Auftakt eines neuen Fantasy-Young-Adult-Franchise über einen Jungen, der auf einer geheimen Schule lernen soll, seine Kräfte als Gestaltwandler zu kontrollieren.
FAST FACTS:
• Auftakt eines potenziellen neuen deutschen Blockbuster-Franchise
• Basierend auf den Erfolgsromanen von Katja Brandis
• Aufwändiger Fantasy-Young-Adult-Mix mit verblüffenden VFX
• Geplante Trilogie, die Starttermine der Fortsetzungen stehen bereits
• Teil 2, diesmal unter Regie von Sven Unterwaldt, bereits im Dreh
• Produziert von der erfahrenen und versierten blue eyes Fiction von Corinna Mehner
• Weltpremiere am 11. Oktober im Münchner Mathäser
• Große Premiere in der Kinderreihe auf dem 20. Zurich Film Festival
CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 100 Minuten; Regie: Damian John Harper; Drehbuch: David Sandreuter; Besetzung: Emile Chérif, Olivia Sinclair, Oliver Masucci, Lilli Falk, Martina Gedeck, Hannah Herzsprung; Verleih: Studiocanal; Start: 24. Oktober 2024
REVIEW:
Noch eine Schule der magischen Tiere. Nur dass diese Schule ein Internat ist, Clearwater Highschool heißt, verborgen in den Wäldern der Rocky Mountains liegt und die Kinder selbst sich in Tiere verwandeln können, Gestaltwandler sind, die von den Menschen mit Argwohn beäugt werden und sich deshalb im Geheimen bewegen müssen. Seit 2016 gibt es die Bestseller-Reihe von Katja Brandis, die in 22 Sprachen übersetzt wurde und mittlerweile mehr als 2,5 Mio. Exemplare verkauft hat. In ihrem Mittelpunkt steht der Junge Carag, der sich in einen Puma verwandeln kann und die ersten Jahre seines Lebens tatsächlich mit seiner Pumafamilie verbringt, bis er sich entscheidet, bei den Menschen in einer Pflegefamilie zu leben, wo er von Schulleiterin Lissa Clearwater entdeckt wird. Sie ist selbst eine Gestaltwandlerin, die als zweites Ich ein Seeadler ist, und überzeugt Carag, an ihr Internat zu kommen, um seine Fähigkeiten kontrollieren zu lernen.
Die Prämisse ist regelrecht klassisch, steckt in der DNS einer ganzen Reihe von Young-Adult-Stoffen. Der Traum, sich verwandeln zu können, ein anderer zu sein, einer bestimmten Gruppe anzugehören. Ein Tier sein zu können, das sich nicht an die oftmals willkürlich und einengend erscheinenden Gesetze der Erwachsenen halten muss. Fähigkeiten zu besitzen, die einen speziell machen, besonders, herausragen lassen, auch wenn die Außenwelt das nicht erkennen kann. „Woodwalkers“ ist Wish-Fulfillment pur, eine Saga, die nach Freiheit drängt, für Akzeptanz und Solidarität steht und Gerechtigkeit und Fairness einfordert in einer Welt, die für all diese positiven Werte nicht einstehen kann. Coming-of-Age und überschäumende Fantasie finden hier eine harmonische Verschränkung, der rumorende Hormonhaushalt der Pubertät findet seine Entsprechung in der geschickten Anordnung von Katja Brandis. Aber dann eben doch mehr: With great power comes great responsibility, wusste schon ein anderer Junge, der in enger Symbiose mit seiner Spinne steht.
Wobei „Woodwalkers“ weniger mit „Spider-Man“ zu tun hat, wenn man denn schon einen Vergleich mit Marvel sucht, sondern mit den „X-Men“, ihrerseits Mutanten und damit Fremdkörper in der Welt der Menschen, die in einem entlegenen Institut sie selbst sein und ihre Identität finden können. Klug folgt die Produktion von blue eyes Fiction (Produzentin: Corinna Mehner und Carolin Dassel), inszeniert mit einem Händchen für eine kluge Fusion von Zivilisation und ursprünglicher Natur von Damian John Harper („9 Tage wach“), den Konventionen des gängigen Schulfilms: das Einfinden in eine fremde Welt, das Finden von Freunden, die Konfrontation mit Rivalen, die Unterstützung eines Mentoren. Könnte auch „Das fliegende Klassenzimmer“ sein. Oder eben „Harry Potter“. Aber ist dann doch punktgenau „Woodwalkers“, eigene Welt mit eigenen Gesetzen, die man als Zuschauer:in mit der Hauptfigur Carag entdecken kann, das berauschende Privileg einer Ursprungsgeschichte: Alles ist neu, fühlt sich ungewohnt an.
Die Gesamtsituation ist etwas vertrackt und klingt kompliziert, wenn man es in einer Inhaltsangabe niederschreibt, macht immer Sinn, wenn man es sieht (Drehbuch: David Sandreuter): In jedem Fall wird es darauf ankommen, dass Carag, im Spannungsfeld zwischen seinen Freunden – Holly (Rothörnchen) und Brandon (Bison) – und dem aggressiven Wolfsrudel, die richtigen Entscheidungen trifft. Wie jeder Zauberlehrling wird er in Versuchung geführt, wie jeder Zauberlehrling wird er eine klare Ansage treffen müssen, wem er wirklich vertrauen kann, was sein Weg im Leben sein soll. In diesem Fall bedeutet das, dass er verstehen muss, warum der steinreiche Andrew Milling, seines Zeichens ebenfalls ein Puma-Gestaltwandler, gespielt von Oliver Masucci, ausgerechnet ihn ausgesucht hat als Protegé. Man verrät nichts Großes, wenn man hier schon sagt, dass sich Milling als der entscheidende Gegenspieler herauskristallisieren wird, der Carag instrumentalisieren will für einen größeren Plan.
„Woodwalkers“ ist eine beeindruckende Produktion, der man die mehr als 20 Millionen Euro Budget ansieht: Die Schauwerte sind hoch (Bildgestaltung: Peter Joachim Krause, Szenenbild: Maximilian Lange, Kostümbild: Katharina Forcher), erreichen internationales Niveau, behalten aber doch einen ureigenen Charme im Worldbuilding. Die jugendlichen Darsteller, allen voran die Neuentdeckung Emile Chérif, sind, dem Universum des Films und der Botschaft der Geschichte entsprechend, divers besetzt; von Erwachsenenseite sorgen neben Masucci noch Martina Gedeck und Hannah Herzsprung für darstellerischen Glanz. Vielleicht würde man sich manchmal, wie so oft in deutschen Filmen, etwas mehr Humor wünschen, aber das Entscheidende ist: Die Fangemeinde wird ernst genommen und abgeholt in diesem geerdeten Fantasy-Abenteuer, das eben auch nur ein erster Schritt sein wird, eine Ouvertüre: Zwei weitere Teile sind bereits angekündigt und im Jahresrhythmus terminiert, Teil zwei wird schon unter der Regie von Sven Unterwaldt gedreht.
Thomas Schultze