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REVIEW TV: „Rematch“

Beim wichtigsten Serienfestival der Welt in Lille hat die Arte-Serie „Rematch“ über Garri Kasparow und den Schachcomputer Deep Blue den Hauptpreis gewonnen. SPOT sagt, ob sich die Wartezeit bis zum Herbst lohnt.

Christian Cooke und Trine Dyrholm in der Arte-Serie "Rematch"
Mutter Kasparow (Trine Dyrholm) spendet Sohn Garri (Christian Cooke) Trost (Credit: Drowster)

CREDITS:

Rematch; Produktion: Arte France, Unité, Federation Studios, Proton, 6 Episoden, Regie: Yan England; Buch: Yan England, André Gulluni; Idee: Yan England, André Gulluni, Bruno Nahon; Cast: Christian Cooke, Trine Dyrholm, Sarah Bolger, Tom Austen; Start: Herbst 2024 auf Arte

REVIEW:

Bei Series Mania in Lille, dem wichtigsten Serienfestival der Welt, gewann die Arte-Serie „Rematch“ über das legendäre Duell zwischen Schachweltmeister Garri Kasparow und dem Computer Deep Blue in den 1990er-Jahren den Hauptpreis für die Beste Serie. Die französisch-ungarische Produktion, die voraussichtlich im Herbst in Deutschland auf Arte startet, konzentriert sich dabei auf einen neuralgischen Punkt in der Menschheitsgeschichte.

Zum ersten Mal gewann damals im Jahr 1996 ein Computer eine Partie gegen das menschliche Gehirn eines der besten Schachspieler aller Zeiten. Eine Zeitenwende deutete sich an, die mit jedem Jahr heute mehr spürbar ist. Gleichzeitig war das Interesse an der Auseinandersetzung zwischen dem Menschen und der Maschine so groß, dass das Internet kollabierte. Der Hersteller des Computers Deep Blue war IBM, die in der Chefetage begriffen, was für eine unglaubliche Werbewirkung in dem Duell steckte. Die Serie erzählt hauptsächlich das titelgebende Rematch zwischen Kasparow und dem weiter aufgemotzten Schachcomputer um ein Millionen Dollar schweres Preisgeld in New York, das ein Jahr später stattfand.

Einblick in Kasparows Gedanken

Die Serie, an der zu einem geringeren Maße auch Disney+ beteiligt ist, hat unterschiedliche Stärken. Spätestens seit der Pandemie und der Netflix-Serie „Das Damengambit“ erfreut sich der Schachsport wachsender auch popkultureller Beliebtheit. Vom Match Kasparow gegen Deep Blue hat jeder schon einmal gehört. Die wenigsten kennen aber die faszinierenden Details, wie Siege und Niederlagen hier entstanden. Teils nimmt „Rematch“ das Publikum dabei mit in den Kopf des Schachweltweisters, den Christian Cooke als vor Selbstvertrauen strotzenden Macho spielt. Man hört und sieht, wie Kasparow die möglichen Züge durchrechnet und wie er auf die unterschiedlichen Strategien der Maschine reagiert.

Rematch-Team auf dem lila Teppich Lille 2024
Das „Rematch“-Team im März bei Series Mania (Credit: Series Mania/Alexandre Marouze)

Eine weitere Stärke ist, dass die sechsteilige Serie das Team hinter dem Computer zeigt: Vor allem die Figur des nerdigen Computerspezialisten P.C. (Orion Lee) fasziniert, der das Projekt um Deep Blue leitet; er holt sich aber auch einen abgehalfterten Schachspieler (Tom Austen) ins Team, der einer der wenigen Menschen der damalige Zeit war, der mal eine einzelne Partie gegen Kasparow unentschieden spielte; es gibt auch die PR-Chefin Helen Brock (eiskalt: Sarah Bolger), die vor allem an der Werbewirkung des Ereignisses für IBM arbeitet und der die beteiligten Menschen völlig egal sind.

Eher grobe Figurenzeichnung

Die Figurenzeichnung ist dabei eher grob: Garri Kasparow ist immer mit seiner Mutter (Trine Dyrholm) auf Reisen. So ist er fast schematisch ein Muttersöhnchen mit ihr allein auf dem Hotelzimmer, unangreifbarer Superstar am Schachbrett und Playboy in der Öffentlichkeit. Zusätzlich hat die Figur aber auch noch ungeklärte Verhältnisse mit der eigenen Tochter umgehängt bekommen, die ihn als Vater nicht mehr sehen will. Auch die PR-Chefin ist in ihrer Eiseskälte fast schon klischeehaft überzeichnet.

Das Schauspiel-Niveau und der Aufwand der Produktion des kanadischen Regisseurs und Drehbuchautoren Yan England sind aber hoch genug, um zumindest theoretisch als kleineres HBO-Format durchgehen zu können. „Rematch“ ist kein neues „Damengambit“, aber eine ziemlich unterhaltsame Serie über ein hochspannendes Sujet geworden, die vor allem den Denksport Schach spannend erzählen kann. Kasparow sagt in der Eröffnungsszene, dass Schach nichts anderes als Krieg sei, bei dem man das Spiel zu einer psychologischen Folter für den Gegner machen müsse. Der Reiz des Formats besteht aber auch gerade darin, dass auf der Gegenseite eben kein Mensch, sondern eine kühl kalkulierende Maschine sitzt.

Michael Müller