Alexander Glehr und Johanna Scherz beweisen seit vielen Jahren ihr Händchen für ganz besondere Kino- und Fernsehstoffe. Marie Kreutzer, Pia Hierzegger und Ulrike Kofler gehören zu den Kreativen, mit denen das Duo gerne zusammenarbeitet. Auch spannende Serienprojekte gehören mittlerweile ins Line-up und Glehr ist zudem als Präsident des österreichischen Produzentenverbands politisch sehr aktiv.
Mit ihrer Film AG realisieren Alexander Glehr und Johanna Scherz Stoffe, die im Spannungsfeld zwischen Unterhaltung, Anspruch und Relevanz stehen. Seit sechs Jahren sind die beiden im Lead, vor fünf Jahren fand die Umbenennung der Firma statt, die zuvor als Novotny & Novotny Filmproduktion über zwei Jahrzehnte lang zu den renommiertesten Filmschmieden Österreichs gehörte. Mit dem Umzug vor einiger Zeit in einen schönen Altbau (wie kann es anderes sein in Wien?) in der Felbigergasse in Penzing, dem 14. Bezirk von Österreichs Hauptstadt, wurde die Neuaufstellung gänzlich vollzogen. „Glücklicherweise haben sich die letzten Jahre nach der Übernahme gut gestaltet. Der Plan, sich breiter aufzustellen, ging auf. Wir haben es geschafft, weg vom reinen Arthouse zu gehen, uns auch den Streamern zu öffnen und mit den Sendern eine andere Ebene der Zusammenarbeit zu finden“, erzählt Glehr.
Zu den gefeierten Kinofilmen der jüngsten Vergangenheit zählen Marie Kreutzers vielbeachteter „Corsage“ mit Vicky Krieps als Sisi, der in der Reihe Un Certain Regard des Festival de Cannes 2022 seinen erfolgreichen Lauf nahm, auf über 60 Festivals zu sehen war und zahlreiche Preise gewann (und dann auch durch den unsäglichen Teichtmeister-Skandal ins Strudeln geriet), Dieter Berners Biopic „Alma & Oskar“ mit Emily Cox und Valentin Postlmayr als Alma Mahler und Oskar Kokoschka, sowie, schon vier Jahre zurückliegend, Ulrike Koflers eindrucksvolles Regiedebüt „Was wir wollten“ mit Elyas M’Barek und Lavinia Wilson.
Ulrike Kofler und Marie Kreutzer (Kofler ist die Editorin von Marie Kreutzer; Kreutzer hat wiederum Koflers Regiedebüt geschnitten) sind ein kreatives Duo, das sich bei der Film AG wohlfühlt und nun auch mit neuen Projekten präsent ist. Nach dem bei der TeleVisionale als bester Fernsehfilm geadelten Landkrimi „Vier“ feierte Marie Kreutzer unlängst Drehschluss ihres neuen Landkrimis für ORF/ZDF, mit Glehr und Scherz als Produzenten. „Acht“, so der Titel, ist keine Fortsetzung, wie Glehr erzählt, aber im Setting von „Vier“ angesiedelt, erneut mit Regina Fritsch als Ermittlerin in Niederösterreich. Zum prominenten Cast zählen u.a. Thomas Prenn, der erstmals bei den Ermittlungen unterstützt, Verena Altenberger, Stefan Pohl und Zeynep Buyraç. Die Ausstrahlung im ORF ist für 2025 vorgesehen. Ulrike Kofler auf der anderen Seite hat ihren zweiten Kinofilm fertiggestellt, das weibliche Drei-Generationen-Familienporträt „Gina“, in dem ein neunjähriges Mädchen sich nicht damit abfinden will, dass ihr Schicksal vorbestimmt und einzig davon abhängig ist, wo man hineingeboren wird.
Ebenfalls ins Kino-Lineup der Film AG, die alle Produktionen grün zertifiziert umsetzen, gehört das Regiedebüt der bekannten Schauspielerin Pia Hierzegger, die nach eigenem Drehbuch „Altweibersommer“ (AT) inszenierte und neben Ursula Strauss und Diana Amft auch mitspielt. „Wir hatten schon öfters Projekte, in denen Pia mitgespielt hat. Sie ist eine Allrounderin mit irrsinniger Qualität, eben nicht nur im Schauspiel, sondern auch als Autorin. Während des ersten Corona-Lockdowns hatte sie uns ihr Drehbuch geschickt, das uns sofort mit seinem ganz eigenen Humor und Stil gepackt hat“, erzählt Glehr. „Altweibersommer“ erzählt von drei Freundinnen, die ihre Freundschaft während ihres Urlaubs, den sie eigentlich jedes Jahr miteinander verbringen, neu definieren müssen. „Die Geschichte ist sehr intelligent. Pia besitzt die große Gabe, in den Dialogen und Szenen ganz spezielle Feinheiten und Details herauszuarbeiten. Dafür, dass es ihr Regiedebüt war, fand die Zusammenarbeit auf einem hohen professionellen Niveau statt.“ Drehorte waren die Steiermark und Italien.
Daneben unterstützt die Film AG in einem Netzwerk renommierter Partner:innen immer auch Projekte als minoritärer Koproduzent. Zuletzt waren dies mit Samsa Film aus Luxemburg das Roadmovie „Marianengraben“, mit dem Eileen Byrne ihr Langfilmdebüt gibt. In der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jasmin Schreiber spielen Luna Wedler und Edgar Selge die Hauptrollen. Österreichischer Kinostart soll im August sein. „Das Projekt war eine wunderbare Fügung. Wir hatten mit Eileen zuvor nur indirekt zu tun, weil sie eine gute Freundin von Vicky Krieps ist. Sie war es, die Vicky dazu gebracht hatte, darüber nachzudenken, Sisi zu spielen. So kam es schließlich zu ‚Corsage‘“, erzählt Alex Glehr.
Ebenfalls zu den Koproduktionen gehört die Serie „A Better Place“, bei der Komplizen Serien im Lead ist. Weiterer Koproduzent ist Studio Canal Series. „Wir haben schon erste Schnittfassungen gesehen. Großartig“, so Glehr über die Produktion für WDR & ARD Degeto und Canal+ Österreich und Frankreich, die auf Büchern von Alexander Lindh und Laurent Mercier basiert und das Thema Resozialisierung von Tätern behandelt. Und auch, wenn sich die Film AG nicht als Serviceproduktion definiert, weil die Firma stets darauf bedacht ist, bei der Verwertung von Projekten zu partizipieren, sei die Erfahrung in dieser Rolle bei „Sachertorte“ sehr gut gewesen. „Die Zusammenarbeit mit DCM bei diesem Film, der für Prime Video entstanden ist und auf dem Zurich Film Festival Weltpremiere feierte, war wirklich toll“, so der Produzent, der mit der Entwicklung seines Unternehmens mehr als zufrieden ist.
Der Schritt, bei der Entwicklung von Stoffen mehr in Vorleistung zu gehen, zahle sich aus. So auch bei dem Serienprojekt „A New Order“ über den Wiener Kongress, bei dem die Film AG mit Violet Pictures von Alexis von Wittgenstein zusammenarbeitet. „An dem Stoff arbeiten wir bereits seit über vier Jahren. Agnes Pluch schreibt die Drehbücher, der ORF ist als Partner in die Entwicklung eingestiegen. In Deutschland laufen die Gespräche mit potenziellen Sendepartnern“, so Glehr. Ein weiteres Projekt in Entwicklung ist der Kinofilm „Bodyfarm“, der jüngst vom Filmfonds Wien, dem Österreichischen Filminstitut und dem ORF finanziert wurde. Für Drehbuch und Regie zeichnen Manuel Johns und Michael Fuith verantwortlich. „Michi ist eigentlich Schauspieler und Manu kennen wir schon sehr lange, war sogar mal Praktikant bei uns. Er ist ein kreativer Geist, Regisseur und Autor, der viele Kurzfilme und Musikvideos realisiert hat und nun mit Michi das Drehbuch von ‚Bodyfarm‘ geschrieben hat“, erzählt Glehr. Bodyfarmen sind forensische Einrichtungen, in denen man den Zerfallsprozess von Leichen beobachtet. In den USA sind diese recht häufig, in Europa existiert gerade mal eine.
„Unsere Bodyfarm steht in einem Wald in Niederösterreich. Der Klimawandel evoziert einen Pilzbefall, der die Leichen wieder zum Leben erweckt. Ein Förster muss den Kampf gegen die Zombies aufnehmen und gleichzeitig seine große Liebe retten“, fasst Glehr den Inhalt dieser Gruselkomödie zusammen, die ebenfalls für die erfolgreich aufgesetzte Erweiterung des Firmen-Portfolios der Film AG steht. Das Stichwort Portfolio-Erweiterung passt auch zu dem im Sommer 2023 gegründeten Zusammenschluss beim Produzent:innennetzwerk DAS DACH. Im DACH sind neben der Film AG die österreichischen Kollegen von Lotus Film, die deutschen Firmen Claussen+Putz und Wüste Film sowie die Schweizer Produktionshäuser Hugo Films und Zodiac Pictures. Das Netzwerk hat sich auf die Fahnen geschrieben, über Landesgrenzen hinweg das Development fiktionaler Programme im Schulterschluss anzupacken, um im Markt die Unabhängigkeit wahrend bestehen zu können.
Das Bestehen im Markt gelingt den österreichischen Produzenten seit der Einführung des neuen Anreizmodells mit FISA+ und ÖFI+ generell viel besser: „Das Modell ist ein großartiger Move, weil es uns Produzenten in einen internationalen Wettbewerb einsteigen lässt“, so Glehr, der anmerkt, dass sich vor allem die Anfragen im Service-Bereich mehren. „Hier sind wir aber wie gesagt sehr wählerisch, weil sich Johanna und ich als kreatives Produktionsduo auf den Produktionsprozess kontrollierend fokussieren und unsere eigenen Geschichten erzählen wollen.“ Eine nicht vermeidbare Entwicklung des neuen Anreizmodells seien neben dem Kampf um Teams auch die steigenden Preise: „Der Preisentwicklung tut es nie gut, wenn mehr Geld im Markt ist. Dadurch verlieren wir wieder an Konkurrenzfähigkeit. Alles hat sein Für und Wider. Dennoch ist unser Incentive ohne Frage ein Leuchtturmprojekt innerhalb Europas und schafft hinsichtlich des Rechtebehalts der Produzent:innen einen nachhaltigen Mehrwert, der hilft, die Firmen langfristig zu kapitalisieren.“ Die Perspektiven sind gut, die österreichische Filmwirtschaft steht auf einer funktionierenden Basis. „Die Projektlage hat sich insgesamt so verändert, dass wir gelassen(er) in die Zukunft blicken und Entwicklungen besser abschätzen können. Das ist gut“, so Glehr, der anfügt, dass sie lange genug von der Hand in den Mund gelebt, sich von einem Projekt zum nächsten gehangelt hätten und bei Wegbruch einer Produktion vor dem Abgrund standen. „Auch wenn es jetzt eine entspanntere Situation ist, können wir uns es nicht leisten, uns auf die grüne Wiese zu legen.“
Auf eben diese legt sich Alexander Glehr auch in seiner Funktion als Präsident des Österreichischen Produzentenverbands AAFP nicht (den Posten teilt er sich mit John Lüftner von Superfilm). Filmpolitisch auf der Agenda steht hier neben dem Umgang mit KI die Investment Obligation, wie sie in Frankreich und der Schweiz beispielsweise schon implementiert und in Deutschland im Rahmen der Förderreform inkludiert werden soll. „Die Internationalisierung, die es durch die großen US-Player gegeben hat, begrüßen wir alle. Dennoch kann es nicht sein, dass wir daran nicht partizipieren.“ Im Gespräch mit der Politik steht die österreichische Branche bereits, von den politischen Entscheidungsträgern sei ein solches Gesetz prinzipiell auch gewünscht, wie Glehr sagt. Aber: „Wir haben im Herbst Wahlen, es Bedarf der Bündelung aller Kräfte, um einen solchen Meilenstein davor noch hinzubekommen.“ Die Frage sei immer, wie stark man einen Markt regulieren will und welche Freiheiten man lässt. „Die Freiheit der Entscheidung ist für Unternehmer:innen sehr wichtig, da sie ja auch die sind, auf denen die Risiken letztlich lasten. Auf der anderen Seite muss man gewissen Entwicklungen Grenzen setzen, innerhalb derer sie ablaufen dürfen. Das betrifft auch Themen wie KI.“
Barbara Schuster