:DOX 2025: Ungebrochen positive Atmosphäre


Gute Laune, entspannte Stimmung, fröhliche Gesichter – das Copenhagen International Documentary Film Festival, kurz: CPH:DOX, ist bekannt für seine ungebrochen positive Atmosphäre. Auch die 22. Auflage, die Ende März in der dänischen Hauptstadt über die Bühne ging, untermauerte diesen Ruf nachdrücklich.

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CPH:DOX (Credit: CPH:DOX)

Ob bei der traditionell in Kooperation mit verschiedenen einheimischen Produktionsfirmen veranstalteten Danish Party oder der abschließenden Preisverleihung blickte man in diesem Jahr in der Regel in strahlende Gesichter, sowohl bei den angereisten Gästen als auch den Lokalmatador:innen. Gerade bei Letzteren dürfte dies zum Teil der allgemein guten, aus dem Vorjahr nachhallenden Stimmung in der dänischen Filmindustrie zu tun haben. Die Oscar-Nominierung für „Das Mädchen mit der Nadel“ ist auch noch Wochen nach der Verleihung Anlass zur Freude, und gemessen an der weltweit schwierigen Lage an den Kinokassen ist man in Dänemark auch mit den Zuschauerzahlen für den preisgekrönten Film von Magnus von Horn oder auch Gustav Möllers „Die Wärterin“ „sehr positiv überrascht und hoch zufrieden“, wie Jacob Neiiendam vom Danish Film Institute betonte.

Die positive Stimmung in Kopenhagen verdankte sich aber natürlich nicht zuletzt dem anhaltenden Erfolg von CPH:DOX selbst. Nicht wenige angereiste Branchenvertreter:innen, darunter auch Verantwortliche von unmittelbaren Konkurrenz-Veranstaltungen wie dem Thessaloniki International Documentary Festival, gaben mindestens inoffiziell zu Protokoll, dass CPH:DOX längst dem im Herbst stattfindenden IDFA den Rang als wichtigstes europäisches Dok-Festival abgelaufen hat. Vermutlich keine ganz falsche Einschätzung. Immerhin waren von den fünf in diesem Jahr für den Oscar nominierten Dokumentarfilmen vier im 2024 beim Festival zu sehen. Und „Timestamp“, der jüngst als einziger Dokumentarfilm im Berlinale-Wettbewerb lief, wurde ein Jahr zuvor beim CPH:DOX bereits mit dem Industry Award für die Postproduktion geehrt.

Davon, dass so viel Party-Atmosphäre mit einem Ignorieren harscher Realitäten einhergeht, kann derweil keine Rede sein. Im Gegenteil: Weltpolitik und internationale Krisenherde waren auch in diesem Jahr ein Hauptbestandteil des CPH:DOX-Programms. Eröffnet wurde das Festival von „Facing War“, in dem Regisseur Tommy Gulliksen den norwegischen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg durch sein letztes Jahr im Amt begleitet, zu dem ihn Joe Biden angesichts des Russland-Ukraine-Krieges geradezu nötigt. Ein sympathischer Blick auf einen Mann, der eigentlich längst in Rente sein wollte – und ein nachdrückliches Plädoyer für einen menschlich-umsichtigen Politikstil, den man dieser Tage allzu oft schmerzlich vermisst.

Quasi als Komplementärstück diente „The Eukrainian“, ein Porträt der stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidentin Olha Stefanischyna des schwedischen Regisseurs Viktor Nordenskiöld. Aber auch „The Helsinki Effect“ erwies sich in diesem Kontext als reizvoll: in dem von der deutschen Firma Kloos & Co.mitproduzierten Film zeigt der Finne Arthur Franck mit Unmengen Archivmaterial von der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Mitte der 1970er Jahre und vor allem mit jeder Menge Humor, wie langsame und langweilige Diplomatie die Welt verändern kann. Ebenfalls sehenswert und aus Deutschland mitproduziert: „Little Syria“ von Madalina Rosca und Reem Karssli, in dem letztere ihre Familiengeschichte, ihre Flucht aus Syrien und ihren quälenden, von Berlin aus geführten Kampf für Gerechtigkeit für die Opfer des Assad-Regimes teilt.

Zu den erschütterndsten Filmen des Festivals gehörte „2000 Meters to Andriivka“ von Oscar-Gewinner Mstyslav Chernov („20 Tage in Mariupol“). Geradezu immersiv (weil zum Teil mit auf Soldatenhelmen montierten Kameras gedreht) und in ganzer Bandbreite zeigt der Ukrainer den Krieg in seiner Heimat, exemplarisch anlässlich der Befreiungsversuche eines winzigen, von den Russen besetzten Dorfes in Grenznähe. Beim CPH:DOX gab es dafür den F:Act Award, weil – so die Jury – der Film ein Meisterwerk des Filmemachens sei, ein quälendes, vielschichtiges Kriegsporträt, vergleichbar mit „Im Westen nichts Neues“.

Weltpremiere hatte „2000 Meters to Andriivka“ bereits in Sundance gefeiert, genau wie andere CPH:DOX-Highlights, darunter „Predators“, „How to Build a Library“ oder der in Park City ausgezeichnete „Seeds“. Und nicht zuletzt „Coexistence, My Ass!“ von Amber Fares, der ohne Frage auch zu den Titeln gehören dürfte, von denen man ab dem Herbst in Sachen Award Season wieder hören wird. Die kanadisch-libanesische Regisseurin begleitet darin die israelische Stand-up-Komikerin Noam Shuster-Eliassi: eine ungemein reflektierte, zwischen verschiedenen Kulturen aufgewachsene und vor allem umwerfend komische Frau, die nicht zuletzt im Kontext der Hamas-Angriffe vom 7. Oktober 2023 und des seither von Israel geführten Krieges mit Witz und Wut gleichermaßen ihre Identität hinterfragt.  

Shuster-Eliassi war – auch mit einem Comedy-Auftritt – zu Gast in Kopenhagen, allerdings längst nicht als einziger hochkarätiger Besuch. Auch Model-Legende Twiggy kam zum CPH:DOX, um den kürzlich bereits in Großbritannien gestarteten Dokumentarfilm „Twiggy“ von Sadie Frost vorzustellen, während sich Warren Ellis anlässlich „Ellis Park“ die Ehre gab und auch musikalisch nicht lumpen ließ. Und für Bühnengespräche reiste nicht nur der omnipräsente Mark Cousins an, sondern auch US-Comedian Jerrod Charmichael, dessen autobiografische Doku-Reihe „Jerrod Charmichael Reality Show“ zu den ungewöhnlichsten TV-Produktionen des vergangenen Jahres gehörte.

Wunderbares zu entdecken gab es allerdings auch jenseits der großen Namen, sei es die humorvolle, schottische Feelgood-Dokumentation „The Golden Spurtle“ über den Oatmeal World Cup, das Kleinod „Sanatorium“ über ein früheres sowjetisches Wellness-Center in Odessa oder „Always“, die Debütarbeit des chinesischen Regisseurs Deming Chen. Der in wunderschönen Schwarzweiß-Bildern gefilmte, poetische Blick auf eine Bauernfamilie in den Bergen der Provinz Hunan erhielt im Hauptwettbewerb am Ende den DOX:Award.

Mit dem Ende des Festivals müssen sich all diese Filme natürlich der harten Realität stellen, die Niklas Engstøm, der künstlerische Leiter von CPH:DOX, zu Beginn in einem Interview wie folgt und global geltend umrissen hatte: „Öffentliche Fördergelder schrumpfen, die Streamingdienste scheuen das Risiko, die Produktionskosten steigen genau wie die Inflation, der Markt ist überfüllt und Verkäufe werden immer schwerer.“ Doch wie wichtig und wirksam trotz und gerade wegen solcher Umstände die Gattung Dokumentarfilm heutzutage ist wurde, eben nicht zuletzt im diesjährigen CPH:DOX-Programm einmal mehr deutlich. Und entsprechend war jede Feierlaune mehr als angemessen.

Aus Kopenhagen berichtete Patrick Heidmann.