„Chantal im Märchenland“ rockt die deutschen Kinos. Nach sechs Tagen schaffte der Blockbuster von Bora Dagtekin gestern die erste Zuschauermillion. Wir sprachen mit Constantin-Vorstandsmitglied Martin Bachman über den furiosen Start und was als Nächstes kommt.
Sagen wir, wie’s ist: Punktlandung für „Chantal im Märchenland“! Wie zuversichtlich konnte man sein, dass auch der sechste Film von Bora Dagtekin ein Volltreffer sein würde?
Martin Bachmann: Natürlich sind die Erwartungen hoch, wenn man mit einem solchen Film an den Start geht. Aber wenn man schon ein paar Jahre in der Branche ist, weiß man, dass ein Blockbuster keine Selbstverständlichkeit ist. Man hofft es. Man glaubt daran. Aber man weiß es eben nicht. Was uns immer Zuversicht gegeben hat, ist Bora Dagtekin. Noch mit jedem seiner Filme hat er nicht nur geliefert, sondern stets auch die Erwartungen übertroffen. Man kann sich glücklich schätzen, jemanden wie ihn an seiner Seite zu haben. Da ist klar, dass man in die Vollen geht, dass man nach den Sternen greift, dass nur das Beste gut genug ist. Bei einem anderen Filmemacher wäre man ebenso zuversichtlich gewesen, hätte als Verleih aber vielleicht vorsichtiger agiert. Bei Bora zählt das nicht. Da ist man als Verleih in der Pflicht, sich genauso zu fordern, wie er es als Kreativer auch macht. Deshalb war ich glücklich, dass es genau das war, wie Sie es in Ihrer Frage formuliert haben: Punktlandung!
Und das am Ostertermin. Bislang waren alle Dagtekin-Filme seit „Fack Ju Göhte“ stets Anfang Oktober gestartet.
Martin Bachmann: Ostern war für uns immer ein Termin, den wir ins Auge gefasst hatten. Wir haben ihn nur lange nicht kommuniziert, weil wir nicht wissen konnten, ob es Bora wirklich gelingen würde, diesen sehr aufwändigen Film mit seinen zahllosen VFX rechtzeitig fertig zu bekommen. Aber ganz klar: Das war unser Traumtermin. Darauf haben wir alles ausgerichtet. Wir wussten, dass „Chantal im Märchenland“ der richtige Film sein würde. Weil es schon lange keine richtig große Komödie mehr gegeben hat. Und weil die Studios durch den Streik eine große Lücke hinterlassen haben. Im ersten Quartal war „Dune: Part Two“ der einzige wirklich große Film; im zweiten Quartal sieht es insgesamt wieder besser aus, aber das Konkurrenzumfeld ist längst nicht so gefüllt, wie man das sonst im Frühsommer erwarten könnte. „Chantal im Märchenland“ hat also mehrere Wochen fast freie Bahn. Wie wir feststellen, kommt der Film beim Publikum mörderisch gut an. Das hat man bei den riesigen Premieren in München und Berlin gesehen, das erleben wir aktuell auf der großartigen Kinotour, und das spiegeln uns die Reaktionen aus den Kinos und auf den sozialen Netzwerken. Blockbuster-Entertainment aus Deutschland mit Hollywoodniveau, das schafft aktuell in dieser Form nur Bora Dagtekin.
Und kluge Unterhaltung ist es auch noch!
Martin Bachmann: Es ist modernes Entertainment mit Tiefe und sozialer Relevanz, von Geschlechtergleichheit über Frauen-Empowerment hin zu Diversität. Wir wussten, dass wir einen starken Film haben. Das beflügelt. Umso mehr, wenn man sieht, dass die Anstrengungen Früchte tragen.
Ein Wettrennen mit der Zeit war es auch, wie man hört. Mir wurde erzählt, der Film sei erst fünf Tage vor der Premiere fertiggeworden.
Martin Bachmann: Es war ehrlich gesagt noch knapper. Das DCP wurde tatsächlich erst am Montag gezogen, am Abend war dann Weltpremiere in München. Wir haben bis zur letzten möglichen Minute gearbeitet; jeder Termin danach wäre zu spät gewesen.
Offiziell bekannt gegeben haben Sie den Starttermin bei der Filmwoche München, erst danach erhielt „Chantal im Märchenland“ Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Auch der erste Trailer kam vergleichsweise spät. Was muss gewährleistet sein, dass eine Kampagne dennoch noch fruchtet?
Martin Bachmann: Mein ehemaliger Chef in LA hat immer gesagt: „This is not my first rodeo…“ Man muss sich einfach der Herausforderung bewusst sein. Es war klar, dass das gesamte Team extra großen Einsatz würde leisten müssen, um den Film in sehr kurzer Zeit ins Bewusstsein des Publikums zu bringen. Allerdings wussten wir auch, was wir an der Hand hatten. Und es war auch nicht so, dass die Kampagne intern erst nach Bekanntgabe des Termins gestartet worden wäre. Alles war bestens vorbereitet. Dass der Trailer so spät kam, war dem Umstand geschuldet, dass der Film so viele VFX hatte, die bekanntermaßen immer erst sehr spät fertig werden. Natürlich soll der Trailer bestmöglich aussehen und mit den großen Money-Shots aufwarten. Also muss man Geduld haben und ein bisschen länger warten, man muss die Nerven bewahren. Das kannte ich aus meiner Zeit bei Sony, da war das bei vielen großen Filmen ähnlich. Wie man sieht, hat es sich ausgezahlt.
Musste insgesamt mehr gemacht werden beim Marketing, weil die Zeit so knapp war?
Martin Bachmann: Das großartige Verleihteam hat alles rausgeholt, was möglich war. Wir wussten, was noch alles kommen würde, dass Kooperationen mit McDonald’s und Samsung noch kommen würden. Wir haben einen extrem starken Trailer-Push auf youTube mit dem entsprechenden Invest angeschoben, um eben besonders große Aufmerksamkeit zu bekommen, mehr als man normalerweise machen würde. Wir haben zwei riesige Premieren vorbereitet, eine große Kinotour organisiert. Es gab eine aufwändige Kooperation mit RTL. Besonderer Dank gebührt CEO Stephan Schmitter, der „Chantal im Märchenland“ sehr früh gesehen und uns sehr unterstützt hat, weil er fest an den Film geglaubt hat. Wenn man solche Partner hat und mit Schauspielern arbeitet, die alles für den Film gegeben haben, kann man auch ambitionierte Ziele erreichen. Wir haben viele Influencer involviert, die Models von „GNTM“ kamen zur Premiere in Berlin, starke Medienmarken wie Bild und Stern wurden eingebunden, Jella Haase trat mit Max v. d. Groeben bei „Let’s Dance“ auf. Und immer wussten wir: Es wird sich auszahlen. Wir haben einen blendenden Starttermin und werden auch in den Wochen danach punkten können. Wir müssen uns vor der Konkurrenz nicht verstecken.
Dass der Film ankommt, sieht man an den Zahlen nach dem Wochenende: 150.000 Besuche am Ostermontag…
Martin Bachmann: … und 125.000 weitere verkaufte Tickets am Dienstag. Die Zahlen sind toll. Gestern haben wir dann auch die erste Besuchermillion geschafft!
Hat man da bei der Constantin bereits Zeit, einen Blick auf die Zeit nach „Chantal“ zu werfen?
Martin Bachmann: Ich erzähle nichts Neues, wenn ich auf den Herbst verweise, wo wir mit „Hagen“ den nächsten Event in die Kinos bringen werden – aber nicht nur in die Kinos, sondern als Hybrid auch noch bei RTL als sechsteilige Serie. Es ist aber auch eine besondere Produktion, die Verfilmung der größten aller deutschen Sagen. Auf der Filmwoche haben wir eine Anmutung gezeigt, um ein erstes Gefühl für zu vermitteln. Jetzt arbeiten wir mit Hochdruck an einem ersten Trailer, der einen Eindruck geben wird von der schieren Größe, aber auch der großen Emotion des Stoffs. Das werden wir dann auch in der Kampagne herausstellen, um „Hagen“ am 31. Oktober als Blockbuster zu starten. Ende des Jahres kommt „Der Spitzname“, nach „Der Vorname“ und „Der Nachname“ der dritten Teil der Komödienreihe von Sönke Wortmann, für den wir wieder das gesamte Ensemble versammeln konnten. Gerade haben wir den Abschluss der Dreharbeiten gemeldet. Und dann darf ich „September 5“ nicht unerwähnt lassen, der sehr intensive neue Film von Tim Fehlbaum, den ich für einen der talentiertesten Regisseure im deutschsprachigen Raum mit einer starken Handschrift halte. Wenn man sich ansieht, welchen Zuschauerzuspruch vermeintlich fordernde Filme wie „The Zone of Interest“ gerade erhalten, werden wir auch hier Einiges bewegen.
Und dann wartet in gar nicht so ferner Zukunft „Das Kanu des Manitu“…
Martin Bachmann: Ich kann versprechen, das wird groß. Ebenso kann ich aber auch versprechen, dass wir noch sehr viel mehr planen.
Es macht also Spaß?
Martin Bachmann: Es macht sehr viel Spaß, etwas Neues zu machen, neue Herausforderungen anzunehmen.. Die Constantin in München war für mich immer ein Mythos. Dass ich jetzt bei dem Mythos selbst ein bisschen mitwirken darf, macht mich sehr stolz. Wir sind jetzt schon auf einem guten Weg.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.